Arm durchgreifen ließen.
Er öffnete es, faßte hindurch und tastete an der Außenwand herum. Er
fand dicht unter dem Sims ein kleines Loch in der Mauer, das schon
einmal Fledermäuse bewohnt zu haben schienen. Von unten aus konnte
es nicht bemerkt werden, und oben sprang das Gesims darüber vor.
Geräuschlos erweiterte er mit seinem Dolch die Öffnung, indem er
Mörtel und Steine herausbrach, und war bald so weit gediehen, daß er
den breiten Gürtel bequem darin unterbringen konnte. Als er fertig war,
stand ihm der kalte Schweiß auf der Stirn. Er fühlte noch einmal nach,
ob auch nirgend ein Stück Riemen oder ein Schnalle hervorstehe, und
schloß dann das Fenster. Eine Stunde später lag er in Kleidern auf dem
Bett und schlief. Die Mücken summten über seiner Stirn, die
Nachtvögel draußen umschwirrten neugierig das Loch, worin sein
Schatz verborgen war. Die Lippen des Schläfers aber waren zu fest
geschlossen, um selbst im Traum ein Wort von seinen Geheimnissen zu
verraten.
In derselben Nacht saß in Verona ein Mann bei seiner einsamen Lampe
und entfaltete, nachdem er Fensterläden und Tür sorgfältig
verschlossen hatte, einen Brief, der ihm heute in der Dämmerung, als er
in der Nähe des Amphitheaters sich erging, von einem bettelnden
Kapuziner heimlich zugesteckt worden war. Der Brief trug keine
Aufschrift. Aber auf die Frage, woher der Überbringer wisse, daß er
das Schreiben in die richtigen Hände gebe, hatte der Mönch
geantwortet: jedes Kind in Verona kennt den edlen Angelo Querini wie
seinen Vater. Darauf war der Bote gegangen. Der Verbannte aber,
dessen Haft durch die Achtung, die ihm in das Unglück folgte,
gelockert worden war, hatte den Brief trotz der Späher, die ihn
beobachteten, unbemerkt in seine Wohnung gebracht und las jetzt,
während der Schritt der Wache draußen am Hause drohend durch die
Stille erklang, folgende Zeilen:
"An Angelo Querini.
"Ich kann nicht hoffen, daß Ihr Euch der flüchtigen Stunde erinnert, in
der ich Euch persönlich begegnet bin. Viele Jahre liegen zwischen
damals und heute. Ich war mit meinen Geschwistern in der ländlichen
Stille unserer Güter in Friaul aufgewachsen; erst als ich beide Eltern
verloren hatte, trennte ich mich von meiner Schwester und dem
jüngeren Bruder. Schon nach wenigen Tagen hatte mich der
verführerische Strudel Venedigs verschlungen.
"Da wurde ich eines Tages im Palast Morosini Euch vorgestellt. Noch
fühle ich den Blick, mit dem Ihr uns junge Leute mustertet, einen nach
dem anderen. Euer Auge sagte: und das ist das Geschlecht, auf dessen
Schultern die Zukunft Venedigs ruhen soll?--Man nannte Euch meinen
Namen. Unvermerkt lenktet Ihr das Gespräch mit mir auf die große
Vergangenheit des Staates, dem meine Ahnen ihre Dienste gewidmet
hatten. Von der Gegenwart und den Diensten, die ich ihm schuldig
blieb, schwiegt Ihr schonend.
"Seit jenem Gespräch las ich Tag und Nacht in einem Buch, das ich
früher nie eines Blickes gewürdigt hatte, in der Geschichte meines
Vaterlandes. Die Frucht dieses Studiums war, daß ich, von Grauen und
Abscheu getrieben, die Stadt für immer verließ, die einst Länder und
Meere beherrscht hatte und nun die Sklavin einer kläglichen Tyrannis
war, nach außen so ohnmächtig, wie unselig und gewalttätig nach
innen.
"Ich kehrte zu meinen Geschwistern zurück. Es gelang mir, meinen
Bruder zu warnen, ihm die Fäulnis des Lebens aufzudecken, das von
fern sich so gleißend ansah. Aber ich dachte nicht, daß alles, was ich tat,
um ihn und uns zu retten, uns nur um so gewisser verderben sollte.
"Ihr kennt die Eifersucht, mit der die Machthaber in der Mutterstadt
den Adel der Terraferma von jeher betrachtet haben. Hatte man doch in
Zeiten, wo der Republik zu dienen eine Ehre war, nie aufgehört, ein
Losreißen des Festlandes zu fürchten. Jetzt, wo verschuldete und
unvermeidliche Übel eine Änderung der Weltstellung Venedigs
herbeigeführt hatten, wurde jene Furcht die Quelle der unerhörtesten
Ränke und Freveltaten.
"Laßt mich von den Schicksalen schweigen, die ich in der
Nachbarschaft meiner Provinz mit ansah, von den ausgesuchten Mitteln,
durch die man die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Adels von
Friaul zu brechen suchte, von dem Heer der Bravi, welches man gegen
Widerspenstige schickte und durch eine Unzahl von Amnestiedekreten
selbst von der Strafe ihrer eigenen Gewissen entband. Wie man den
Zwist in die Familien zu tragen, Freundschaften zu vergiften, Verrat
und Hinterlist im Schoß der engsten Blutsgenossenschaft zu erkaufen
strebte, das alles ist Euch länger bekannt als mir.
"Und nicht lange sollte mich das Andenken, das ich durch meine
lockeren Sitten in Venedig zurückgelassen hatte, vor dem Verdacht
schützen, daß auch ich eines Tages gefährlich werden könnte. Als ich
für meine Schwester um die Erlaubnis nachsuchte, die Hand eines
vornehmen deutschen Herrn anzunehmen, wurde die Einwilligung der
Regierung rundweg verweigert. Man wähnte mich und meinen Bruder
im Einverständnis mit der kaiserlichen Politik und beschloß, uns büßen
zu lassen.
"Eine Beschwerde der Provinz gegen ihren Gouverneur, die ich samt
dem Bruder mit unterzeichnete, lieferte der Inquisition den
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