West-oestlicher Divan | Page 7

Johann Wolfgang von Goethe
immer ging es weiter
Und immer ward es breiter,
Und unser
ganzes Ziehen,
Es schien ein ewig Fliehen.
Blau, hinter Wüst und
Heere,
Der Streif erlogner Meere.
Keinen Reimer wird man finden
Keinen Reimer wird man finden,
Der sich nicht den besten hielte,

Keinen Fiedler, der nicht lieber
Eigne Melodien spielte.
Und ich konnte sie nicht tadeln;
Wenn wir andern Ehre geben,

Müssen wir uns selbst entadeln.
Lebt man denn, wenn andre leben?
Und so fand ich's denn auch juste
In gewissen Antichambern,
Wo
man nicht zu sondern wußte
Mäusedreck von Koriandern.
Das Gewesne wollte hassen
Solche rüstge neue Besen,
Diese dann,
nicht gelten lassen,
Was sonst Besen war gewesen.
Und wo sich die Völker trennen,
Gegenseitig im Verachten,
Keins
von beiden wird bekennen,
Daß sie nach demselben trachten.
Und das grobe Selbstempfinden
Haben Leute hart gescholten,
Die
am wenigsten verwinden,
Wenn die andern was gegolten.
Befindet sich einer heiter und gut
Befindet sich einer heiter und gut,
Gleich will ihn der Nachbar
peingen;
Solang der Tüchtige lebt und tut,
Möchten sie ihn gerne
steingen.
Ist er hinterher aber tot,
Gleich sammeln sie große
Spenden,
Zu Ehren seiner Lebensnot
Ein Denkmal zu vollenden.

Doch ihren Vorteil sollte dann
Die Menge wohl ermessen:


Gescheiter wär's, den guten Mann
Auf immerdar vergessen.
übermacht, ihr könnt es spüren
übermacht, ihr könnt es spüren,
Ist nicht aus der Welt zu bannen;

Mir gefällt zu konvergieren
Mit Gescheiten, mit Tyrannen.
Da die dummen Eingeengten
Immerfort am stärksten pochten,
Und
die Halben, die Beschränkten
Gar zu gern uns unterjochten,
Hab ich mich für frei erkläret
Von den Narren, von den Weisen;

Diese bleiben ungestöret,
Jene möchten sich zerreißen;
Denken, in Gewalt und Liebe
Müßten wir zuletzt uns gatten,

Machen mir die Sonne trübe
Und erhitzen mir den Schatten.
Hafis auch und Ulrich Hutten
Mußten ganz bestimmt sich rüsten

Gegen braun und blaue Kutten:
Meine gehn wie andre Christen.
"Aber nenn uns doch die Feinde!"
Niemand soll sie unterscheiden;

Denn ich hab in der Gemeinde
Schon genug daran zu leiden.
Wenn du auf dem Guten ruhst
Wenn du auf dem Guten ruhst,
Nimmer werd ich's tadeln;
Wenn du
gar das Gute tust,
Sieh, das soll dich adeln!
Hast du aber deinen
Zaun
Um dein Gut gezogen,
Leb ich frei und lebe traun

Keineswegs betrogen.
Denn die Menschen, sie sind gut,
Würden besser bleiben,
Sollte
nicht, wie's einer tut,
Auch der andre treiben.
Auf dem Weg, da ist's
ein Wort,
Niemand wird's verdammen:
"Wollen wir an einen Ort,

Nun wir gehn zusammen!"
Vieles wird sich da und hie
Uns entgegenstellen:
In der Liebe mag
man nie
Helfer und Gesellen;
Geld und Ehre hätte man
Gern

allein zur Spende;
Und der Wein, der treue Mann,
Der entzweit am
Ende.
Hat doch über solches Zeug
Hafis auch gesprochen,
über manchen
dummen Streich
Sich den Kopf zerbrochen;
Und ich seh nicht, was
es frommt,
Aus der Welt zu laufen,
Magst du, wenn das
Schlimmste kommt,
Auch einmal dich raufen!
Als wenn das auf Namen ruhte
Als wenn das auf Namen ruhte,
Was sich schweigend nur entfaltet!

Lieb ich doch das schöne Gute,
Wie es sich aus Gott gestaltet!
Jemand lieb ich, das ist nötig.
Niemand haß ich; soll ich hassen,

Auch dazu bin ich erbötig,
Hasse gleich in ganzen Massen.
Willst sie aber näher kennen?
Sieh aufs Rechte, sieh aufs Schlechte:

Was sie ganz fürtrefflich nennen,
Ist wahrscheinlich nicht das
Rechte.
Denn das Rechte zu ergreifen,
Muß man aus dem Grunde leben,

Und salbadrisch auszuschweifen,
Dünket mich ein seicht Bestreben.
Wohl, Herr Knitterer, er kann sich
Mit Zersplitterer vereinen,
Und
Verwitterer alsdann sich
Allenfalls der Beste scheinen!
Daß nur immer in Erneuung
Jeder täglich Neues höre,
Und zugleich
auch die Zerstreuung
Jeden in sich selbst zerstöre!
Dies der Landsmann wünscht und liebet
Mag er Deutsch, mag
Teutsch sich schreiben,
Liedchen aber heimlich piepet:
Also war es
und wird bleiben.
Medschnun
Medschnun heißt--ich will nicht sagen,
Daß es grad ein Toller heiße,


Doch ihr müßt mich nicht verklagen,
Daß ich mich als Medschnun
preise.
Wenn die Brust, die redlich volle,
Sich entladet, euch zu retten,

Ruft ihr nicht: "Das ist der Tolle!
Holet Stricke, schaffet Ketten!"
Und wenn ihr zuletzt in Fesseln
Seht die Klügeren verschmachten,

Sengt es euch wie Feuernesseln,
Das vergebens zu betrachten.
Hab ich euch denn je geraten,
Wie ihr Kriege führen solltet?
Schalt
ich euch, nach euren Taten,
Wenn ihr Friede schließen wolltet?
Und so hab ich auch den Fischer
Ruhig sehen Netze werfen,

Brauchte dem gewandten Tischer
Winkelmaß nicht einzuschärfen.
Aber ihr wollt besser wissen,
Was ich weiß, der ich bedachte,
Was
Natur, für mich beflissen,
Schon zu meinem Eigen machte.
Fühlt ihr euch dergleichen Stärke?
Nun, so fördert eure Sachen!

Seht ihr aber meine Werke,
Lernet erst: so wollt er's machen!
Wanderers Gemütsruhe
übers Niederträchtige
Niemand sich beklage!
Denn es ist das
Mächtige,
Was man dir auch sage.
In dem Schlechten waltet es
Sich zu Hochgewinne,
Und mit
Rechtem schaltet es
Ganz nach seinem Sinne.
Wandrer!--Gegen solche Not
Wolltest du dich sträuben?

Wirbelwind und trocknen Kot,
Laß sie drehn und stäuben!
Wer wird von der Welt verlangen
Wer wird von der Welt verlangen,
Was sie selbst vermißt und träumet,

Rückwärts oder seitwärts blickend,
Stets den Tag des Tags

versäumt?
Ihr Bemühn, ihr guter Wille
Hinkt nur nach dem raschen
Leben,
Und was du vor Jahren brauchtest,
Möchte sie dir heute
geben.
Sich selbst zu loben, ist ein Fehler
Sich selbst zu loben, ist ein Fehler,
Doch jeder tut's, der etwas Gutes
tut;
Und ist er dann in Worten kein Verhehler,
Das Gute bleibt doch
immer gut.
Laßt doch, ihr Narren, doch die Freude
Dem Weisen, der sich weise
hält,
Daß er, ein Narr wie ihr, vergeude
Den abgeschmackten Dank
der Welt.
Glaubst
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