Ãœber Psychoanalyse | Page 9

Sigmund Freud
hiezu nicht, weil sie mit Hilfe der
hypnotischen Beeinflussung gewonnen worden ist. Erst, wenn Sie die
Hypnose ausschalten, können Sie die Widerstände und Verdrängungen
bemerken und sich von dem wirklichen pathogenen Vorgang eine
zutreffende Vorstellung bilden. Die Hypnose verdeckt den Widerstand
und macht ein gewisses seelisches Gebiet frei zugänglich, dafür häuft
sie den Widerstand an den Grenzen dieses Gebietes zu einem Walle auf,
der alles Weitere unzugänglich macht.
Das Wertvollste, was wir aus der Breuerschen Beobachtung gelernt
haben, waren die Aufschlüsse über den Zusammenhang der Symptome
mit den pathogenen Erlebnissen oder psychischen Traumen, und nun
dürfen wir nicht versäumen, diese Einsichten vom Standpunkte der
Verdrängungslehre zu würdigen. Man sieht zunächst wirklich nicht ein,
wie man von der Verdrängung aus zur Symptombildung gelangen kann.
Anstatt eine komplizierte theoretische Ableitung zu geben, will ich an
dieser Stelle auf unser früher gebrauchtes Bild für die Verdrängung
zurückgreifen. Denken Sie daran, mit der Entfernung des störenden
Gesellen und der Niederlassung der Wächter vor der Türe braucht die
Angelegenheit nicht beendigt zu sein. Es kann sehr wohl geschehen,
daß der Herausgeworfene, der jetzt erbittert und ganz rücksichtslos
geworden ist, uns weiter zu schaffen gibt. Er ist zwar nicht mehr unter
uns, wir sind seine Gegenwart, sein höhnisches Lachen, seine
halblauten Bemerkungen los geworden, aber in gewisser Hinsicht ist
die Verdrängung doch erfolglos gewesen, denn er führt nun draußen
einen unerträglichen Spektakel auf, und sein Schreien und mit den
Fäusten an die Türe Pochen hemmt meinen Vortrag mehr als früher
sein unartiges Benehmen. Unter diesen Verhältnissen würden wir es
mit Freuden begrüßen müssen, wenn etwa unser verehrter Präsident Dr.
Stanley Hall die Rolle des Vermittlers und Friedensstifters übernehmen
wollte. Er würde mit dem ungebärdigen Gesellen draußen sprechen und
dann sich an uns mit der Aufforderung wenden, ihn doch wieder
einzulassen, er übernehme die Garantie, daß sich jener jetzt besser

betragen werde. Auf Dr. Halls Autorität hin entschließen wir uns dazu,
die Verdrängung wieder aufzuheben und nun tritt wieder Ruhe und
Frieden ein. Es ist dies wirklich keine unpassende Darstellung der
Aufgabe, die dem Arzt bei der psychoanalytischen Therapie der
Neurosen zufällt.
Um es jetzt direkter zu sagen: Wir kommen durch die Untersuchung
der hysterisch Kranken und anderer Neurotiker zur Überzeugung, daß
ihnen die Verdrängung der Idee, an welcher der unverträgliche Wunsch
hängt, mißlungen ist. Sie haben sie zwar aus dem Bewußtsein und aus
der Erinnerung getrieben und sich anscheinend eine große Summe
Unlust erspart, aber im Unbewußten besteht die verdrängte
Wunschregung weiter, lauert auf eine Gelegenheit, aktiviert zu werden,
und versteht es dann, eine entstellte und unkenntlich gemachte
Ersatzbildung für das Verdrängte ins Bewußtsein zu schicken, an
welche sich bald dieselben Unlustempfindungen knüpfen, die man
durch die Verdrängung erspart glaubte. Diese Ersatzbildung für die
verdrängte Idee -- das Symptom -- ist gegen weitere Angriffe von Seiten
des abwehrenden Ichs gefeit, und an Stelle des kurzen Konflikts tritt
jetzt ein in der Zeit nicht endendes Leiden. An dem Symptom ist neben
den Anzeichen der Entstellung ein Rest von irgendwie vermittelter
Ähnlichkeit mit der ursprünglich verdrängten Idee zu konstatieren; die
Wege, auf denen sich die Ersatzbildung vollzog, lassen sich während
der psychoanalytischen Behandlung des Kranken aufdecken, und zu
seiner Heilung ist es notwendig, daß das Symptom auf diesen
nämlichen Wegen wieder in die verdrängte Idee übergeführt werde. Ist
das Verdrängte wieder der bewußten Seelentätigkeit zugeführt, was die
Überwindung beträchtlicher Widerstände voraussetzt, so kann der so
entstandene psychische Konflikt, den der Kranke vermeiden wollte,
unter der Leitung des Arztes einen besseren Ausgang finden, als ihn die
Verdrängung bot. Es gibt mehrere solcher zweckmäßiger Erledigungen,
welche Konflikt und Neurose zum glücklichen Ende führen, im
einzelnen Falle auch miteinander kombiniert erzielt werden können.
Entweder wird die Persönlichkeit des Kranken überzeugt, daß sie den
pathogenen Wunsch mit Unrecht abgewiesen hat, und veranlaßt, ihn
ganz oder teilweise zu akzeptieren, oder dieser Wunsch wird selbst auf
ein höheres und darum einwandfreies Ziel geleitet (was man seine

Sublimierung heißt), oder man erkennt seine Verwerfung als zu Recht
bestehend an, ersetzt aber den automatischen und darum
unzureichenden Mechanismus der Verdrängung durch eine
Verurteilung mit Hilfe der höchsten geistigen Leistungen des
Menschen; man erreicht seine bewußte Beherrschung.
Verzeihen Sie mir, wenn es mir nicht gelungen ist, Ihnen diese
Hauptgesichtspunkte der nun Psychoanalyse genannten
Behandlungsmethode klarer faßlich darzustellen. Die Schwierigkeiten
liegen nicht nur in der Neuheit des Gegenstandes. Welcher Art die
unverträglichen Wünsche sind, die sich trotz der Verdrängung aus dem
Unbewußten vernehmbar zu machen verstehen, und welche subjektiven
oder konstitutionellen Bedingungen bei einer Person zutreffen müssen,
damit sich ein solches Mißlingen der Verdrängung und eine Ersatz-
oder Symptombildung vollziehe, darüber werden noch einige spätere
Bemerkungen Aufschluß geben.

III.
Meine Damen und Herren! Es ist nicht immer leicht die Wahrheit zu
sagen, besonders wenn man kurz sein muß, und so bin ich heute
genötigt, eine Unrichtigkeit zu korrigieren, die ich in meinem letzten
Vortrag vorgebracht habe. Ich sagte Ihnen,
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