homines sunt modi sunt";
welches wir deutsch erklären, daß da, wo Menschen in Gesellschaft
zusammentreten, sogleich die Art und Weise, wie sie zusammen sein
und bleiben mögen, sich ausbilde. Dieser Spruch gab unserm Wanderer
zu denken, er nahm ihn als gute Vorbedeutung, indem er das hier
bekräftigt fand, was er mehrmals in seinem Leben als vernünftig und
fördersam erkannt hatte. Es dauerte nicht lange, so erschien der Vogt,
welcher, von dem Wirte vorbereitet, nach einer kurzen Unterredung
und keinem sonderlichen Ausforschen ihn unter folgenden
Bedingungen aufnahm: drei Tage zu bleiben, an allem, was vorgehen
möchte, ruhig teilzunehmen und, es geschehe, was wolle, nicht nach
der Ursache zu fragen, so wenig als beim Abschied nach der Zeche.
Das alles mußte der Reisende sich gefallen lassen, weil der Beauftragte
in keinem Punkte nachgeben konnte.
Eben wollte der Vogt sich entfernen, als ein Gesang die Treppe herauf
scholl; zwei hübsche junge Männer kamen singend heran, denen jener
durch ein einfaches Zeichen zu verstehen gab, der Gast sei
aufgenommen. Ihren Gesang nicht unterbrechend, begrüßten sie ihn
freundlich, duettierten gar anmutig, und man konnte sehr leicht
bemerken, daß sie völlig eingeübt und ihrer Kunst Meister seien. Als
Wilhelm die aufmerksamste Teilnahme bewies, schlossen sie und
fragten: ob ihm nicht auch manchmal ein Lied bei seinen
Fußwanderungen einfalle und das er so vor sich hin singe? "Mir ist
zwar von der Natur", versetzte Wilhelm, "eine glückliche Stimme
versagt, aber innerlich scheint mir oft ein geheimer Genius etwas
Rhythmisches vorzuflüstern, so daß ich mich beim Wandern jedesmal
im Takt bewege und zugleich leise Töne zu vernehmen glaube,
wodurch denn irgendein Lied begleitet wird, das sich mir auf eine oder
die andere Weise gefällig vergegenwärtigt."
"Erinnert Ihr Euch eines solchen, so schreibt es uns auf", sagten jene;
"wir wollen sehen, ob wir Euren singenden Dämon zu begleiten
wissen." Er nahm hierauf ein Blatt aus seiner Schreibtafel und übergab
ihnen folgendes:
"Von dem Berge zu den Hügeln, Niederab das Tal entlang, Da erklingt
es wie von Flügeln, Da bewegt sich's wie Gesang; Und dem
unbedingten Triebe Folget Freude, folget Rat; Und dein Streben, sei's
in Liebe, Und dein Leben sei die Tat."
Nach kurzem Bedenken ertönte sogleich ein freudiger, dem
Wanderschritt angemessener Zweigesang, der, bei Wiederholung und
Verschränkung immer fortschreitend, den Hörenden mit hinriß; er war
im Zweifel, ob dies seine eigne Melodie, sein früheres Thema, oder ob
sie jetzt erst so angepaßt sei, daß keine andere Bewegung denkbar wäre.
Die Sänger hatten sich eine Zeitlang auf diese Weise vergnüglich
ergangen, als zwei tüchtige Burschen herantreten, die man an ihren
Attributen sogleich für Maurer anerkannte, zwei aber, die ihnen folgten,
für Zimmerleute halten mußte. Diese viere, ihr Handwerkszeug sachte
niederlegend, horchten dem Gesang und fielen gar bald sicher und
entschieden in denselben mit ein, so daß eine vollständige
Wandergesellschaft über Berg und Tal dem Gefühl dahinzuschreiten
schien und Wilhelm glaubte, nie etwas so Anmutiges, Herz und Sinn
Erhebendes vernommen zu haben. Dieser Genuß jedoch sollte noch
erhöht und bis zum Letzten gesteigert werden, als eine riesenhafte
Figur, die Treppe heraufsteigend, einen starken, festen Schritt mit dem
besten Willen kaum zu mäßigen imstande war. Ein schwer bepacktes
Reff setzte er sogleich in die Ecke, sich aber auf eine Bank nieder, die
zu krachen anfing, worüber die andern lachten, ohne jedoch aus ihrem
Gesang zu fallen. Sehr überrascht aber fand sich Wilhelm, als mit einer
ungeheuren Baßstimme dieses Enakskind gleichfalls einzufallen
begann. Der Saal schütterte, und bedeutend war es, daß er den Refrain
an seinem Teile sogleich verändert und zwar dergestalt sang:
"Du im Leben nichts verschiebe; Sei dein Leben Tat um Tat!"
Ferner konnte man denn auch gar bald bemerken, daß er das Tempo zu
einem langsameren Schritt herniederziehe und die übrigen nötige, sich
ihm zu fügen. Als man zuletzt geschlossen und sich genugsam
befriedigt hatte, warfen ihm die andern vor, als wenn er getrachtet habe,
sie irrezumachen. "Keineswegs", rief er aus, "ihr seid es, die ihr mich
irrezumachen gedenkt; aus meinem Schritt wollt ihr mich bringen, der
gemäßigt und sicher sein muß, wenn ich mit meiner Bürde bergauf,
bergab schreite und doch zuletzt zur bestimmten Stunde eintreffen und
euch befriedigen soll."
Einer nach dem andern ging nunmehr zu dem Vogt hinein, und
Wilhelm konnte wohl bemerken, daß es auf eine Abrechnung
angesehen sei, wornach er sich nun nicht weiter erkundigen durfte. In
der Zwischenzeit kamen ein Paar muntere, schöne Knaben, eine Tafel
in der Geschwindigkeit zu bereiten, mäßig mit Speise und Wein zu
besetzen, worauf der heraustretende Vogt sie nunmehr alle sich mit ihm
niederzulassen einlud. Die Knaben warteten auf, vergaßen sich aber
auch nicht und nahmen stehend ihren Anteil dahin. Wilhelm erinnerte
sich ähnlicher Szenen, da er noch unter den Schauspielern hauste, doch
schien ihm die gegenwärtige Gesellschaft viel ernster, nicht zum
Scherz auf Schein, sondern auf bedeutende Lebenszwecke gerichtet.
Das Gespräch der Handwerker mit dem Vogt belehrte
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