dessen Frau eine
Verwandte seiner Großmutter war, verkehrte, und die führenden
Männer der preußischen Reaktion, so zum Beispiel Friedrich Julius
Stahl, kennen lernte. Die später in seinen Schriften hervortretende
scharfe und treffende Kritik der Natur des preußischen Staates dürfte er
bei seinem Aufenthalt in Berlin und im Verkehr mit den maßgebenden
Gesellschaftskreisen gewonnen haben. Sein
großdeutsch-österreichischer Standpunkt, der nicht nur der herrschende
in seiner Familie, sondern auch in den Bürgerkreisen Altfrankfurts war,
mochte seine Beobachtungsgabe besonders schärfen. Er lernte jetzt den
Staat in seinem innersten Wesen kennen, der der Todfeind Oesterreichs
war. Dieser sein großdeutsch-österreichischer Standpunkt kam auch in
den politischen Schriften zum Ausdruck, deren erste Schweitzer 1859
veröffentlichte, und zwar in Frankfurt, wo er sich 1857 als
Rechtsanwalt niedergelassen hatte, dem aber die Praxis fehlte. Diese
Schrift, die während des österreichisch-italienisch-französischen
Krieges veröffentlicht wurde, führte den bezeichnenden Titel
"Oesterreichs Sache ist Deutschlands Sache" und forderte das Eintreten
von Gesamtdeutschland für Oesterreich. Die zweite Schrift mit gleicher
Tendenz führte den Titel: "Widerlegung von Karl Vogts Studien zur
gegenwärtigen Lage Europas". Dieselbe schließt: Oesterreichs Sache ist
die Sache des europäischen Rechtes und der europäischen Ordnung, die
Sache der Kultur und Humanität und vor allem die nationale Sache
deutscher Ehre und deutscher Unabhängigkeit.
In einer dritten Schrift, die 1860 erschien, betitelt "Der einzige Weg zur
nationalen Einheit", rückt er erheblich nach links. Er bekennt sich als
Republikaner und sieht nur in einer demokratischen Einheit
Deutschlands, die durch eine Revolution von unten herbeizuführen sei,
das Heil Deutschlands. Indes verfiel er später wieder in seine
großdeutsch-österreichischen Sympathien, bis er endlich nach seiner
persönlichen Bekanntschaft mit Lassalle ins kleindeutsche Lager
abschwenkte und in der Politik eines Bismarck die einzige Möglichkeit
zur Lösung der deutschen Frage sah.
Der Beginn der Volksbewegung und die Gründung des Nationalvereins
im Jahre 1859 mit seinen kleindeutschen Bestrebungen konnten
Schweitzer nicht gleichgültig lassen. Er trat, entsprechend seinem
damaligen Standpunkt, gegen den Nationalverein auf. Er meinte
(Januar 1861), nur wenn der Nationalverein sich für die Republik, das
hieß also für die Revolution erkläre, könne er auf die Hilfe der Arbeiter
rechnen. Preußen sei nicht besser als Oesterreich; beide müßten
zertrümmert werden, sollte die deutsche Einheit möglich sein.
Als dann im November 1861 in Frankfurt a.M. mit seiner Hilfe ein
Arbeiterbildungsverein gegründet wurde, wählte man Schweitzer zu
dessen Vorsitzenden. Hier vertrat er die gleichen radikalen Ideen.
Anfang 1862 erschien wiederum eine Schrift von ihm, "Zur deutschen
Frage", in der er sich abermals als unerbittlichen Gegner der
hohenzollernschen Hauspolitik und der preußischen Führerschaft in
Deutschland bekannte und die Jämmerlichkeit der Mittelparteien
brandmarkte. Er trat jetzt als Vielgeschäftiger in der Politik hervor. So
wurde er auch Vorsitzender des Frankfurter Turnvereins; Vereine, die
damals samt und sonders eine eifrige politische Tätigkeit entfalteten,
obgleich sie angeblich unpolitische Vereine sein sollten. Das gleiche
war mit der Schützenvereinsbewegung der Fall. Auch in dieser trat
Schweitzer aktiv hervor und wurde, als der deutsche Schützenbund
gegründet wurde, Mitglied des engeren Ausschusses desselben. Als
dann Juli 1862 das erste deutsche Schützenfest in Frankfurt abgehalten
wurde, war Schweitzer Schriftführer des Zentralausschusses und
Redakteur der Festzeitung. Der intime Umgang, den er damals mit dem
Herzog von Koburg, dem "Schützenherzog", pflog, an dessen Seite er
sich häufig auf dem Festplatze zeigte, stand freilich in Widerspruch zu
seinem bisherigen radikalen Verhalten und auch zu der radikalen Rede,
die er am 22. Mai 1862 auf dem Arbeitertag des Maingaus in durchaus
sozialistischem Sinne gehalten hatte, wie ich das bereits im ersten Teil
dieser meiner Arbeit erwähnte.
Schweitzer hatte um diese Zeit gleichzeitig mehrere Eisen im Feuer.
Aber da brach das Verhängnis über ihn herein. Er wurde kurz nach dem
Frankfurter Schützenfest zweier Verfehlungen öffentlich beschuldigt,
die einen schwarzen Schatten auf sein späteres Leben warfen und als
Merkmale seines Charakters von Bedeutung sind.
Zunächst wurde er beschuldigt, 2600 Gulden für die Kasse des
Frankfurter Schützenfestes unterschlagen zu haben. Klage wurde von
seiten des Ausschusses nicht erhoben, und das gab wohl Veranlassung,
daß die Tat überhaupt bestritten wurde. Demgegenüber möchte ich
feststellen, daß der Justizrat Sterzing in Gotha, der im Zentralausschuß
des Schützenfestes saß, mit seiner Namensunterschrift eine Erklärung
in der "Allgemeinen Deutschen Arbeiterzeitung" in Koburg erließ,
worin er die Unterschlagung als Tatsache bestätigte. Als dann einige
Jahre später im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein die Opposition
gegen Schweitzer losbrach, schickte die Gothaer Mitgliedschaft einen
ihrer Angehörigen zu Justizrat Sterzing, um ihn zu fragen, ob die gegen
Schweitzer erhobene Beschuldigung der Unterschlagung wahr sei.
Sterzing betätigte das. Darauf wandte sich die Gothaer Mitgliedschaft
an Schweitzer, teilte ihm die Aeußerung Sterzings mit und ersuchte ihn,
Sterzing zu verklagen. Schweitzer lehnte ab. Er erklärte: das falle ihm
nicht ein, da habe er viel zu tun.
Ein anderer noch unliebsamerer Vorgang trug sich im August 1862 im
Schloßgarten zu Mannheim zu. Schweitzer wurde beschuldigt, am
Vormittag des betreffenden Tages ein Sittenvergehen an einem Knaben
begangen zu haben. Er wurde mit vierzehn Tagen Gefängnis bestraft.
Die Handlung wäre
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