Andrea Delfin | Page 9

Paul Heyse
die f��r Venedig zu sterben wissen.
"Diesen Brief wird Euch ein zuverl?ssiger Mann zustellen, der das Kleid eines Sekret?rs der Inquisition mit der M?nchskutte vertauscht hat, um durch Fasten und Gebet die S��nden der Republik zu b��?en, denen er seine Feder leihen mu?te. Verbrennt dieses Blatt. Lebt wohl! Candiano."
Als der Verbannte den Brief zu Ende gelesen hatte, sa? er wohl eine Stunde in tiefem Kummer vor den verh?ngnisvollen Bl?ttern. Dann hielt er sie ��ber die Flamme, streute die Asche in den Kamin und ging ruhelos bis an den fr��hen Morgen auf und nieder, w?hrend der Ungl��ckliche, dessen Beichte er vernommen, wie einer, dessen Sache gerecht und dessen Sachwalter der Himmel ist, schon l?ngst den Schlaf gefunden hatte.-Am anderen Tage ging der sp?te Ank?mmling in der Stra?e della Cortesia zeitig aus. Das lustige Singen Mariettas drau?en auf dem Flur h?tte ihn vielleicht noch l?nger schlafen lassen, aber das laute Schelten der Mutter, da? sie einen L?rm mache, der einen Toten erwecken k?nne, und da? sie noch alle Fremden aus dem Hause treiben w��rde, ermunterte ihn v?llig. Er hielt sich an der Stiege, wo seine Wirtin bereits auf ihrem alten Posten sa?, nur gerade so lange auf, um sich nach den Wohnungen einiger Notare und Advokaten zu erkundigen, deren Namen ihm ein Freund in Brescia aufgeschrieben hatte. Als er Bescheid wu?te, konnte weder die z?rtliche Sorge der Witwe um seine Gesundheit, noch die rote Schleife, die Marietta in ihr Haar gesteckt hatte, ihn zu l?ngerem Verweilen bewegen, und w?hrend sich die gute Frau sonst bem��ht hatte, den Verkehr ihrer Mietsleute mit ihrer Tochter m?glichst zu verhindern, war es ihr jetzt fast unheimlich, da? der Fremde das liebe Gesch?pf, ihren Augapfel, hartn?ckig ��bersah. Sein ergrautes Haar erkl?rte ihr diese seltsame Blindheit nicht gen��gend. Er mu?te einen geheimen Kummer haben oder sich so krank f��hlen, da? ihm der Anblick eines frischen Lebens wehe tat. Dennoch ging er straff und rasch, und seine Brust war breit und gew?lbt, so da? die Krankheit, von der er sprach, tief im Innern ihren Sitz haben mu?te. Auch seine Gesichtsfarbe war nicht verd?chtig. Wie er die Stra?en Venedigs durchschritt, zog er den wohlgef?lligen Blick manch eines Frauenauges auf sich, und auch Marietta sah ihm aus einem der oberen Fenster nicht ohne Anteil nach.
Er aber ging in sich gekehrt seinen Gesch?ften nach, und obgleich er sich bei Frau Giovanna umst?ndlich nach dem Weg erkundigt hatte und endlich ��ber seine Ortsunkenntnis durch das Spr��chlein: "Mit Fragen kommt man bis Rom" von ihr getr?stet worden war, schien er doch jetzt ohne alle Hilfe sich in dem Netz der Gassen und Kan?le zurechtzufinden. Mehrere Stunden vergingen ihm mit Besuchen bei Advokaten, die aber auf seine Empfehlung von einem Kollegen aus Brescia wenig Gewicht legten und denen er, so bescheiden er auftrat, verd?chtig vorkommen mochte. Denn allerdings war ein gewisser Stolz in der Falte seiner Stirn, der einem sch?rferen Beobachter sagte, da? er die Arbeit, die er suchte, eigentlich unter seiner W��rde hielt. Zuletzt kam er zu einem Notar, der in einem Seiteng??chen der Merceria wohnte und allerlei Winkelgesch?fte nebenbei zu treiben schien. Hier fand er mit einem sehr m??igen Gehalt eine Stelle als Schreiber, vorl?ufig zum Versuch, und die hastige Art, wie er zugriff, brachte den Mann zu dem Verdacht, er habe es etwa mit einem verarmten Nobile zu tun, deren mancher, nur um das Leben zu fristen, sich zu jeder Arbeit willig finden lie?, ohne um ihren Preis zu handeln.
Andrea jedoch war augenscheinlich mit dem Erfolg seiner Bem��hungen sehr zufrieden und trat, da es inzwischen Mittag geworden war, in die n?chste Schenke, wo er Leute aus den unteren Klassen an langen ungedeckten Tischen sitzen sah, die ihre sehr einfache Kost mit einem Glas tr��ben Weins w��rzten. Er nahm seinen Platz in einem Winkel nahe der T��r und a? die etwas ranzigen Fische ohne Murren, w?hrend er freilich den Wein, nachdem er ihn gekostet hatte, verschm?hte. Er war schon im Begriff, nach der Zeche zu fragen, als er sich von seinem Nachbar h?flich anreden h?rte. Der Mann, den er bisher ganz ��bersehen hatte, sa? schon lange vor seiner halben Flasche Wein, a? nichts, trank nur dann und wann einen Schluck, wobei er jedesmal den Mund ein wenig verzog; w?hrend er aber scheinbar vor M��digkeit die Augen halb geschlossen hielt, wanderten seine scharfen Blicke durch die ganze d��sterliche Halle und hefteten sich mit besonderem Anteil an unseren Brescianer, der seinerseits nichts Merkw��rdiges an ihm wahrgenommen hatte. Es war ein Mann in den Drei?igen, mit blondem, lockigen Haar, der in der schwarzen venezianischen Tracht seine j��dische Herkunft nicht sogleich verriet. In den Ohren trug er schwere goldene Ringe, an den Schuhen Schnallen mit gro?en Topasen, w?hrend sein Halskragen zerknittert und unsauber und sein Rock von feinem Wollenstoff seit Wochen nicht geb��rstet war.
Dem Herrn schmeckt der Wein nicht, sagte er halblaut, indem er sich geschmeidig zu Andrea
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 38
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.