gewohnt war, suchte sie aufzumuntern; am meisten aber empfahl sie sich ihm durch einen sehr artigen, mannigfaltigen und manchmal selbst muntern Gesang, und auf ebendiesem Wege hatte sich der Harfenspieler seine Gunst erworben.
Serlo, ohne selbst Genie zur Musik zu haben oder irgendein Instrument zu spielen, wu?te ihren hohen Wert zu sch?tzen; er suchte sich sooft als m?glich diesen Genu?, der mit keinem andern verglichen werden kann, zu verschaffen. Er hatte w?chentlich einmal Konzert, und nun hatte sich ihm durch Mignon, den Harfenspieler und Laertes, der auf der Violine nicht ungeschickt war, eine wunderliche kleine Hauskapelle gebildet.
Er pflegte zu sagen: "Der Mensch ist so geneigt, sich mir dem Gemeinsten abzugeben, Geist und Sinne stumpfen sich so leicht gegen die Eindrücke des Sch?nen und Vollkommenen ab, da? man die F?higkeit, es zu empfinden, bei sich auf alle Weise erhalten sollte. Denn einen solchen Genu? kann niemand ganz entbehren, und nur die Ungewohntheit, etwas Gutes zu genie?en, ist Ursache, da? viele Menschen schon am Albernen und Abgeschmackten, wenn es nur neu ist, Vergnügen finden. Man sollte", sagte er, "alle Tage wenigstens ein kleines Lied h?ren, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gem?lde sehen und, wenn es m?glich zu machen w?re, einige vernünftige Worte sprechen."
Bei diesen Gesinnungen, die Serlo gewisserma?en natürlich waren, konnte es den Personen, die ihn umgaben, nicht an angenehmer Unterhaltung fehlen. Mitten in diesem vergnüglichen Zustande brachte man Wilhelmen eines Tags einen schwarzgesiegelten Brief. Werners Petschaft deutete auf eine traurige Nachricht, und er erschrak nicht wenig, als er den Tod seines Vaters nur mit einigen Worten angezeigt fand. Nach einer unerwarteten, kurzen Krankheit war er aus der Welt gegangen und hatte seine h?uslichen Angelegenheiten in der besten Ordnung hinterlassen.
Diese unvermutete Nachricht traf Wilhelmen im Innersten. Er fühlte tief, wie unempfindlich man oft Freunde und Verwandte, solange sie sich mit uns des irdischen Aufenthaltes erfreuen, vernachl?ssigt und nur dann erst die Vers?umnis bereut, wenn das sch?ne Verh?ltnis wenigstens für diesmal aufgehoben ist. Auch konnte der Schmerz über das zeitige Absterben des braven Mannes nur durch das Gefühl gelindert werden, da? er auf der Welt wenig geliebt, und durch die überzeugung, da? er wenig genossen habe.
Wilhelms Gedanken wandten sich nun bald auf seine eigenen Verh?ltnisse, und er fühlte sich nicht wenig beunruhigt. Der Mensch kann in keine gef?hrlichere Lage versetzt werden, als wenn durch ?u?ere Umst?nde eine gro?e Ver?nderung seines Zustandes bewirkt wird, ohne da? seine Art zu empfinden und zu denken darauf vorbereitet ist. Es gibt alsdann eine Epoche ohne Epoche, und es entsteht nur ein desto gr??erer Widerspruch, je weniger der Mensch bemerkt, da? er zu dem neuen Zustande noch nicht ausgebildet sei.
Wilhelm sah sich in einem Augenblicke frei, in welchem er mit sich selbst noch nicht einig werden konnte. Seine Gesinnungen waren edel, seine Absichten lauter, und seine Vors?tze schienen nicht verwerflich. Das alles durfte er sich mit einigem Zutrauen selbst bekennen; allein er hatte Gelegenheit genug gehabt zu bemerken, da? es ihm an Erfahrung fehle, und er legte daher auf die Erfahrung anderer und auf die Resultate, die sie daraus mit überzeugung ableiteten, einen überm??igen Wert und kam dadurch nur immer mehr in die Irre. Was ihm fehlte, glaubte er am ersten zu erwerben, wenn er alles Denkwürdige, was ihm in Büchern und im Gespr?ch vorkommen mochte, zu erhalten und zu sammeln untern?hme. Er schrieb daher fremde und eigene Meinungen und Ideen, ja ganze Gespr?che, die ihm interessant waren, auf und hielt leider auf diese Weise das Falsche so gut als das Wahre fest, blieb viel zu lange an einer Idee, ja man m?chte sagen an einer Sentenz h?ngen und verlie? dabei seine natürliche Denk- und Handelsweise, indem er oft fremden Lichtern als Leitsternen folgte. Aureliens Bitterkeit und seines Freundes Laertes kalte Verachtung der Menschen bestachen ?fter als billig war sein Urteil: niemand aber war ihm gef?hrlicher gewesen als Jarno, ein Mann, dessen heller Verstand von gegenw?rtigen Dingen ein richtiges, strenges Urteil f?llte, dabei aber den Fehler hatte, da? er diese einzelnen Urteile mit einer Art von Allgemeinheit aussprach, da doch die Aussprüche des Verstandes eigentlich nur einmal, und zwar in dem bestimmtesten Falle gelten und schon unrichtig werden, wenn man sie auf den n?chsten anwendet.
So entfernte sich Wilhelm, indem er mit sich selbst einig zu werden strebte, immer mehr von der heilsamen Einheit, und bei dieser Verwirrung ward es seinen Leidenschaften um so leichter, alle Zurüstungen zu ihrem Vorteil zu gebrauchen und ihn über das, was er zu tun hatte, nur noch mehr zu verwirren.
Serlo benutzte die Todespost zu seinem Vorteil, und wirklich hatte er auch t?glich immer mehr Ursache, an eine andere Einrichtung seines Schauspiels zu denken. Er mu?te entweder seine alten Kontrakte erneuern, wozu er keine gro?e Lust hatte, indem mehrere Mitglieder, die sich für unentbehrlich hielten, t?glich unleidlicher wurden; oder er mu?te, wohin auch sein Wunsch ging, der Gesellschaft eine ganz neue Gestalt geben.
Ohne selbst
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