Aus meinem Leben - Zweiter Teil | Page 6

August Bebel
aller gesellschaftlichen Etikette geriet der alte Wei?heimer derma?en in Aufregung, da? er einige Sekunden nach Atem schnappte, wohingegen die ��brige Gesellschaft aus vollem Halse lachte.
Die Wandlung in der Gesinnung Schweitzers unter dem Einflu? Lassalles zeigte sich sofort deutlich in der Rede, die er am 13. Oktober 1863 in Leipzig unter dem Titel hielt: "Die Partei des Fortschritts als Tr?gerin des Stillstandes". Diese Rede bezeichnet eine vollst?ndige Umwandlung seiner bisherigen Stellung zu Preu?en, zugleich war sie eine Rechtfertigung der Politik Lassalles und eine klare Stellungnahme gegen den Liberalismus, was zu jener Zeit hie? eine Parteinahme f��r Bismarck und die Feudalen. In jener Rede f��hrt er unter anderem aus:
"Allein, meine Herren, wenn Sie meinem Vortrag gefolgt sind, so werden Sie erkannt haben, da? zwar der moderne Absolutismus samt seinen Adels- und Priesterkoterien uns feindlich gegen��bersteht, da er ��berhaupt von Neuerung nichts wissen will; allein, Sie werden zugleich erkannt haben, da? unser eigentlicher, hartn?ckiger und erbitterter Feind wo ganz anders steckt--n?mlich in der Bourgeoispartei und ihren Vertretern. Es mu? durchaus einmal offen und bestimmt ausgesprochen werden, da? in der weitaus h?chsten und wichtigsten Frage der Zeit der wahre Sitz des Stillstandes in der sogenannten liberalen Partei liegt, da? also unser, der sozialdemokratischen Partei Kampf in erster Linie gegen sie gerichtet sein mu?. Wenn Sie dies aber festhalten, meine Herren, dann werden Sie sich selbst sagen: Warum h?tte Lassalle sich nicht an Bismarck wenden sollen?"
Nach dieser Theorie waren also nicht die Feudalen, denen jeder politische und soziale Fortschritt ein Greuel war, die, um modern zu reden, die heftigsten Verteidiger der gottgewollten Abh?ngigkeiten sind, der Hauptfeind der Arbeiter, das waren vielmehr die Liberalen, von denen selbst der am weitesten rechtsstehende Anh?nger doch immer noch ein Vertreter der modernen Entwicklung, ein Anh?nger eines gewissen Kulturfortschrittes ist, ohne den die kapitalistische Ordnung nicht bestehen kann, die dem Proletarier erst die M?glichkeit schafft, sich zum freien Menschen emporzuarbeiten, die Unterdr��ckung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen. Schweitzer wu?te, da? die von ihm gepredigte Auffassung eine grundreaktion?re war, ein Verrat an den Interessen des Arbeiters, aber er propagandierte sie, weil er glaubte, sich dadurch nach oben zu empfehlen.
Es verstand sich von selbst, da? Bismarck und die Feudalen eine solche Hilfe von der ?u?ersten Linken mit Vergn��gen sich gefallen lie?en und den Vertreter einer solchen Auffassung eventuell auch unterst��tzten. War doch dieses Spielen mit Sozialismus und Kommunismus--und kein vern��nftiger Mensch konnte annehmen, da? es sich um mehr als um ein Spielen handle--ein vortreffliches Mittel, die liberale Bourgeoisie, die nie an einem Ueberma? von Mut und Einsicht litt, ins Bockshorn zu jagen und sie dem Bismarckschen Z?sarismus ins Garn zu treiben. Je radikaler dieser Sozialismus sich gegen die Bourgeoisie aufspielte, je mehr erf��llte er seinen Zweck. Daher auch die Aufforderung Buchers an Marx--man mu? dieses immer wiederholen--, im "Staatsanzeiger" selbst kommunistisch zu schreiben.
Diese Politik war aber das gerade Gegenteil von Demokratie und Sozialismus, was ich nicht erst zu beweisen n?tig habe.

"Der Sozialdemokrat."
Schweitzer siedelte im Juli 1864 nach Berlin ��ber und lie? sich dort naturalisieren. Sein Zweck war, die Herausgabe eines Parteiorgans "Der Sozialdemokrat" zu betreiben, wozu sein Freund v. Hofstetten, der mit einer Gr?fin Strachwitz verheiratet war und einiges Verm?gen besa?, die Mittel hergab. Auffallend ist, da? Lassalle in seinem Testament keinen Pfennig f��r das von ihm gebilligte Unternehmen anwies.
Schweitzer war es gelungen, trotz des Mi?trauens, das ein Teil der hier Genannten gegen ihn hegte, au?er Liebknecht Karl Marx, Friedrich Engels, Oberst R��stow, Georg Herwegh, Jean Philipp Becker, Fr. Reusche, Moritz He? und Professor Wuttke als Mitarbeiter zu gewinnen, selbstverst?ndlich auf ein radikales Programm, das Schweitzer entworfen hatte, das sich durch Klarheit, Bestimmtheit und K��rze auszeichnete. Dasselbe erschien an der Spitze der Probenummer des "Sozialdemokrat" vom 15. Dezember 1864 und lautete:
Unser Programm.
Drei gro?e Gesichtspunkte sind es, welche das Streben und die T?tigkeit unserer Partei bestimmen:
Wir bek?mpfen jene Gestaltungen des europ?ischen Staatensystems, welche, unnat��rlich die V?lker trennend und verbindend, aus dem feudalen Mittelalter in das neunzehnte Jahrhundert sich her��bergeschleppt haben--wir wollen f?rdern die Solidarit?t der V?lkerinteressen und der Volkssache durch die ganze Welt.
Wir wollen nicht ein ohnm?chtiges und zerrissenes Vaterland, machtlos nach au?en und voll Willk��r im Innern--das ganze, gewaltige Deutschland wollen wir, den einen, freien Volksstaat.
Wir verwerfen die bisherige Beherrschung der Gesellschaft durch das Kapital--wir hoffen zu erk?mpfen, da? die Arbeit den Staat regiere.
Diese drei gro?en auf gemeinsamer Grundlage beruhenden Gesichtspunkte weisen uns in jeder m?glichen Frage mit zwingender Notwendigkeit auf die Bahnen, die wir zu wandeln haben.
Unsere Prinzipien sind einfach und klar--ihre Konsequenzen zu ziehen werden wir uns niemals scheuen.
Kein Zweifel, w?re dieses durchaus unanfechtbare, von allen ma?gebenden Personen in der Partei gebilligte Programm fortan die Richtschnur des Blattes geblieben, eine Spaltung w?re unm?glich gewesen, eine Aera gesunder Fortentwicklung w?re eingetreten und h?tte eine ungeahnte Ausbreitung der Partei schon in jungen Jahren h?chst wahrscheinlich gemacht.
Aber Schweitzer wollte es anders. Von Herrn v. Hofstetten, seinem Associ�� und Miteigent��mer des "Sozialdemokrat",
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 163
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.