Alaeddin und die Wunderlampe | Page 5

Kurt Moreck
nie einen so weiten Weg gemacht hatte,
fühlte sich durch diesen Marsch sehr ermüdet und sagte: »Wohin gehen
wir denn, lieber Oheim? Wir haben die Gärten schon weit hinter uns
und ich sehe nichts mehr als Berge. Wenn wir noch länger so fortgehen,
so weiß ich nicht, ob ich noch Kräfte genug haben werde, um in die
Stadt zurückzukehren.« -- »Nur den Mut nicht verloren,« antwortete
der falsche Oheim; »ich will dir noch einen andern Garten zeigen, der
alle, die du bis jetzt gesehen hast, weit übertrifft; er ist nur ein paar
Schritte von da, und wenn wir einmal dort sind, so wirst du selbst sagen,
daß es dir sehr leid gewesen wäre, wenn du ihn nicht gesehen hättest.«
Alaeddin ließ sich überreden, und der Zauberer führte ihn noch sehr
weit, indem er ihn mit verschiedenen anmutigen Geschichten unterhielt,
um ihm den Weg weniger langweilig und die Ermüdung erträglicher zu
machen.
Endlich gelangten sie zwischen zwei Berge von mittelmäßiger Höhe,
die sich ziemlich gleich und nur durch ein schmales Tal getrennt waren.
Dies war die merkwürdige Stelle, wohin der afrikanische Zauberer
Alaeddin hatte bringen wollen, um einen großen Plan mit ihm
auszuführen, weshalb er von dem äußersten Ende Afrikas bis nach
China gereist war. »Wir sind jetzt an Ort und Stelle,« sagte er zu
Alaeddin; »ich werde dir hier außerordentliche Dinge zeigen, die allen
übrigen Sterblichen unbekannt sind. Während ich jetzt mit dem Stahl
Feuer schlage, häufe du hier trockenes Reisig zusammen, damit wir ein
Feuer anmachen.«
Als das Reisig aufloderte, warf der afrikanische Zauberer Räucherwerk
hinein. Dicker Rauch stieg empor, den er bald auf diese, bald auf jene
Seite wendete, indem er allerlei Zauberworte sprach, von denen
Alaeddin nichts verstand.

In diesem Augenblick erbebte die Erde ein wenig, öffnete sich vor dem
Zauberer und Alaeddin, und ließ einen Stein hervorscheinen, mit einem
in der Mitte versiegelten bronzenen Ringe, um ihn daran heraufzuheben.
Alaeddin erschrak und wollte die Flucht ergreifen. Allein er war zu
dieser geheimnisvollen Handlung notwendig, darum hielt ihn der
Zauberer zurück, zankte ihn tüchtig aus und gab ihm eine so derbe
Ohrfeige, daß er zu Boden fiel. Zitternd rief er: »Mein Oheim, was
habe ich denn getan, daß du mich so grausam schlägst?« »Ich bin dein
Oheim, der jetzt Vaterstelle an dir vertritt, und du darfst mir in nichts
widersprechen. Aber,« sagte der Zauberer, »fürchte dich nicht, mein
Sohn; ich verlange nur, daß du mir gehorchst, wofern du dich der
großen Vorteile, die ich dir zudenke, würdig machen und sie nutzen
willst.« Diese schönen Versprechungen des Zauberers beruhigten den
ängstlichen und erzürnten Alaeddin ein wenig. »Du hast gesehen,« fuhr
der Zauberer fort, »was ich durch die Kraft meines Rauchwerks und die
Worte, die ich sprach, bewirkt habe. Vernimm jetzt, daß unter diesem
Steine ein Schatz verborgen liegt, der für dich bestimmt ist und dich
dereinst reicher machen wird, als die größten Könige der Welt. Dies ist
so gewiß wahr, daß keinem Menschen auf der ganzen Welt außer dir
erlaubt ist, diesen Stein anzurühren oder wegzuheben, um hinein zu
gelangen. Ja ich selbst darf ihn nicht berühren oder auch nur einen Fuß
in dieses Schatzgewölbe setzen, wenn es geöffnet sein wird. Deshalb
mußt du genau ausführen, was ich dir sage.«
Alaeddin, immer noch voll Verwunderung, vergaß alles, was
vorgefallen war. »Nun gut, lieber Oheim,« sagte er, »was soll ich tun?
Befiehl nur, ich bin bereit zu gehorchen.« -- »Komm her,« sagte der
afrikanische Zauberer, »fasse diesen Ring an und hebe den Stein in die
Höhe.« -- »Aber Oheim,« erwiderte Alaeddin, »ich bin zu schwach, um
ihn zu heben: du mußt mir helfen.« -- »Nein,« versetzte der
afrikanische Zauberer, »du bedarfst meiner Hilfe nicht; du mußt ihn
allein aufheben. Sprich nur den Namen deines Vaters und deines
Großvaters, wenn du den Ring in die Hand nimmst.« Alaeddin tat, wie
der Zauberer gesagt hatte, hob den Stein mit Leichtigkeit auf und legte
ihn beiseite.
Als der Stein weggenommen war, sah er eine drei bis vier Fuß tiefe

Höhle mit einer kleinen Türe und Stufen. »Mein Sohn,« sprach jetzt der
Zauberer, »habe genau acht auf das, was ich dir nunmehr sagen werde.
Steig in diese Höhle hinab und wenn du auf der letzten Stufe bist, so
wirst du eine offene Türe finden, die dich in einen großen gewölbten
Ort führen wird, welcher in drei große aneinander stoßende Säle
abgeteilt ist. In jedem derselben wirst du rechts und links vier bronzene
Vasen voll Gold und Silber stehen sehen; aber hüte dich wohl, sie
anzurühren. Ehe du in den ersten Saal trittst, hebe dein Kleid in die
Höhe und schließe es eng um den Leib. Wenn du drinnen bist, so gehe,
ohne dich aufzuhalten, nach dem zweiten und von da in den dritten.
Vor allen Dingen hüte dich wohl, den Wänden zu nahe zu kommen
oder sie auch nur mit dem Kleide zu berühren; denn
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