Renatchen, und alle mit ihr sich eingebildete Freuden, wie eine feindselige Muse, bei jedem Schritt im Wege, und ri?, wie jenes Ungewitter vor Jerusalem, in der n?chsten Stunde alles wieder ein, was er in der vorigen mit Mühe gebaut hatte. Meine Leserinnen werden vielleicht bei dem ersten wahren Gem?lde einer M?nnerseele erstaunen, vielleicht aber auch bei ernsthafteren Nachdenken den Unglücklichen bedauren, der das Opfer einer so unredlichen Politik ward. Wie gesagt, seine Schüler verlie?en ihn; der Mangel nagte und pre?te; er geriet in Schulden--und das--weil er zu versch?mt, zu stolz--vielleicht auch zu tr?ge war, jemand anders anzusprechen, bei seiner Aufw?rterin, die er, sobald er sich das Herz genommen haben würde, Altheimen zu mahnen, mit Interessen zu bezahlen hoffte, sich also dadurch die Erniedrigung ersparte, andern Leuten Verbindlichkeiten zu haben.
Altheim wu?te indessen allen Wendungen Renatchens zu einem f?rmlichen Heiratsverspruch so geschickt auszuweichen, da? sie es endlich müde ward, auf neue Kunstgriffe zu sinnen, und sich lieber der angenehmen Sicherheit überlie?, die die gr??ten Helden des Altertums so oft vor dem Ziel aller ihrer Unternehmungen übereilte. Sie suchte nun aus seiner Leidenschaft alle nur m?gliche Vorteile für den gegenw?rtigen Augenblick zu ziehen, und, da der Graf nichts weniger als geizig war, verschwendete er unerme?liche Summen, ihr tausend Abwechselungen von Vergnügen zu verschaffen. Beide dachten an Vermeidung des Argwohns und an die Zukunft nicht; b?se Zungen sagten sogar schon in der Stadt sich ins Ohr, ihre Bekanntschaft sei von sichtbaren Folgen gewesen. Ein Teil dieser Nachreden mochte sich auch wohl von Hohendorf herschreiben; sie bekamen sie selber zu Ohren, ohne sich darüber sehr zu kr?nken, oder ihre Aufführungen behutsamer einzurichten, so da? man am Ende Renatchen überall nur _die Gr?fin_ nannte.
Zerbin h?rte diese Benennung und viel ?rgerliche Anekd?tchen in allen Gesellschaften, die er noch besuchte; seine G?ttin so von ihrer Würde herabsteigen, so tief erniedrigt zu sehen, konnte nicht anders, als den letzten Keim der Tugend in seinem Herzen vergiften. Er suchte sich eine bessere Meinung vom Frauenzimmer zu verschaffen, er suchte sein Herz anderswo anzuh?ngen; es war vergeblich. Der Herr des Hauses, das er und der Graf zusammen bewohnten, hatte eine Tochter, die dem Bücherlesen ungemein ergeben war, und sich zu dem Ende ganze Wochen lang in ihr Kabinett verschlo?, ohne sich anders als beim Essen sehen zu lassen. Er beredete den Grafen, ihm bei seinem Hausherrn die Kost auszudingen, welches der mit Freuden tat, weil dieser Tisch wohlfeiler, als der im Gasthofe, war, und er zu seinen verliebten Verschwendungen jetzt mehr als gew?hnlich zu sparen anfing. Zerbin suchte bei Hortensien (so hie? die Tochter seines Wirts) wenigstens den Trost einer gesellschaftlichen Unterhaltung--aber leider! mu?te er auch hier die gew?hnliche Leier wieder spielen sehen. Sie legte alles, was er redte und tat, als Anstalten zu einer n?hern Verbindung mit ihr aus, zu der sie denn auch nach der gew?hnlichen Taktweise einen Schritt nach dem andern ihm entgegen tat. Es ist ein Mann, sagten alle ihre Blicke, alle ihre Mienen, alle ihre dahin abgerichteten, ausgesuchten, in ihrem Kabinett ausstudierten Reden; er will dich heiraten! Du wirst Brot bei ihm finden; es ist doch besser Frau Magistern hei?en, als ledig bleiben, und er denkt honett. Er dachte aber nicht honett; er wollte diese steifen, abgezirkelten, ausgerechneten Schritte in den Stand der heiligen Ehe nicht tun, so sehr Algebraist er auch war--er wollte lieben. Er wollte Anheften, Anschlie?en eines Herzens an das andere ohne ?konomische Absichten--er wollte keine Haush?lterin, er wollte ein Weib, die Freude, das Glück, die Gespielin seines Lebens; ihre Absichten gingen himmelweit auseinander; er steuerte nach Süden, sie steuerte nach Norden; sie verstunden sich kein einzig Wort. Doch glaubte sie ihn zu verstehen; alle seine Gef?lligkeiten, alle seine Liebkosungen (denn was liebkost nicht ein Mensch in der Verzweiflung?) beantwortete sie mit einer stumpfen, kalten Spr?digkeit, die ihn immer entweder mit Blicken, oder wohl gar mit Worten, auf den Ehestand hinauswies, als ob bis dahin keine Verschwisterung der Herzen m?glich, oder vielmehr, als ob sie von keiner andern, als die hinter den Gardinen geschieht, einige Begriffe h?tte. Der arme Mensch ging drauf, verzehrte sich in sich selber. Er mu?te etwas lieben--Hier fing das Schreckliche seiner Geschichte an.
Seine Aufw?rterin war ein junges, schlankes, rehfü?iges, immer heitres und lustiges M?dchen. Ihre Gutherzigkeit war ohne Grenzen, ihr Wuchs so sch?n als er sein konnte, ihr Gesicht nicht fein, aber die ganze Seele malte sich darin. Diese Ehrlichkeit, dieses sorgenfreier unendlich Aufmunternde in ihrem Auge verbreitete Trost und Freude auf allen Gesichtern, die sie ansahen; lesen mochte sie nicht, aber desto lieber tanzen, welches ihre Lebensgeister in der ihr so unnachahmbaren Munterkeit erhielt. In der Tat war ihr gew?hnlicher Gang fast ein best?ndiger Tanz, und wenn sie sprach, jauchzte sie, nicht um damit zu gefallen, sondern, weil das herzliche innerliche Vergnügen mit sich selbst und ihrem Zustande keinen andern Ausweg wu?te. In ihrem Anzug war sie immer
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