Auf Gottes Wegen | Page 7

Bjørnstjerne M. Bjørnson
so was anzuh?ren, hat sie gesagt. Und ich erkl?rte ihr, da? dem lieben Gott gerade die Geringsten die liebsten w?ren. Sie tat aber, als h?re sie das nicht, sondern sagte nur, ich solle doch einmal beim W?scher-Lars nachsehen, ob er daheim sei." --"Beim W?scher-Lars?" schrie Edvard, und Ole mu?te wieder "Psst!" sagen; der W?scher-Lars war n?mlich ihr guter Freund. -- "Du kannst mir's glauben, der ist die ganze Zeit über furchtbar nett gewesen. Im W?scher-Lars steckt viel Gutes, das sagen alle. Jeden Abend kommt er und hilft ihr. Heut Abend ist er früher gekommen als sonst, darum konnt' ich gehen; sonst bleib' ich viel l?nger." -- "Hast Du ihr noch ?fter vorgelesen?" -- "Ja, heute wieder. Gleich fing sie wieder zu weinen an; aber heute, glaub' ich, hat sie was geh?rt. Denn wie ich ihr das vom verlorenen Sohn vorlas, sagte sie: ich bin ja woll eins von seinen Schweinen!" -- Beide Jungens lachten. "Da sagt' ich denn, das glaubte ich doch nicht. Dann wollte ich versuchen, zu beten. Ach, das nützt ja doch alles nichts! sagte sie. Aber als ich dann das Vaterunser anfing, wurde sie ganz verdreht, wei?t Du, gerad' als ob sie sich fürchte, und sie richtete sich auf und schrie, davon wolle sie nichts wissen --unter keinen Umst?nden! Und dann legte sie sich wieder hin und heulte." -- "Es wurde also nichts?" -- "Nein, und dann kam der W?scher-Lars, und sie sagte, ich solle gehen. Aber siehst Du, wie es gewirkt hat? Glaubst Du nicht, da? ich auf dem besten Wege bin?" -- Edvard war nicht so ganz sicher.
Seine Bewunderung hatte augenscheinlich einen kleinen Knax bekommen.
Bald darauf trennten sie sich.
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In den h?heren Schulen herrscht bisweilen ein Geist, der dem Geist der Stadt, in der die Schule liegt, v?llig entgegengesetzt ist; ja, in der Regel steht die Schule in gewissen Stücken unter ganz selbst?ndigen Einwirkungen. Ein einziger Lehrer vermag die Schüler in seinem Bann zu halten, ebenso wie es oft von einem Kameraden oder von ein paar abh?ngt, ob unter den Knaben ein Geist der Ritterlichkeit oder das Gegenteil, ein Geist des Gehorsams oder das Gegenteil herrscht. In der Regel übernimmt irgend ein einzelner die Führung. Auch in sittlicher Hinsicht ist das so. Die Knaben arten ihrem Vorbild nach, und meist hat einer oder haben mehrere die Macht, als Vorbild zu wirken.
Gegenw?rtig hatte der Primus Anders Hegge teilweise die Oberleitung in H?nden. Einen so gelehrten Schüler hatte die Schule seit ihrer Gründung nicht gesehen; er war ein Jahr l?nger geblieben als n?tig, nur um der Schule den Glanz eines unzweifelhaften =prae ceteris= zu verschaffen. Die Knaben waren unglaublich stolz auf ihn. Bewundernd erz?hlten sie, wie er die Lehrer in der Gewalt habe, und da? er seine Stunden nach eigenem Belieben w?hlen und kommen und gehen k?nne, wie es ihm gerade passe. Meist arbeitete er für sich. Er besa? eine Bibliothek, deren Regale l?ngst die W?nde so angefüllt hatten, da? sie jetzt den Fu?boden entlang krochen. Ein langer Bücherst?nder stand auf jeder Seite des Sofas. Es gingen solche Wundergeschichten darüber um, da? sogar die kleinsten Jungens ihn besuchen und mit eigenen Augen sehen mu?ten. Und mitten drin, am Fenster, sa? er selber und rauchte, in einem bis auf die Fü?e reichenden Schlafrock, dem Geschenk einer verheirateten Schwester, auf dem Kopf eine Samtmütze mit Goldquaste, das Geschenk einer Tante, an den Fü?en gestickte Pantoffeln, das Geschenk einer Patin. Er war ein Damenprodukt -- wohnte bei seiner verwitweten Mutter, und fünf ?ltliche Verwandte bezahlten seine Bücher, kleideten ihn und versahen ihn mit Taschengeld.
Ein gro?er, kr?ftiger Bursche mit einem regelm??igen, feingeschnittenen Gesicht, dem Gesicht eines alten Geschlechts. Es w?re sch?n gewesen, wenn es nicht Glotzaugen und einen gierigen und lauernden Ausdruck gehabt h?tte. ?hnlich sein wohlgebauter K?rper: er h?tte einen stattlichen Eindruck gemacht, wenn er nicht vornüber gebückt gegangen w?re, als drücke eine Last seinen Rücken, und einen ungleichm??igen Gang gehabt h?tte. H?nde und Fü?e waren zierlich; er konnte nicht leiden, wenn man ihn anrührte, war verfroren und zimperlich und hatte einen durchaus weiblichen Geschmack.
Alles, was ihm einmal gesagt worden war, behielt er, Gro?es und Kleines, ohne Unterschied; oder wenn ein Unterschied war, so bestand er darin, da? das Kleine ihm das wichtigste war. Wenige Dinge entgingen ihm; sachte und nicht ohne eine Art Kunst stahl er sich in das Vertrauen eines Menschen. Er kannte die Familiengeschichten aus dem ganzen Land, auch solche aus fremden L?ndern kannte er. Diese Geschichten zu erz?hlen -- am liebsten Skandalgeschichten -- und in aller Stille noch andere einzuheimsen -- das war ihm des Daseins gr??te Wonne! H?tten die Lehrer geahnt, wie diese bewundernswerte Schubladeneinrichtung mit all ihrem Inhalt die Luft der Schule verdarb -- sie h?tten ihn schwerlich noch ein Jahr dabehalten. Die ganze Schule war nichts als Kritik und Zweifel; Klatsch und Spott waren Hoftugenden, die am ehesten zu Gunst führten; schlüpfrige Geschichten waren
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