Belagerung von Mainz | Page 8

Johann Wolfgang von Goethe
wovon man viel zu h?ren hatte.
Nachts vom 14. zum 15. Juli. Die Franzosen werden aus einer Batterie vor der Karlsschanze getrieben; fürchterliches Bombardement. Von der Mainspitze über den Main brachte man das Benediktinerkloster auf der Zitadelle in Flammen. Auf der andern Seite entzündet sich das Laboratorium und fliegt in die Luft. Fenster, L?den und Schornsteine dieser Stadtseite brechen ein und stürzen zusammen.
Am 15. Juli besuchten wir Herrn Gore in Klein-Wintersheim und fanden Rat Krause besch?ftigt, ein Bildnis des werten Freundes zu malen, welches ihm gar wohl gelang. Herr Gore hatte sich stattlich angezogen, um bei fürstlicher Tafel zu erscheinen, wenn er vorher sich in der Gegend abermals würde umgeschaut haben. Nun sa? er, umgeben von allerlei Haus- und Feldger?t, in der Bauernkammer eines deutschen D?rfchens, auf einer Kiste, den angeschlagenen Zuckerhut auf einem Papiere neben sich; er hielt die Kaffeetasse in der einen, die silberne Rei?feder, statt des L?ffelchens, in der andern Hand; und so war der Engl?nder der ganz anst?ndig und behaglich auch in einem schlechten Kantonierungsquartier vorgestellt, wie er uns noch t?glich zu angenehmer Erinnerung vor Augen steht.
Wenn wir nun dieses Freundes allhier gedenken, so verfehlen wir nicht, etwas mehreres über ihn zu sagen. Er zeichnete sehr glücklich in der Camera obscura und hatte, Land und See bereisend, sich auf diese Weise die sch?nsten Erinnerungen gesammelt. Nun konnte er, in Weimar wohnhaft, angewohnter Beweglichkeit nicht entsagen, blieb immer geneigt, kleine Reisen vorzunehmen, wobei ihn denn gew?hnlich Rat Krause zu begleiten pflegte, der mit leichter, glücklicher Fassungsgabe die vorstehenden Landschaften zu Papier brachte, schattierte, f?rbte, und so arbeiteten beide um die Wette.
Die Belagerung von Mainz, als ein seltener, wichtiger Fall, wo das Unglück selbst malerisch zu werden versprach, lockte die beiden Freunde gleichfalls nach dem Rhein, wo sie sich keinen Augenblick mü?ig verhielten.
Und so begleiteten sie uns denn auch auf einem Gefahrzug nach Wei?enau, wo sich Herr Gore ganz besonders gefiel. Wir besuchten abermals den Kirchhof, in Jagd auf pathologische Knochen; ein Teil der nach Mainz gewendeten Mauer war eingeschossen, man sah über freies Feld nach der Stadt. Kaum aber merkten die auf den W?llen etwas Lebendiges in diesem Raume, so schossen sie mit Prellschüssen nach der Lücke; nun sah man die Kugel mehrmals aufspringen und Staub erregend herankommen, da man sich denn zuletzt hinter die stehengebliebene Mauer oder in das Gebeingew?lbe zu retten wu?te und der den Kirchhof durchrollenden Kugel heiter nachschaute.
Die Wiederholung eines solchen Vergnügens schien dem Kammerdiener bedenklich, der, um Leben und Glieder seines alten Herrn besorgt, uns allen ins Gewissen sprach und die kühne Gesellschaft zum Rückzug n?tigte.
Der 16. Juli war mir ein b?nglicher Tag, und zwar bedr?ngte mich die Aussicht auf die n?chste, meinen Freunden gef?hrliche Nacht; damit verhielt es sich aber folgenderma?en. Eine der vorgeschobenen kleinen feindlichen Schanzen, vor der sogenannten Welschen Schanze, leistete v?llig ihre Pflicht; sie war das gr??te Hindernis unserer vordern Parallele und mu?te, was es auch kosten m?chte, weggenommen werden. Dagegen war nun nichts zu sagen, allein es zeigte sich ein bedenklicher Umstand. Auf Nachricht, oder Vermutung: die Franzosen lie?en hinter dieser Schanze und unter dem Schutz der Festung Kavallerie kampieren, wollte man zu diesem Aus- und überfalle auch Kavallerie mitnehmen. Was das hei?e: aus der Tranchee heraus, unmittelbar vor den Kanonen der Schanze und der Festung, Kavallerie zu entwickeln und sich, in düsterer Nacht, damit auf dem feindlich besetzten Glacis herumzutummeln, wird jedermann begreiflich finden; mir aber war es h?chst b?nglich, Herrn von Oppen, als den Freund, der mir vom Regiment zun?chst anlag, dazu kommandiert zu wissen. Gegen Einbruch der Nacht mu?te jedoch geschieden sein, und ich eilte zur Schanze Nr. 4, wo man jene Gegend ziemlich im Auge hatte. Da? es losbrach und hitzig zuging, lie? sich wohl aus der Ferne bemerken, und da? mancher wackere Mann nicht zurückkehren würde, war vorauszusehen.
Indessen verkündigte der Morgen, die Sache sei gelungen, man habe die Schanze erobert, geschleift und sich ihr gegenüber gleich so festgesetzt, da? ihre Wiederherstellung dem Feinde wohl unm?glich bleiben sollte. Freund Oppen kehrte glücklich zurück; die Vermi?ten gingen mich so nah nicht an; nur bedauerten wir den Prinzen Ludwig, der als kühner Anführer eine, wo nicht gef?hrliche, doch beschwerliche Wunde davontrug und in einem solchen Augenblick den Kriegsschauplatz sehr ungern verlie?.
Den 17. Juli ward nun derselbe zu Schiffe nach Mannheim gebracht; der Herzog von Weimar bezog dessen Quartier im Chauseehause; es war kein anmutigerer Aufenthalt zu denken.
Nach herk?mmlicher Ordnungs- und Reinlichkeitsliebe lie? ich den sch?nen Platz davor kehren und reinigen, der bei dem schnellen Quartierwechsel mit Stroh und Sp?nen und allerlei Abwürflingen eines eilig verlassenen Kantonnements übers?et war.
Den 18. Juli nachmittags auf gro?e, fast unertr?gliche Hitze Donnerwetter, Sturm und Regengu?, dem Allgemeinen erquicklich, den Eingegrabenen als solchen freilich sehr l?stig.
Der Kommandant tut Vergleichsvorschl?ge, welche zurückgewiesen werden.
Den 19. Juli. Das Bombardement geht fort, die Rheinmühlen werden besch?digt und unbrauchbar gemacht.
Den 20. Juli. Der Kommandant General d'Oyré überschickt
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