Auf Gottes Wegen | Page 3

Bjørnstjerne M. Bjørnson
den andern, bis er pl?tzlich unten eine Zipfelm��tze auftauchen sah --so weit, weit unten, da? er sie nur eben erkennen konnte. Augenblicklich blieb er stehen. Seine Flucht, sein ganzes Entsetzen, all das eben Erlebte war wie weggeblasen; nicht der leiseste Gedanke mehr daran. Jetzt wollte er Angst einjagen; auf den dort hatte er schon die ganze Zeit gelauert! Bewegung, Augen, Haltung, alles zeigte, wie er sich ��ber die Gewi?heit freute, ihn nun bald in Schu?weite zu haben. Der sollte es kriegen!
Der andere kam einhergeschlendert, ohne zu ahnen, welcher Gefahr er entgegenging, langsam, als ob er seine Freiheit und Einsamkeit gen?sse; bald h?rte man seine schweren Stiefel, den Klang der eisenbeschlagenen Abs?tze gegen die Steine.
Ein gutgewachsener Knabe, hellblond und vielleicht ein Jahr ?lter als der andere, der ihm auflauerte; mit einem losen Friesanzug bekleidet, einen wollenen Schal um den Hals, und gro?e Fausthandschuhe an den H?nden; er trug einen l?ndlichen Korb -- blaugemalt, mit gelb-wei?en Rosen.
Ein gro?es Geheimnis ging endlich seiner Offenbarung entgegen; seit Tagen war die ganze Schule darauf gespannt gewesen, wie, wo und mit wem der Zusammensto? erfolgen werde, der jetzt drohte, wann der feierliche Moment der Abrechnung komme, in dem Ole Tuft vor einem Mitglied der gestrengen Schulpolizei endlich eingestehen mu?te, wo er sich nachmittags und abends herumtrieb und was er da anstellte.
Ole Tuft war der Sohn eines wohlhabenden Bauern vom Strande drau?en -- das einzige Kind. Sein Vater, der vor einem Jahr gestorben, war der angesehenste Laienprediger der westlichen Lande gewesen und hatte schon fr��hzeitig seinen Sohn zum Geistlichen bestimmt, weshalb dieser jetzt das Gymnasium besuchte. Ole war begabt, flei?ig und seinen Lehrern gegen��ber von einer Ehrerbietung, die ihn zu ihrem erkl?rten Liebling machte.
Aber die Haare allein machen noch nicht den Hund (trau', schau', wem?). Dieser treuherzige, h?chst ehrerbietige Junge blieb pl?tzlich den Nachmittagsspielen der Kameraden fern; zu Hause war er nicht (er wohnte bei einer Tante); bei Schultzes, wo er den Kindern Nachhilfstunde gab, war er auch nicht -- das erledigte er gleich nach Tisch; auch nicht bei Rektors, d. h. bei Rektors Pflegetochter, Josefine Kallem, Edvards Schwester; Ole und sie waren dicke Freunde. Zuweilen sahen die Knaben ihn dort ins Haus gehen, aber nicht wieder herauskommen; und trotzdem war Josefine immer allein, wenn sie ihm nachgingen, um zu inspizieren; sie hatten n?mlich Wachen ausgestellt -- die Untersuchung wurde systematisch betrieben. Bis zum Schulhaus konnten sie seine Spur verfolgen; dort aber verschwand sie. Die Erde konnte ihn doch nicht verschlungen haben! Das Haus wurde durchschn��ffelt von unten bis oben, jede Ecke, jedes Schlupfloch wieder und wieder durchst?bert. Josefine selbst f��hrte die Jungens herum, bis hinauf unters Dach, bis hinunter in den Keller, in s?mtliche R?ume, wo nicht gerade die Familie selber sich aufhielt, versicherte auch auf Ehre und Gewissen, dort sei er nicht; sie k?nnten selbst nachsehen. Wo in aller Welt steckte er nur?
Der Primus gewann in diesen Tagen bei einer Lotterie "=Les trois mousquetaires=" von Alexandre Dumas dem ?lteren, ein Prachtwerk mit Illustrationen; da er aber bald heraus hatte, da? das kein Buch f��r einen Gelehrten war, setzte er es als Pr?mie aus f��r den Kameraden, der entdecken w��rde, wo Ole Tuft seine Nachmittage und Abende zubrachte, und was er da trieb. Dies Angebot warf den z��ndenden Funken in Edvard Kallems Phantasie; er hatte n?mlich bis vor einem Jahr in Spanien gelebt, er las Franz?sisch wie seine Muttersprache, und "=Les trois mousquetaires=" war der wundervollste Roman auf der ganzen Welt -- das hatte er immer geh?rt. Jetzt stand er hier auf der Lauer, f��r "=Les trois mousquetaires="! Hurra, alle Drei sollen leben! Jetzt hatte er sie!
Leise, leise schlich er weiter, bis er den Fu?weg erreicht hatte. Der S��nder war dicht vor ihm.
Edvard Kallems Kopf hatte etwas, das an einen Raubvogel gemahnte -- die Nase wie ein Schnabel -- die Augen wild, schon an und f��r sich und noch mehr dadurch, da? sie ein ganz klein wenig schielten. Die Stirn scharf und niedrig, von lichtbraunem, kurzgeschorenem Haar umrahmt. Eine auffallende Beweglichkeit lie? ahnen, wie geschmeidig er war. Eben jetzt wollte er ganz still stehen, aber der K?rper bog sich, die F��?e bewegten sich, die Arme hoben sich, als wolle er im n?chsten Augenblick durch die L��fte sto?en. "B?h!" schrie er aus aller Kraft seiner Lungen. Der Ank?mmling fuhr zusammen -- fast h?tte er seinen Korb fallen lassen. "So -- jetzt hab' ich Dich! Jetzt hilft Dir keine Verstocktheit mehr!"
Ole Tuft wurde zu Stein. "Jawohl -- jetzt stehst Du da! Hoho! Was hast Du in Deinem Korb?" Und er st��rzte auf Ole los. Der aber nahm blitzschnell seinen Korb aus der rechten Hand in die linke und hielt ihn auf den R��cken; es war Edvard nicht m?glich, ihn hervorzuzerren.
"Was denkst Du Dir denn, Mensch! Glaubst etwa, Du k?nntst mir noch entwischen? Her mit dem Korb!" -- "Du kriegst ihn nicht." -- "Wirst Du wohl gehorchen? So geh
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