An heiligen Wassern | Page 7

Jakob Christoph Heer
will ich Euch verraten. Es ist eine
Ueberraschung --. Ich führe wieder eine Wirtin in den Bären.«
Da sprang der schwerfällige Garde auf: »Was Ihr meldet, Presi! Wer
ists?« Die ehrliche Neugier stand ihm im Gesicht.

»Unter vier Augen und nur zu Euch -- Frau Cresenz, die Schwester des
Kreuzwirtes in Hospel. Wir haben die Angelegenheit gestern ins reine
gebracht.«
»Ich wünsche Euch Glück,« sprach der Garde feierlich und schüttelte
dem Wirt kräftig die Hand. Dann setzte er sich und knurrte in einem
Ton vor sich hin, der nicht entscheiden ließ, ob darin eine Zustimmung
oder Mißbilligung liege.
»Was sagt Ihr dazu?« fragte der Presi.
»Cresenz wird dem Bären schon wohl anstehen, sie hat sich als Witwe
gut erhalten, ist mit ihren fünfunddreißig Jahren eine hübsche Frau,
sauber und flink, sie versteht das Wirten und den Umgang mit den
Leuten wie keine andere, hat einen tadellosen Ruf, kurz, ich meine, Ihr
führt eine geschickte Frau ins Haus. Aber --«
Der Garde stockte.
»Aber?« -- wiederholte der Presi.
»Cresenz ist aus einem so großen Gasthof und an das Fremdenleben so
gewöhnt, daß es ihr hier bei uns hinten, wo doch nur Bauern und
Alpleute sind, langweilig wird.«
Der Bärenwirt lachte: »Falsch, Garde, falsch! -- Dafür ist gesorgt. Ein
schönes Stück wird schon sein, Bini zu ziehen. Das Kind ist verwildert;
denkt nur, gestern kam sie mir barfuß bis nach Tremis entgegen, es hat
mich geschämt vor den Leuten. Ich habe keine Zeit, mich mit ihr
abzugeben, die kropfige Susi, das Keifweib, wird nicht Herr über sie,
fahre ich aber einmal mit einem Donnerwetter dazwischen, so schilt sie
mich frank einen Rabenvater.«
Die beiden Männer lachten herzlich -- es schien, der Streit von vorhin
sei in lauter Freundschaft aufgelöst.
Da räusperte sich der Garde: »Haltet, wenn Ihr jetzt eine frische,
hübsche Frau bekommt, nur die Beth selig in Ehren und gutem

Andenken.«
Das Gesicht des Bärenwirts verfinsterte sich.
»Aber das gebt Ihr doch zu,« sagte er mürrisch, »Frau Cresenz wird
eine bessere Wirtin als die arme selige Beth.«
»Alle Leute im Dorf haben sie geliebt und verehrt, nur Ihr nicht. Sie
war eine Frau wie ein Engel, sie hat nur das Unglück gehabt, da sie
Euern hochfahrenden Plänen nicht hat folgen können und nicht hat
wollen. Sie war eine, wie wir alle im Dorfe sind: einfach und fromm,
stets auf den Frieden im Leben und die Seligkeit im Himmel bedacht,
Ihr aber gleicht von jeher mehr den Leuten draußen in der Welt, hastig
und unruhig seid Ihr immer voll Pläne, habt Ihr immer eine ganze
Menge Dinge umzutreiben. Da wird Euch allerdings Cresenz besser
verstehen als Beth!«
Der Presi lächelte überlegen: »Handel und Wandel, mein' ich, giebt
dem Leben das Salz und« -- er klopfte dabei auf den Tisch -- »mit Frau
Cresenz wage ich es. Der Bären soll ein Fremdengasthof werden, ich
nehm's mit dem Pfarrer und euch allen auf.«
»Presi!« Das Blut war dem Garden in den Kopf geschossen. »Presi, das
thut Ihr nicht!«
»Ihr werdet's schon erleben.« Die Augen des Bärenwirtes blitzten
übermütig und unternehmungslustig.
»Der Pfarrer wird Euch von der Kanzel angreifen und alle werden mit
ihm gegen Euch sein!«
»Der hochwürdige Herr soll das Geistliche besorgen, das Weltliche
besorgen wir schon.« Der Presi lachte und fuhr dann fort: »Ich will
Euch verraten, warum er keine Fremden will. Es sind jetzt vierzig Jahre,
daß er nach St. Peter gekommen ist. Da stieg über die Schneelücke
herunter der erste Fremde, ein berühmter Naturforscher, der mit seinen
Führern die Krone erklettert hatte. Die Leute von St. Peter erstaunten
darüber so sehr, daß sie den Pfarrer riefen. 'Vielleicht sind's

Gespenster!' sagte er und ordnete eine Prozession an, damit man ihnen
entgegenziehe. Als der Bergsteiger, seine Führer und Träger kamen,
spritzte er ihnen Weihwasser entgegen und schrie: %'Apage, apage,
Satanas!'% Auf dieses Zeichen trieben die von St. Peter die Fremden
um das Dorf herum und jagten sie den Stutz abwärts. Glaubt, Garde,
wegen der Schande von damals will der Pfarrer nichts von Fremden
wissen, er fürchtet, die Geschichte, wegen der wir von St. Peter in den
Büchern als ein rauhes und dummes Volk verschrieen sind, werde
dadurch frisch!«
Der Garde hatte sich beruhigt: »Der Pfarrer ist gegen den
Fremdenverkehr, weil er von ihm das Verderben des Dorfes fürchtet.
Er hat recht. In Grenseln, wo jetzt auch zwei Gasthöfe sind, hat erst
diesen Frühling ein Mädchen, das im einen diente, ein Uneheliches
bekommen. Denkt die Schande!«
»Ja, aber die Forellen aus meiner Fischenz in der Glotter und den
Hospeler aus meinen Bergen würde ich gern etwas besser verkaufen,
als es bis jetzt geschehen ist.«
»Werdet nicht zum Fluch von St. Peter, Presi, dafür hat Euch wahrlich
die Gemeinde Euer Amt nicht gegeben. -- Ich muß jetzt von etwas
sprechen, wovon man eigentlich nicht reden soll, so wunderbar heilig
ist es. Hat je eine Lawine das Dorf
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