Zur Freundlichen Erinnerung | Page 2

Oscar Maria Graf
aufh?rt, ziehe ich!" schrie Peter Windel an einem Sonntag seine Logisfrau an.
Wie immer. Das Weib blieb stehen, glotzte ihn an, verzog das Gesichtzu einer weinerlichen Grimasse und winselte ein paar unverst?ndliche Worte heraus. Und weinte erst leise, dann immer unertr?glicher.
Das Fenster stand offen. Es war Sommer. Klar fiel die Sonne in den Hof. Windel ri? die Schranktüre auf, nahm seinen Regenmantel, schob die Frau beiseite und ging.
Vierzig Mark für ein Zimmer ist nicht viel und die Frau schnüffelte nicht, war uralt, hockte den ganzen Tag in der dumpfen Küche und lispelte Gebete. Unreinlich war sie nur von Zeit zu Zeit. Man mu?te sie dann grob anschreien.--
Auf der Treppe fiel Peter ein, da? er "Die Elektrizit?t als Nutzkraft" vergessen hatte. Er drehte sich rasch um und ging zurück. Immer noch stand das Weib in der Zimmermitte, fast unbeweglich und wimmerte. Einen Augenblick ma? sie Peter ver?rgert. Dann stampfte er mit dem Fu? auf den Boden.
"Herrgott nochmal!" stie? er heraus, warf seinen Mantel hin, ri? die Bettlaken herunter, zog in aller Eile Decke und Kopfkissen ab und warf die ganze W?sche der Frau vor die Fü?e, samt dem schmutzigen Handtuch. "Gehn Sie doch in die Küche mit Ihrem Lamentieren und legen Sie mir die Bettw?sche dann herein, ich mach's mir selber!" sagte er noch, nahm vom Nachtkasten das vergessene Buch und schmi? wütend die Türe zu.
"Meine Lies' ... heut wird's das zweite Jahr!" wimmerte die Frau noch. Und fiel wieder in ihr wimmerndes Weinen.--
Als Peter Windel tief in der Abendstunde nach Hause kam, lag sie quer auf dem Zimmerboden, den Kopf auf die Waschtischkante geschlagen, eine ziemlich gro?e Wunde auf der Stirn--reglos, steif.
Eine kleine Lache geronnenes Blut umgab den Kopf. Die Tote mu?te sich in den hingeworfenen Bettüchern mit den Fü?en verwickelt haben und dann hingefallen sein.
Peter Windel stand und stand. Er fühlte das Brennen des angesteckten Streichholzes nicht auf den Fingern. Erst als es wieder dunkel war, zuckte er ein wenig, steckte schnell ein neues an und lie? es wieder verglimmen. Stand und stand.
Pl?tzlich gab er sich einen Ruck und lief wie ein Irrer davon, lie? die Türen offen, polterte die Treppen hinunter, rannte hastig und totenbleich an Leuten vorbei und meldete das Geschehene auf der Polizeiwache. Als er mit zwei Schutzleuten und dem Polizeiarzt zurückkam, waren schon Leute aus den Türen gekommen und musterten ihn, trippelten nach und blieben an der Eingangstüre stehen mit gereckten H?lsen, brummten, lispelten.
Der eine der Schutzleute schlo? endlich die Türe. Man machte Licht in Peters Zimmer, schaute eine Zeitlang auf die Tote, nahm die zwei oder drei schwarzen, verkohlten Streichholzk?pfe auf ein Papier und sagte zu Windel, der s?ulenstarr dastand: "Setzen Sie sich."
Der Arzt beugte sich üher die Tote, ein Schutzmann prüfte die Waschtischkante. Der Arzt nickte.
"Setzen Sie sich!" sagte ein Schutzmann strenger.
Peter brach endlich in einen Stuhl.
Die drei lispelten in der Ecke.
Der Arzt steckte seine Instrumente ein, hustete und stellte sich neben die Tote.
Ein Schutzmann nahm neben Peter Platz, einer blieb an dessen Seite stehen.
"Wann haben Sie die Frau verlassen?" fragte der Schutzmann und notierte.
Fragte weiter, mit einer gewissen h?mischen Herausforderung:
"Haben Sie Beziehungen zu der Hullinger gehabt?"
"Nein."
"Wie lange wohnen Sie hier?"
"Und haben schon ?fters solche Streitigkeiten mit der Hullinger gehabt?"
"Ja," sagte Peter.
"Und diesmal?"
"Weil sie mir schon vier Wochen keine frische Bettw?sche mehr gab."
"Sie waren also grob zu ihr?"
"Ja."
Und noch, was er Gehalt h?tte, was er bezahlen müsse für Logis, ob die Hullinger vielleicht eine gr??ere Hinterlassenschaft in bar irgendwo aufbewahrt, beziehungsweise ob ihm bekannt w?re, in welchen Verh?ltnissen die Hullinger gelebt habe.
Peter antwortete meistens mit Ja oder Nein. Seine Stimme klang zerbrochen und schwer.
"Dann mu? ich im Hotel schlafen ... Herr Schutzmann ... wenn die Leiche hier liegenbleiben mu?," sagte er endlich hilflos. Er hatte diese Anordnung vom Arzt geh?rt.
Da stand der Schutzmann selbstbewu?t auf, sagte: "Sie kommen mit!"-Alle Menschen waren noch auf dem dunklen Hof, und entsetzte Blicke fielen auf die Davongehenden.
III.
Wegen dringenden Verdachts, seine Logisfrau ermordet zu haben, wurde Peter Windel in Untersuchungshaft genommen und in einer Einzelzelle untergebracht. Vier hohe, glatte, mit kahler, graugrüner ?lfarbe gestrichene W?nde umgaben ihn von nun ab. Unter der Lichtluke stand die h?lzerne Pritsche, daneben der Abort. Auf dessen Deckel konnte man bei den Mahlzeiten den E?napf oder die blecherne Wasserkanne stellen.
Die erste Nacht lehnte Peter schlaflos an der kalten Tür. Als die W?rter in der Frühe aufschlossen, mu?ten sie fest drücken, bis seine steife Gestalt nachgab und endlich, als sie wütend fluchten, mechanisch etliche Schritte in den Raum machte. W?hrend die W?rter die Brotration auf die Pritsche legten und den Kaffee in die blecherne Tasse gossen, stand der Gefangene die ganze Zeit unbeweglich und zusammengeschrumpft da. Sie achteten nicht weiter darauf und schlossen ger?uschvoll wieder die Tür.--
Jetzt war Licht. Die Gef?ngnisuhr schlug sieben.
Peter schaute schüchtern im Raum herum und begann zu gehen. Ging stoisch die W?nde lang. Immer zehn Schritte der L?nge nach und zw?lf
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