Wilhelm Meisters Wanderjahre, vol 3 | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
den Besuchenden oder bei ihm Besch?ftigten zug?nglich, die ��brigen s?mtlichen R?ume jedoch verschlossen seien. Dieser Mann hatte sich Wilhelmen verschiedentlich gen?hert, war mit ihm aus der Stunde gegangen, wobei er jedoch alle weitere Verbindung und Erkl?rung zu vermeiden schien.
Diesmal jedoch sprach er mit einer gewissen Offenheit: "Ich sehe, Sie zaudern, Sie staunen das sch?ne Gebild an, ohne es zerst?ren zu k?nnen; setzen Sie sich ��ber das Gildegef��hl hinaus und folgen Sie mir." Hiermit deckte er den Arm wieder zu, gab dem Saaldiener einen Wink, und beide verlie?en den Ort. Schweigend gingen sie nebeneinander her, als der Halbbekannte vor einem gro?en Tore stillestand, dessen Pf?rtchen er aufschlo? und unsern Freund hineinn?tigte, der sich sodann auf einer Tenne befand, gro?, ger?umig, wie wir sie in alten Kaufh?usern sehen, wo die ankommenden Kisten und Ballen sogleich untergefahren werden. Hier standen Gipsabg��sse von Statuen und B��sten, auch Bohlenverschl?ge gepackt und leer. "Es sieht hier kaufm?nnisch aus", sagte der Mann; "der von hier aus m?gliche Wassertransport ist f��r mich unsch?tzbar." Dieses alles pa?te nun ganz gut zu dem Gewerb eines Bildhauers; ebenso konnte Wilhelm nichts anders finden, als der freundliche Wirt ihn wenige Stufen hinauf in ein ger?umiges Zimmer f��hrte, das ringsumher mit Hoch--und Flachgebilden, mit gr??eren und kleineren Figuren, B��sten und wohl auch einzelnen Gliedern der sch?nsten Gestalten geziert war. Mit Vergn��gen betrachtete unser Freund dies alles und horchte gern den belehrenden Worten seines Wirtes, ob er gleich noch eine gro?e Kluft zwischen diesen k��nstlerischen Arbeiten und den wissenschaftlichen Bestrebungen, von denen sie herkamen, gewahren mu?te. Endlich sagte der Hausbesitzer mit einigem Ernst: "Warum ich Sie hierher f��hre, werden Sie leicht einsehen; diese T��re", fuhr er fort, indem er sich nach der Seite wandte, "liegt n?her an der Saalt��re, woher wir kommen, als Sie denken m?gen." Wilhelm trat hinein und hatte freilich zu erstaunen, als er, statt wie in den vorigen Nachbildung lebender Gestalten zu sehen, hier die W?nde durchaus mit anatomischen Zergliederungen ausgestattet fand; sie mochten in Wachs oder sonstiger Masse verfertigt sein, genug, sie hatten durchaus das frische, farbige Ansehen erst fertig gewordener Pr?parate. "Hier, mein Freund", sagte der K��nstler, "hier sehen Sie sch?tzenswerte Surrogate f��r jene Bem��hungen, die wir, mit dem Widerwillen der Welt, zu unzeitigen Augenblicken mit Ekel oft und gro?er Sorgfalt dem Verderben oder einem widerw?rtigen Aufbewahren vorbereiten. Ich mu? dieses Gesch?ft im tiefsten Geheimnis betreiben, denn Sie haben gewi? oft schon M?nner vom Fach mit Geringsch?tzung davon reden h?ren. Ich lasse mich nicht irremachen und bereite etwas vor, welches in der Folge gewi? von gro?er Einwirkung sein wird. Der Chirurg besonders, wenn er sich zum plastischen Begriff erhebt, wird der ewig fortbildenden Natur bei jeder Verletzung gewi? am besten zu H��lfe kommen; den Arzt selbst w��rde ein solcher Begriff bei seinen Funktionen erheben. Doch lassen Sie uns nicht viel Worte machen! Sie sollen in kurzem erfahren, da? Aufbauen mehr belehrt als Einrei?en, Verbinden mehr als Trennen, Totes beleben mehr als das Get?tete noch weiter t?ten; kurz also, wollen Sie mein Sch��ler sein?" Und auf Bejahung legte der Wissende dem Gaste das Knochenskelett eines weiblichen Armes vor, in der Stellung, wie sie jenen vor kurzem vor sich gesehen hatten. "Ich habe", fuhr der Meister fort, "zu bemerken gehabt, wie Sie der B?nderlehre durchaus Aufmerksamkeit schenkten und mit Recht, denn mit ihnen beginnt sich f��r uns das tote Knochengerassel erst wieder zu beleben; Hesekiel mu?te sein Gebeinfeld sich erst auf diese Weise wieder sammeln und f��gen sehen, ehe die Glieder sich regen, die Arme tasten und die F��?e sich aufrichten konnten. Hier ist biegsam Masse, St?bchen und was sonst n?tig sein m?chte; nun versuchen Sie Ihr Gl��ck."
Der neue Sch��ler nahm seine Gedanken zusammen, und als er die Knochenteile n?her zu betrachten anfing, sah er, da? diese k��nstlich von Holz geschnitzt seien. "Ich habe", versetzte der Lehrer, "einen geschickten Mann, dessen Kunst nach Brote ging, indem die Heiligen und M?rtyrer, die er zu schnitzen gewohnt war, keinen Abgang mehr fanden, ihn hab' ich darauf geleitet, sich der Skelettbildung zu bem?chtigen und solche im gro?en wie im kleinen naturgem?? zu bef?rdern."
Nun tat unser Freund sein Bestes und erwarb sich den Beifall des Anleitenden. Dabei war es ihm angenehm, sich zu erproben, wie stark oder schwach die Erinnerung sei, und er fand zu vergn��glicher ��berraschung, da? sie durch die Tat wieder hervorgerufen werde; er gewann Leidenschaft f��r diese Arbeit und ersuchte den Meister, in seine Wohnung aufgenommen zu werden. Hier nun arbeitete er unabl?ssig; auch waren die Knochen und Kn?chelchen des Armes in kurzer Zeit gar schicklich verbunden. Von hier aber sollten die Sehnen und Muskeln ausgehen, und es schien eine v?llige Unm?glichkeit, den ganzen K?rper auf diese Weise nach allen seinen Teilen gleichm??ig herzustellen. Hiebei tr?stete ihn der Lehrer, indem er die Vervielf?ltigung durch Abformung sehen lie?, da denn das Nacharbeiten, das Reinbilden der Exemplare eben wieder neue Anstrengung, neue Aufmerksamkeit verlangte.
Alles,
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 69
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.