Kompagnie-Städtchens S. Mager der Boden, dafür blutgetränkt infolge
der vielfachen räuberischen Einfälle der bosnischen Türken. Freudlos
die Gegend, öd das Städtchen in türkischer Bauart und mit vielen
Mühlen einfachster Art und verfallenen Getreideschuppen aus
napoleonischer Zeit. Die märchenhaftblaue Korana prahlt just hier mit
hinreißender Schönheit in überraschenden Wasserstürzen; doch kommt
dieser Wasserzauber inmitten tiefer Melancholie nur bei hellem
Sonnenlichte zur Geltung. Grauer Himmel und Regenschauer
verwandeln diese Gegend in eine abschreckende Öde und Wildnis, die
auf das Gemüt erschütternd wirkt.
Des schlechten Ertrages aus dem Ackerbau wegen hatten die Offiziere
des Likaner Grenzregimentes ihre stetige Not mit der männlichen
Bevölkerung der oberen Lika; schön und hochgewachsen waren (und
sind heute noch) die Männer, prächtige Gestalten und brauchbare,
mutige Soldaten, aber für die Bodenbearbeitung hatten sie keinen Sinn,
und nur unter Zwang ließen sie sich, stets je acht Mann, vor einen Pflug
spannen, um an Stelle der fehlenden Ochsen die Feldbearbeitung
vorzunehmen. Auf Schritt und Tritt mußten den Likanern der Profos
und Unteroffiziere folgen.
Zufolge Regimentsbefehles bauten die Kompagnie-Offiziere und
Stationskommandanten auf den militäreigenen Grundstücken um jene
Zeit Kartoffeln zum Zwecke, die bäuerlichen Grenzsoldaten mit dieser
Frucht bekannt zu machen, die Leute zu veranlassen, den
Kartoffelanbau in der Lika allgemein einzuführen. Auch die
Kompagnie im Städtchen S. hatte im Frühjahre den Regimentsbefehl
zugemittelt erhalten, verschärft mit der "gepfefferten" Bemerkung des
zu Karlstadt residierenden Obersten K., daß die Offiziere zu S. "alles
und mit Beschleunigung aufzubieten haben, den Kartoffelbau
erfolgreich einzuführen". Gehorsam hatte der dienstälteste Hauptmann
Attilius Tonidandel, ein sehr bärbeißig aussehender, doch gutmütiger
und witzig veranlagter Herr, im Küchengarten bei seinem Wohnhause
"Krompir" (Grundbirne, Erdapfel) anbauen lassen, im Dienstwege aber
schriftlich beim Regimentskommando angefragt, "wie mit
Beschleunigung erfolgreich" die Kartoffel bei den Grenzsoldaten
"beliebt" gemacht werden solle.
Diese "gehorsamste", in Wahrheit etwas boshafte Anfrage war ohne
Antwort geblieben. Deshalb kümmerte sich Hauptmann Tonidandel
nicht weiter um den Befehl, noch weniger um die "gepfefferte"
Bemerkung des Regimentskommandanten, und Herr Attilius ließ die
"Krompir" Stauden wachsen, wie sie wollten.
In der Stabskanzlei des todlangweiligen Garnisonstädtchens "mopste"
sich eines melancholischen Herbsttages Tonidandel wieder ganz
erschrecklich, als unerwartet und sehr aufgeregt sein Freund, der
jüngere Hauptmann Adolar Pegan, ein kleiner, dicker Mann, eintrat,
atemringend grüßte und fürchterlich in einem Gemisch von deutschen
und serbischen Worten über die verdammten Grenzer fluchte. Und
stöhnend erstattete Pegan Kapport, daß in den Ackern nicht eine
einzige Grundbirne vorgefunden werden konnte; daher der größte Teil
der Kompagnie Stockprügel erhalten habe. Pfeifend und rasselnd holte
Pegan, der einen Satthals hatte, Atem. Herr Attilius Tonidandel blieb
ruhig auf dem zerrissenen Ledersessel sitzen, lachte vergnügt und
fragte, was denn die Teufelskerle mit dem gratis verabreichten
"Kartoffelsamen" getan hatten.
Herr Pegan rief erbost. "Schnaps wollten sie brennen, die Sramjes
(Schandkerle)! Das ist ihnen aber nicht gelungen!"
"Glaub' ich gern! Kann es den Kerls auch nicht verübeln, daß sie von
'Krompir' nichts wissen wollen! Mir persönlich ist ein knusperig
gebratenes Spanferkel allemal lieber als der schönste Erdapfel!"
Pfeifenden Atems schmetterte Pegan aus dem dicken Halse. "Aber
Befehl ist Befehl! Regimentsbefehl dazu! Und der Oberst hat zuweilen
den Teufel im Leib! Ganz totprügeln kann ich die Kerle doch nicht
lassen! Was aber machen, Herr Bruder?"
"Ruhig abwarten, Herr Hauptmann und Bruder! Abwarten, bis es dem
Chef beliebt, Antwort auf meine Frage vom Mai zu geben! Der Oberst
hat sich seither Zeit gelassen, also tun wir desgleichen! Nur nichts
überhudeln, Herr Bruder! Und nicht aufregen, lieber Pobratim
(Wahlbruder)! Darüber, wie unsere Grenzer zu Liebhabern der Erdäpfel
gemacht werden können, soll sich nur das Regimentskommando oder
Exzellenz, der alles wissende und nie sichtbare General in Agram, den
Kopf zerbrechen! Wir tun es nicht in dem öden Nest außerhalb der
Welt!"
Ein Posthornsignal wurde hörbar. Die militärische Poststaffette aus
Karlstadt war in S. angekommen, die täglich einmal die Befehle des
Regimentskommandos überbrachte.
Und Tonidandel schickte den Kompagnieschreiber Jovo hinab, den
Postbeutel in Empfang zu nehmen. Dann wandte sich Attilius gelassen
zum Freunde Pegan und bewirtete ihn mit einem Gläschen guten
Pflaumenschnapses (Slibowitz).
Pegan dankte und leerte das Glas auf einen Schluck. Und mit seiner
fetten Stimme beteuerte er. "Pobratim! Bleibt ewig wahr in Kroatien:
'Der beste Witz ist der--Slibowitz.' Auf Dein Wohl, Herr Hauptmann!"
"Weiß schon, wie es gemeint ist: repetatur! Ist das einzige lateinische
Wort, das in meinem Gedächtnisse haften geblieben ist! Zivio pobratim!
(Hoch Bruder!)" Und Attilius schenkte das Glas abermals voll, mit so
ruhiger Hand, daß kein Tropfen daneben floß.
"Danke, Herr Hauptmann! Ich staune über deine ruhige Hand. Noch
mehr bewundere ich aber deine Gelassenheit. Wo doch die--Wische
von der Regimentskanzlei soeben angekommen sind! Sicherlich für uns
im 'Exil' wieder unangenehme Befehle, lästige Aufträge, Rackereien.
Er aber, der solus altissimus sitzt bequem in Karlstadt!"
"Still, Bruder! Nicht aufregen über Dinge, die wir nicht ändern können,
und für die wir die Verantwortung nicht zu tragen haben.--Noch ein
Stamperl (Gläschen) gefällig? Alle guten Dinge sind ihrer drei."
Obwohl der
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