Arnold Böcklin | Page 2

Heinrich Alfred Schmid
der Malerei, wie sie seit den Tagen Dürers und Holbeins nicht mehr gewesen war. Er ist ein Altersgenosse von Anselm Feuerbach, Viktor Müller (auch von Piloty, Knaus und Vautier) und ging Lenbach, Hans von Marées, Hans Thoma, Toni Stadler, Karl Haider, Gabriel Max und Makart um ein Jahrzehnt oder wenig mehr voraus. Als er sich der Malerei zuwandte, hat Cornelius den Karton der apokalyptischen Reiter geschaffen, begann Rethel die Fresken im Aachener Rathause und die Holzschnitte des Totentanzes und es folgten die duftigsten Werke von Schwind, wie das Aschenbr?del und die Wartburgfresken, und die reifsten Holzschnittfolgen von Ludwig Richter bald nach.
Die führenden Geister aber der in dieser Zeit heranwachsenden Generation haben im Kolorit ihr kr?ftigstes Ausdrucksmittel gefunden. Sie begannen die Koloristen unter den Meistern der früheren Jahrhunderte zu studieren. Es richtete sich das neue Interesse haupts?chlich auf die Farbenkomposition, die Kunstmittel, mit denen die koloristische Gesamthaltung in früheren Zeiten erzielt worden war, aber auch auf die Malmittel, die technischen Verfahren, die handwerkliche Praxis, welche die vorausgehende Zeit vernachl?ssigt hatte. B?cklin meinte gelegentlich: Wer heute in der Kunst noch etwas erreichen wolle, müsse die Malerei von neuem erfinden. Die heranwachsende Generation wandte sich nach Belgien und nach Paris, haupts?chlich zu Couture, sie lernte von Delacroix und den Meistern von Barbizon. Die Mehrzahl aber, wenigstens gerade die Bedeutendsten und Einflu?reichsten, haben schlie?lich nicht in Frankreich, sondern in Italien im Umgang mit den Werken der alten Kunst die entscheidende Richtung für ihr ganzes Leben gefunden und diese im Umgang mit Kollegen und Schülern weitergebildet.
B?cklin ist einer der ?ltesten, selbst?ndigsten und eigenartigsten unter diesen Künstlern. Er ist noch mehr als alle übrigen seine eigenen Wege gegangen, am meisten verschrieen und verh?hnt worden, war w?hrend der gr??ten Zeit seines Wirkens wie Feuerbach, Thoma, Hans von Marées, nur von wenigen erkannt, abseits gestanden und hat schlie?lich die gr??te Fülle von Beifall geerntet.
Er geh?rt zur deutschen Kunst, so gut wie die anderen, obwohl er in Basel geboren und aufgewachsen ist und auch von schweizerischen Eltern stammt, obwohl auch für seine Kunst ein Aufenthalt in Paris von einiger Bedeutung, und der erste siebenj?hrige in Italien entscheidend war. Der einzige Lehrer und der einzige Studiengenosse, der auf seine Richtung von tieferem Einflu? war, waren Deutsche ihrer Kunst und Herkunft nach, ebenso die Mehrzahl der Freunde und Kollegen, die er in den entscheidenden Jahren um sich sah. Er ist, was gew?hnlich übersehen wird, aus der heroischen Landschaftsmalerei herausgewachsen, die seit Asmus Carstens und Jos. Anton Koch in Deutschland gepflegt wurde und immer Verst?ndnis gefunden hat. Er ist der Sohn und Erbe dieser ganzen Richtung. Er hat auch fast nur in deutschen Landen zuerst Verst?ndnis und sp?ter allgemeinen Beifall gefunden, und die Erfolge, die er in Deutschland errungen hat, haben sein Ansehen in seiner Vaterstadt erst recht befestigt. Von franz?sischer Seite sind einzelne Stimmen schon früh laut geworden, die B?cklins Bedeutung anerkannten, aber sie blieben ganz vereinzelt. In England ist der Meister so gut wie unbekannt. Noch heute befindet sich das Werk des Künstlers mit ganz wenigen Ausnahmen in deutschem, deutsch-schweizerischem und ?sterreichischem Besitz. Bezeichnend ist auch, da? die Polemik, die sich vor dem Kriege in Deutschland gegen B?cklin erhob und ihm jedes wahre Künstlertum absprach, aus den Kreisen derer stammt, die für die unbedingte überlegenheit der Franzosen in der bildenden Kunst eintraten.
Dies alles war nur zum kleineren Teile Zufall. Seine Art ist im letzten Grunde deutsch. Immer st?rker treten in seinem Stil gewisse Neigungen hervor, die für die Kunst der Festlandgermanen von jeher bezeichnend gewesen sind, und sie von der der latinisierten V?lker unterscheiden. Er steht diesseits der Kulturgrenze, die vom Jura bis zur Nordsee reicht. Sein Ideal ist im letzten Grunde nicht die regelnde Ordnung und das Ebenma?, sondern das sprühende Leben, die Wucht des Ausdrucks und die Macht der Stimmung.

DIE VATERSTADT UND DIE ELTERN
Die Vaterstadt Basel ist noch in der zweiten H?lfte des 19. Jahrhunderts einem Bewunderer B?cklins, der hingewallfahrtet war, um die Heimat des Propheten kennen zu lernen, uns?glich eng und muffig erschienen und von ihm danach verl?stert worden. Da m?gen unangenehme Reiseerlebnisse das Urteil getrübt haben, aber früher, in B?cklins Jugend, h?tte ein flüchtiger Besucher wirklich nicht ahnen k?nnen, da? ein enthusiastischer Künstler in den Mauern heranwuchs, der die Faune und Nymphen, Tritonen und Nereiden und die schaumgeborene Aphrodite aus dem Orkus heraufholen werde.
Die Stadt war freilich zur Zeit des Humanismus und der Reformation der Mittelpunkt geistigen Lebens für ganz Südwestdeutschland gewesen. Sie hatte gleichzeitig auch ein blühendes Kunstleben gehabt. Dürer hatte auf der Wanderschaft hier Arbeit gefunden und zwanzig Jahre sp?ter Holbein eine zweite Heimat und gro?e und lohnende Auftr?ge. Die Buchdrucker datierten damals ihre Drucke aus der ?weitberühmten Stadt Basel? und in den kleinen Randleisten, mit denen Holbein die Titel schmückte, spielten sogar schon damals die Tritonen und Nereiden eine Rolle. Es galt die Stadt auch als eine der fr?hlichsten am Rhein, der Frau
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