Gefahr schon mehr
vorüber wäre, mit desto größerer Heiterkeit und Ruhe überlassen
könnte. Josephe äußerte, indem sie mit einiger Begeisterung sogleich
aufstand, daß sie den Drang, ihr Antlitz vor dem Schöpfer in den Staub
zu legen, niemals lebhafter empfunden habe, als eben jetzt, wo er seine
unbegreifliche und erhabene Macht so entwickle. Donna Elvire erklärte
sich mit Lebhaftigkeit für Josephens Meinung. Sie bestand darauf, daß
man die Messe hören sollte, und rief Don Fernando auf, die
Gesellschaft zu führen, worauf sich alles, Donna Elisabeth auch, von
den Sitzen erhob. Da man jedoch letztere, mit heftig arbeitender Brust,
die kleinen Anstalten zum Aufbruche zaudernd betreiben sah, und sie,
auf die Frage: was ihr fehle? antwortete: sie wisse nicht, welch eine
unglückliche Ahndung in ihr sei? so beruhigte sie Donna Elvire, und
forderte sie auf, bei ihr und ihrem kranken Vater zurückzubleiben.
Josephe sagte: so werden Sie mir wohl, Donna Elisabeth, diesen
kleinen Liebling abnehmen, der sich schon wieder, wie Sie sehen, bei
mir eingefunden hat. Sehr gern, antwortete Donna Elisabeth, und
machte Anstalten ihn zu ergreifen; doch da dieser über das Unrecht, das
ihm geschah, kläglich schrie, und auf keine Art darein willigte, so sagte
Josephe lächelnd, daß sie ihn nur behalten wolle, und küßte ihn wieder
still. Hierauf bot Don Fernando, dem die ganze Würdigkeit und Anmut
ihres Betragens sehr gefiel, ihr den Arm; Jeronimo, welcher den
kleinen Philipp trug, führte Donna Constanzen; die übrigen Mitglieder,
die sich bei der Gesellschaft eingefunden hatten, folgten; und in dieser
Ordnung ging der Zug nach der Stadt.
Sie waren kaum funfzig Schritte gegangen, als man Donna Elisabeth
welche inzwischen heftig und heimlich mit Donna Elvire gesprochen
hatte. Don Fernando! rufen hörte, und dem Zuge mit unruhigen Tritten
nacheilen sah. Don Fernando hielt, und kehrte sich um; harrte ihrer,
ohne Josephen loszulassen, und fragte, da sie, gleich als ob sie auf sein
Entgegenkommen wartete, in einiger Ferne stehen blieb: was sie wolle?
Donna Elisabeth näherte sich ihm hierauf, obschon, wie es schien, mit
Widerwillen, und raunte ihm, doch so, daß Josephe es nicht hören
konnte, einige Worte ins Ohr. Nun? fragte Don Fernando: und das
Unglück, das daraus entstehen kann? Donna Elisabeth fuhr fort, ihm
mit verstörtem Gesicht ins Ohr zu zischeln. Don Fernando stieg eine
Röte des Unwillens ins Gesicht; er antwortete: es wäre gut! Donna
Elvire möchte sich beruhigen; und führte seine Dame weiter. -Als sie in
der Kirche der Dominikaner ankamen, ließ sich die Orgel schon mit
musikalischer Pracht hören, und eine unermeßliche Menschenmenge
wogte darin. Das Gedränge erstreckte sich bis weit vor den Portalen auf
den Vorplatz der Kirche hinaus, und an den Wänden hoch, in den
Rahmen der Gemälde, hingen Knaben, und hielten mit
erwartungsvollen Blicken ihre Mützen in der Hand. Von allen
Kronleuchtern strahlte es herab, die Pfeiler warfen, bei der
einbrechenden Dämmerung, geheimnisvolle Schatten, die große von
gefärbtem Glas gearbeitete Rose in der Kirche äußerstem Hintergrunde
glühte, wie die Abendsonne selbst, die sie erleuchtete, und Stille
herrschte, da die Orgel jetzt schwieg, in der ganzen Versammlung, als
hätte keiner einen Laut in der Brust. Niemals schlug aus einem
christlichen Dom eine solche Flamme der Inbrunst gen Himmel, wie
heute aus dem Dominikanerdom zu St. Jago; und keine menschliche
Brust gab wärmere Glut dazu her, als Jeronimos und Josephens!
Die Feierlichkeit fing mit einer Predigt an, die der ältesten Chorherren
einer, mit dem Festschmuck angetan, von der Kanzel hielt. Er begann
gleich mit Lob, Preis und Dank, seine zitternden, vom Chorhemde weit
umflossenen Hände hoch gen Himmel erhebend, daß noch Menschen
seien, auf diesem, in Trümmer zerfallenden Teile der Welt, fähig, zu
Gott empor zu stammeln. Er schilderte, was auf den Wink des
Allmächtigen geschehen war; das Weltgericht kann nicht entsetzlicher
sein; und als er das gestrige Erdbeben gleichwohl, auf einen Riß, den
der Dom erhalten hatte, hinzeigend, einen bloßen Vorboten davon
nannte, lief ein Schauder über die ganze Versammlung. Hierauf kam er,
im Flusse priesterlicher Beredsamkeit, auf das Sittenverderbnis der
Stadt; Greuel, wie Sodom und Gomorrha sie nicht sahen, straft' er an
ihr; und nur der unendlichen Langmut Gottes schrieb er es zu, daß sie
noch nicht gänzlich vom Erdboden vertilgt worden sei.
Aber wie dem Dolche gleich fuhr es durch die von dieser Predigt schon
ganz zerrissenen Herzen unserer beiden Unglücklichen, als der
Chorherr bei dieser Gelegenheit umständlich des Frevels erwähnte, der
in dem Klostergarten der Karmeliterinnen verübt worden war; die
Schonung, die er bei der Welt gefunden hatte, gottlos nannte, und in
einer von Verwünschungen erfüllten Seitenwendung, die Seelen der
Täter, wörtlich genannt, allen Fürsten der Hölle übergab! Donna
Constanze rief, indem sie an Jeronimos Armen zuckte: Don Fernando!
Doch dieser antwortete so nachdrücklich und doch so heimlich, wie
sich beides verbinden ließ: "Sie schweigen, Donna, Sie rühren auch den
Augapfel nicht, und tun, als ob Sie in eine Ohnmacht versunken;
worauf wir die Kirche verlassen." Doch, ehe
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