des Kindes nach den Kirschen und Beeren, die bald reif werden sollten, erinnerte ihn an die Zeit seiner Jugend und an die vielfache Pflicht des Vaters, den Seinigen den Genu? vorzubereiten, zu verschaffen und zu erhalten. Mit welchem Interesse betrachtete er die Baumschulen und die Geb?ude! Wie lebhaft sann er darauf, das Vernachl?ssigte wiederherzustellen und das Verfallene zu erneuern! Er sah die Welt nicht mehr wie ein Zugvogel an, ein Geb?ude nicht mehr f��r eine geschwind zusammengestellte Laube, die vertrocknet, ehe man sie verl??t. Alles, was er anzulegen gedachte, sollte dem Knaben entgegenwachsen, und alles, was er herstellte, sollte eine Dauer auf einige Geschlechter haben. In diesem Sinne waren seine Lehrjahre geendigt, und mit dem Gef��hl des Vaters hatte er auch alle Tugenden eines B��rgers erworben. Er f��hlte es, und seiner Freude konnte nichts gleichen. "O der unn?tigen Strenge der Moral!" rief er aus, "da die Natur uns auf ihre liebliche Weise zu allem bildet, was wir sein sollen. O der seltsamen Anforderungen der b��rgerlichen Gesellschaft, die uns erst verwirrt und mi?leitet und dann mehr als die Natur selbst von uns fordert! Wehe jeder Art von Bildung, welche die wirksamsten Mittel wahrer Bildung zerst?rt und uns auf das Ende hinweist, anstatt uns auf dem Wege selbst zu begl��cken!"
So manches er auch in seinem Leben schon gesehen hatte, so schien ihm doch die menschliche Natur erst durch die Beobachtung des Kindes deutlich zu werden. Das Theater war ihm, wie die Welt, nur als eine Menge ausgesch��tteter W��rfel vorgekommen, deren jeder einzeln auf seiner Oberfl?che bald mehr, bald weniger bedeutet und die allenfalls zusammengez?hlt eine Summe machen. Hier im Kinde lag ihm, konnte man sagen, ein einzelner W��rfel vor, auf dessen vielfachen Seiten der Wert und der Unwert der menschlichen Natur so deutlich eingegraben war.
Das Verlangen des Kindes nach Unterscheidung wuchs mit jedem Tage. Da es einmal erfahren hatte, da? die Dinge Namen haben, so wollte es auch den Namen von allem h?ren; es glaubte nicht anders, sein Vater m��sse alles wissen, qu?lte ihn oft mit Fragen und gab ihm Anla?, sich nach Gegenst?nden zu erkundigen, denen er sonst wenig Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Auch der eingeborne Trieb, die Herkunft und das Ende der Dinge zu erfahren, zeigte sich fr��he bei dem Knaben. Wenn er fragte, wo der Wind herkomme und wo die Flamme hinkomme, war dem Vater seine eigene Beschr?nkung erst recht lebendig; er w��nschte zu erfahren, wie weit sich der Mensch mit seinen Gedanken wagen und wovon er hoffen d��rfe sich und andern jemals Rechenschaft zu geben. Die Heftigkeit des Kindes, wenn es irgendeinem lebendigen Wesen Unrecht geschehen sah, erfreute den Vater h?chlich als das Zeichen eines trefflichen Gem��ts. Das Kind schlug heftig nach dem K��chenm?dchen, das einige Tauben abgeschnitten hatte. Dieser sch?ne Begriff wurde denn freilich bald wieder zerst?rt, als er den Knaben fand, der ohne Barmherzigkeit Fr?sche totschlug und Schmetterlinge zerrupfte. Es erinnerte ihn dieser Zug an so viele Menschen, die h?chst gerecht erscheinen, wenn sie ohne Leidenschaft sind und die Handlungen anderer beobachten.
Dieses angenehme Gef��hl, da? der Knabe so einen sch?nen und wahren Einflu? auf sein Dasein habe, ward einen Augenblick gest?rt, als Wilhelm in kurzem bemerkte, da? wirklich der Knabe mehr ihn als er den Knaben erziehe. Er hatte an dem Kinde nichts auszusetzen, er war nicht imstande, ihm eine Richtung zu geben, die es nicht selbst nahm, und sogar die Unarten, gegen die Aurelie so viel gearbeitet hatte, waren, so schien es, nach dem Tode dieser Freundin alle wieder in ihre alten Rechte getreten. Noch machte das Kind die T��re niemals hinter sich zu, noch wollte er seinen Teller nicht abessen, und sein Behagen war niemals gr??er, als wenn man ihm nachsah, da? er den Bissen unmittelbar aus der Sch��ssel nehmen, das volle Glas stehenlassen und aus der Flasche trinken konnte. So war er auch ganz allerliebst, wenn er sich mit einem Buche in die Ecke setzte und sehr ernsthaft sagte: "Ich mu? das gelehrte Zeug studieren!", ob er gleich die Buchstaben noch lange weder unterscheiden konnte noch wollte.
Bedachte nun Wilhelm, wie wenig er bisher f��r das Kind getan hatte, wie wenig er zu tun f?hig sei, so entstand eine Unruhe in ihm, die sein ganzes Gl��ck aufzuwiegen imstande war. "Sind wir M?nner denn", sagte er zu sich, "so selbstisch geboren, da? wir unm?glich f��r ein Wesen au?er uns Sorge tragen k?nnen? Bin ich mit dem Knaben nicht eben auf dem Wege, auf dem ich mit Mignon war? Ich zog das liebe Kind an, seine Gegenwart erg?tzte mich, und dabei hab ich es aufs grausamste vernachl?ssigt. Was tat ich zu seiner Bildung, nach der es so sehr strebte? Nichts! Ich ��berlie? es sich selbst und allen Zuf?lligkeiten, denen es in einer ungebildeten Gesellschaft nur ausgesetzt sein konnte; und dann f��r diesen Knaben, der dir so merkw��rdig war, ehe er dir so wert sein konnte, hat dich
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