höheren menschlichen Willens entsprungen ist, gleichviel, ob
der geometrische Verstand sich nachträglich entschließt, aus handfesten
Brocken, Symbolen der Erscheinungswelt, Brunnenränder und Deiche
zu erbauen. In diesem Reiche, das alles Sittliche umschließt und uns
mit dem Göttlichen verbindet, sind wir frei und bedürfen keiner
Beweise und Überredungen, denn was wir aus heiligem Bezirk
unberührt herniedertragen, leuchtet und leuchtet ein, es überzeugt durch
sich selbst, aus eigener Kraft. Nur dann jedoch wird das prometheische
Werk armer menschlicher Kraft gelingen, wenn wir dies Reich der
Seele nicht verleugnen, wenn wir streben, auf seinem Boden Heimat zu
gewinnen, wenn wir den Glauben wollen, ohne den wir nichts wollen
können, wenn wir an den Willen glauben, ohne den wir nichts glauben
können. Hier liegt die Synthese des Transzendenten und des Rationalen.
Unberührbar, aus hohem Reich gegeben ist der Wille und das Ziel,
allen Geisteskräften verbündet und anheimgestellt ist das Wollen und
der Plan.
Der nächste Zweifel kommt von der Schulweisheit. Alle
Weltverbesserung ist Utopie. Nie hat sich das innere Wesen des
Menschen geändert, Entwicklung erlebt nur das Wie, nicht das Was,
das Glück des Menschen vermehrt sich nicht. Ja freilich, Technik und
Wissenschaft! Sie kommen vorwärts. Doch wer auf eine Änderung, gar
eine Veredelung der menschlichen Triebkräfte, auf eine Versittlichung
der Gesellschaft, der Wirtschaft hofft, der verkennt das Wesen der
unfehlbaren Theorie und mag Narren trösten.
Das sagen meist die Privatdozenten und solche, die es werden wollen,
in der forschen Überzeugung ihrer forscherischen Überlegenheit. Dann
wenden sie sich wichtigeren Tagesfragen zu, etwa dem Einfluß der
Pappdächer auf den Geburtenüberschuß, und vergessen, daß wenn die
Welt im Großen nicht gebessert werden kann, es keinen Sinn hat, im
Kleinen damit anzufangen.
Nie bin ich müde geworden zu erwidern: Wenn wissenschaftliche
Betrachtung einen Wert hat, so liegt er darin, daß sie uns zeigen kann,
wie sehr von Urzeiten und Urstämmen her das Wesen des Menschen
sich geändert hat. Wäre dies Wesen aber auch in sich selbst
unveränderlich, so erleben wir von Jahrhundert zu Jahrhundert die
Änderung der herrschenden sittlichen Bewertungen und mit ihnen die
Umstellung alles Benehmens. Wenn in einer Beamtenschaft, einer
Armee, einer Kaste oder einem Volke die herrschenden
Sittenbewertungen etwa auf die Begriffe der Unbestechlichkeit, des
Mutes, der Wahrhaftigkeit eingestellt werden -- und das sind Vorgänge,
für die wir im eigenen Lande Beispiele haben --, so ist die Erörterung
müßig, ob damit über lang oder kurz alle zur Lasterhaftigkeit
Gestempelten aussterben; sicher ist, daß die Bestechlichen, die Feigen
und die Lügner mit ihren Lastern nicht mehr frei hervortreten, und daß
diese Laster aufgehört haben, die Gemeinschaft zu beherrschen. Immer
wieder übersieht man, daß alle Gemeinschaften eine in ihrer
Zusammensetzung sehr ähnliche Mischung aller sittlichen Qualitäten
enthalten, und das sittliche Aussehen und Wirken weniger von den
überwiegenden Qualitäten bestimmt wird, als von denen, welchen
gestattet wird, an die Oberfläche zu treten. Welchen aber diese freie
Bewegung gestattet wird, und welche anderen gezwungen werden, sich
im Untergrunde zu verbergen, das entscheidet die sittliche Bewertung,
also im Gegensatz zu überkommenen Eigenschaften, der freie sittliche
Gemeinschaftswille, der hierdurch zur eigentlichen herrschenden Kraft
wird.
Ist somit der sittliche Wille der Bindung aus Herkunft und
Vergangenheit dadurch enthoben, daß er nicht auf der Ebene
physischer Umgestaltung, sondern auf der Ebene bewußter Wertung
tätig wird, ist somit die Frage nach der Veränderlichkeit des
Gemeinschaftscharakters eine falsch gestellte Frage, so wird auch die
Prüfung des Problems vom wachsenden Glück ergeben, daß dieser
Zweifel die Grundfragen des menschlichen Wollens leichtfertig
verkennt.
Wir sind nicht da um des Glückes willen. Unser Wille ist nicht da, noch
weniger ist Entwicklung da, um unser Glück zu vergrößern. Wir
schreiten nicht den Weg der Beglückung, sondern den Weg der
Vervollkommnung, den Weg zur Seele, gleichviel, ob unser Glück
darüber zugrunde geht. Und wir schreiten diesen Weg nicht bloß, weil
wir müssen, sondern weil wir wollen, weil es noch andere treibende
Kräfte gibt, die in uns selbst liegen.
Es gibt viele, die an ihre Kindheit mit Wehmut zurückdenken und
sagen, damals seien sie glücklich gewesen, jetzt seien sie es nicht mehr.
Trotzdem wollen sie nicht zur Kindheit zurück, denn die Art kindlichen
Glücks wägt die Art erwachsener Schmerzen nicht auf. Würde uns
nachgewiesen, eine niedere Schöpfungsgattung sei mit einem absoluten
Maß an Glücksgefühlen begabt, das alles Maß unserer seligsten
Empfindungen weit übertrifft: wir wollten mit diesem Stand nicht
tauschen. Denn es entscheidet das Gefühl der Vervollkommnung, die
Glücksstufe ist mehr als die Glücksmenge. Wir sind geneigt, in
romantisierender Anwandlung das Geschick alter Zeiten und Völker,
etwa der Griechen höherzustellen als das unsere. Könnten wir uns
entschließen, alles zu vergessen, was wir sind und haben, erleiden und
ersehnen, um Griechen der Vergangenheit zu sein? Wir, die wir den
Blick über den Erdball, die Zeiten und die Naturkräfte richten, die wir
von der Kunst aller großen Epochen, von der deutschen Musik, vom
nördlichen Frühling, vom Glauben des Ostens und Westens, von
zehntausendjähriger Geschichte, von
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