Aus der Chronika eines fahrenden Schnlers | Page 4

Clemens Brentano
Sinn der Leser schien dazu zu fehlen. Jetzt, da diese Erz?hlung mehr, ja selbst die altdeutschen R?cke vor sich hat, fiel sie mir wieder in die H?nde, und ich versuche es, sie den Lesern vorzulegen mit der Erinnerung, da? sie zu p?dagogischen Zwecken entworfen worden, als ich von der sogenannten Romantik noch wenig wu?te, und da? sie daher neben den allerneuesten Ritterromandichtern in ihrer redseligen Einfalt um Schonung bittet. Sollte dem Leser, durch Eisenfresserei und Isl?ndisches Moos verw?hnt, diese Geschichte wie unsre deutsche Kamillen--und Hollunderblüte nicht behagen, so bringe er sie einem kranken Freunde oder M?gdelein, denen sie Gott gesegnen m?ge!

Im Jahr, da man z?hlte nach Christi, unsers lieben Herrn, Geburt 1358, am zwanzigsten Tage des Maimonats, h?rte ich, Johannes, der Schreiber, die Schwalbe in der Frühe an meinem Kammerfenster singen und ward innigst von dem Morgenlied des frommen V?geleins erbauet, bedachte auch auf meinem Bettlein, wie die Schwalbe in daurender Freude lebet, gegen den Winter in ferne w?rmere L?nder ziehet und, der Heimat getreu, gegen den Frühling wiederkehrt; also nicht der Mensch, der arme fahrende Schüler, der wohl viel gegen Sturm und Wetter ziehen mu?, ja der oft kein Feuer findet, die erstarrten H?nde zu erw?rmen, da? er sie falte zum Gebet; aber so er es ernstlich meinet, haucht er hinein.
Da ich in solchen Betrachtungen versunken war und das Schw?lblein auch auf seine Weise fortphantasierte, w?re ich schier wieder eingeschlummert, aber der W?chter auf dem Münster blies: "In sü?en Freuden geht die Zeit", welches ich hier noch nie geh?ret; denn ich war zum ersten Male in Stra?burg erwacht.
Nun richtete ich mich in meinem Bettlein auf, und schaute in meinem Gemache umher; das hatte aber Fenster rings herum und war in einem Sommerh?uslein des Gartens. Links stand der Mond noch bla? am Himmel, und rechts war der Himmel wie das lauterste Gold. Da fand ich mich zwischen Nacht und Tag und faltete die H?nde, und es fiel mir freudig aufs Herz, da? heute mein zwanzigster Geburtstag sei, und wie mir es viel besser geworden als in dem letzten Jahre, da ich meinen lieben Geburtstag auf freiem Felde in einem zerrissenen M?ntelein empfangen und mit einem Bissen Almosenbrot bewirten mu?te. O Freude und Ehre! dachte ich bei mir selbst und schaute zum Morgenlichte hin und sprach: "Du bist mein Licht, du wirst mein Tag!", glaubte auch schier in meiner Einfalt, der Himmel sei golden um meines Besten willen, die Schwalbe habe nur gesungen, mir Glück zu wünschen, und der Türmer habe allein so lieblich geblasen mir zur Feier; da der Himmel sich doch nur ger?tet vor der Sonne, die der Herr gerufen, da die Schwalbe doch nur gesungen in Gottes Frühlingslust, und der W?chter nur geblasen zu Gottes Ehren, ja wohl gern noch ein Stündlein geschlafen h?tte, so es ihm von den Münsterherren verstattet w?re. Also wird der Mensch leicht übermütig in der Freude, und glaubet, er sei recht der Mittelpunkt aller Dinge, und sei er mit allem gemeint. Da lie? ich die Augen fr?hlich in der Kammer umherschweifen, und sah auf dem Schemel ein neues Gewand liegen, das mir mein gütiger Herr und Ritter Veltlin von Türlingen am Abend im Dunkeln hatte herauftragen lassen, und konnte ich meine Begierde nun nicht l?nger zurückhalten, sprang auf von meinem Lager, und legte diese Kleider nicht ohne Tr?nen des Dankes an. Es war dies aber ein feines blaues Wams, um die Lenden gefaltet und gestutzet, und rot und wei?es Beinkleid von l?ndschem Tuch, auch stumpfe Schuh und eine schwarze Kogel mit einer blauen Feder, nicht zu vergessen ein Hemmet von wei?em Hauslinnen, am Halse bunt gen?ht und gekrauset, dergleichen ich vorher nie getragen. Da ward es mir fast leicht und fr?hlich zumute, und h?tte ich wohl m?gen einen Sprung tun, als h?tte ich einen neuen Menschen angezogen mit dem neuen Kleide.
Aber meine Hoffart w?hrte nicht lange; denn mein zerrissenes M?ntelein, welches ich als einen Vorhang vor das Fenster geh?ngt hatte, erleuchtete sich durch die aufgehende Sonne, und alle seine L?cher waren so viele M?uler und alle seine Fetzen so viele Zungen, die mich meiner t?richten Hoffart zeihten. Es war, als sage das M?ntelein zu mir: "O Johannes, bist du ein so eitler Kaufherr, da? du, angelanget in den Hafen, des zerrissenen Segels vergi?t, das dich in denselben geführet? Johannes, bist du ein so stolzer Schiffbrüchiger, da? du das Brett, welches dich mit Gottes Hülfe an ein grünes Eiland getragen, mit dem Fu?e undankbar in die Wellen zurückst??est? O Johannes, du undankbarer Freund, willst du, gerettet, mich nicht auf deinen Schultern in ein Gotteshaus tragen und aufstellen als ein Ged?chtnis, da? sich Gott deiner erbarmet?"
Ach, das waren wohl harte und wahre Worte meines M?nteleins, und ich nahm es mit Sch?men von dem Fenster, und legte es um über meinen neuen Staat, und fa?te es fest mit den H?nden um die Brust, als wollte ich
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