Beiträge zur Entdeckung und Erforschung Africas. | Page 2

Gerhard Rohlfs
Ausspruch des Kaisers Napoleon
überboten worden. Man hat behaupten wollen, der Umstand, daß Herr
von Lesseps ein Verwandter der Kaiserin Eugenie ist, habe nicht wenig
dazu beigetragen, eine für die Compagnie so außerordentlich günstige
Entscheidung herbeizuführen. Außerdem hatte die Compagnie einen
neuen Geldzuschuß von 10 Mill. Frs. als Entschädigung für die
Domäne Tel-el-kebir vom Vicekönig erhalten. Trotzdem daß nun die

ursprünglich veranschlagte Summe von 200 Mill. Frs. sich so um fast
100 Millionen erhöht fand, stellte es sich schon im kommenden Jahre
heraus, daß zur Beendigung des Kanals noch wenigstens 100 Millionen
erforderlich seien. Deshalb ging Anfang 1868 Herr Lesseps nach Paris,
um eine neue Anleihe zu negociiren. Eine Anleihe als solche scheiterte
indeß, es gelang aber Herrn Lesseps eine Lotterie mit Bewilligung der
französischen Kammer zu Stande zu bringen, welche bis Anfang Juni
1868 40-45 Millionen ergab und endlich wurden durch verschiedene
Operationen die finanziellen Schwierigkeiten des Kanalbaues
überwunden.
Nach der damaligen Abmachung sollten die Arbeiten bis zum 1.
October 1869 fertig sein und nach den Arbeiten des Hauses Borrel und
Lavaley zu schließen, konnte dies auch geschehen. Denn um von dem
Augenblicke an den Kanal so herzustellen, daß er überall an der
Wasserlinie eine Breite von 100 Meter, an der Basis 22 Meter (an
einigen Stellen indeß oben 75 Meter und unten blos 12 Meter) mit einer
Tiefe von überall 8 Metern habe, blieben vom Juni 1868 an noch 34
Millionen Kubikmeter Terrain wegzuräumen übrig. Mit der
Arbeitsfähigkeit, welche Borrel und Lavaley zu ihrer Disposition hatten
und wodurch bis Mai 1868 circa 18 Millionen Kubikmeter Erdreich
weggeschafft wurde und welche im Juli 1868 bis auf 20 Millionen
Kubikmeter gesteigert werden konnte, stellte es sich heraus, daß in der
That bis Ende des Jahres 1869 der Kanal fertig sein würde. Ob aber
derselbe dann schon für die größten Fahrzeuge passirbar sein würde,
war eine andere Frage; jedenfalls aber konnten Borrel und Lavaley, die
mit der Compagnie übereingekommen waren, eine so und so große
Menge von Erdreich aus der vorgeschriebenen Linie des Kanals
hinwegzuräumen, ihren Verpflichtungen nachkommen. Zur
Ausführung dieser großartigen Arbeit hatten Borrel und Lavaley
folgende Maschinen, welche sämmtlich entweder in England oder
Frankreich und Belgien angefertigt sind, zur Disposition: a) 10
mechanische Zermalmer; b) 4 Handbaggermaschinen; c) 19 kleine
Baggermaschinen; d) 58 große Baggermaschinen, von denen 20 mit
langen Abgüssen; e) 30 Dampfschiffe, um Schutt wegzufahren, mit
Seitenklappen; f) 79 Schuttdampfschiffe mit Grundklappen, 37 von
diesen hielten das Meer; g) 18 Elevateurs; h) 90 schwimmende

Chalands mit Schuttkisten; i) 30 Dampfwidder; k) 15 Dampfchalands; l)
60 Locomobilen; m) 15 Locomotiven; n) 20 Dampferdhöhler theils für
trockenen, theils nassen Boden; o) 1800 Erdwagen; p) 25 Dampfcanots
oder Remorqueurs; q) 200 eiserne Chalands.
Wir brauchen nicht zu erwähnen, daß auch noch ein genügendes und
massenhaftes Material von kleinen Geräthen, als Schaufeln, Hacken,
Schiebkarren u.s.w. vorhanden war. Borrel und Lavaley hatten
außerdem eine Arbeitskraft von circa 12,000 Menschen auf dem Platze,
welche theils aus Eingeborenen, die sich freiwillig zum Arbeiten
gemeldet hatten, theils aus Europäern bestand. Alle Arbeiten waren
contractlich; erstere bekamen für 1 Meter Kubikfuß 1 Fr. 95 Cent., wo
das Terrain leicht zu bearbeiten war; wo es hingegen, wie in Chalouf,
schwierig war, bis 2 Frs. 45 Cent., die Handwerker und Europäer hatten
nicht unter 5 Frs. per Tag.
Bald darauf wurden aber wieder viele Stimmen laut, daß nach
vollendetem Kanalbaue zwei große Schiffe neben einander nicht
würden passiren können; indeß bei den geringsten Dimensionen von 75
Meter an der Wasserlinie und 12 Meter an der Basis waren wir
berechtigt, anzunehmen, daß dies der Fall sein würde oder daß man
dem würde abhelfen können. Man wollte ferner behaupten, daß die
Ausfüllung der Bitterseen vom Mittelmeere aus zu rasch vor sich gehen
würde und so durch den hereinbrechenden Strom der Kanalbau
beschädigt, wenn nicht ganz zerstört werden könnte. Die Anfüllung des
Timsahsees im Jahre 1861, wozu nicht weniger als circa 100 Mill.
Kubikmeter Wasser erforderlich waren, welche dem mittelländischen
Meere entzogen wurden, hatte jedoch gezeigt, daß bei so großen
Quantitäten mit verhältnißmäßig so geringem Falle die Strömung mit
großer Langsamkeit vor sich geht; und so konnte man genau berechnen,
daß zur Ausfüllung des großen und kleinen Beckens des Bittersees,
welcher wenigstens 20 Mal so viel Volumen Wasser verschlingen
würde, als der Timsahsee, fast zwei Monate erforderlich sein müßten.
So war, als wir Mitte Juni 1868 den Kanal besuchten, die Sachlage; und
wenn wir auch nicht der Meinung der Pessimisten waren, welche
behaupteten, der Kanal würde nie fertig, würde stets wieder versanden

oder auch diese Compagnie würde nicht die erforderlichen Mittel
aufbringen können, um die Bauten zu Ende zu führen, und es würde so
selbstverständlich der Kanal in die Hände der Engländer übergehen
(beiläufig gesagt wäre dies gar kein Schaden für die kommerzielle
Welt), so waren uns doch auch andererseits starke Zweifel aufgestoßen,
ob der Kanal schon Ende 1869 der allgemeinen Benutzung würde
übergeben
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