Was die Grossmutter gelehrt hat,
by Johanna Spyri
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Title: Was die Grossmutter gelehrt hat
Author: Johanna Spyri
Release Date: February, 2006 [EBook #9861] [This file was first
posted on October 25, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, WAS DIE
GROSSMUTTER GELEHRT HAT ***
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Was die Großmutter gelehrt hat
Erzählung
Johanna Spyri
1. Kapitel
Der Kummer der alten Waschkäthe
Die alte Waschkäthe saß in ihrem Stübchen im einsamen Berghüttchen
und schaute nachdenklich auf ihre gekrümmten Hände, die sie vor sich
auf die Knie gelegt hatte. Bis der letzte Abendschein hinter den fernen
Waldhöhen verglommen war, hatte sie fleißig an ihrem Spinnrad
gearbeitet. Jetzt hatte sie es ein wenig beiseite gerückt, die Hände
mußten müde sein, die so gekrümmt und abgearbeitet aussahen. Die
Alte seufzte auf und sagte vor sich hin: "Ja, wenn ich noch könnte wie
früher!" Sie meinte wohl arbeiten, denn das hatte sie tapfer ihr Leben
lang getan. Nun war sie alt geworden, und die früher so rüstige und
unermüdliche Waschfrau konnte gar nichts mehr tun, als ein wenig
spinnen, und das trug sehr wenig ein. Dennoch hatte sie sich schon seit
ein paar Jahren auf diese Weise durchgebracht und noch dazu ihr
Enkelkind erhalten, das bei ihr lebte und noch nicht viel verdienen
konnte. Es hatte zwar auch seine kleinen Einnahmen, denn es war ein
flinkes und geschicktes Kind.
Heute erfüllte die Großmutter aber noch ein besonderer Kummer, der
ihr schon seit dem frühen Morgen das Herz schwer gemacht hatte. Ihr
Enkelkind, das fröhliche Trini, das sie von klein auf erzogen hatte, war
zwölf Jahre alt geworden. Es sollte im Frühling aus der Schule
entlassen werden und dann in einen Dienst gehen. Heute früh nun war
der ferne Vetter unten aus dem Reußtal heraufgekommen und hatte der
alten Kusine den Vorschlag gemacht, das Kind ihm anzuvertrauen. Er
hatte zwar selbst nicht viel und konnte nichts geben, aber es war dort
unten ein guter Verdienst zu finden. Denn die neue Fabrik, die an der
wasserreichen Reuß erbaut worden war, brauchte viele Arbeitskräfte.
Dort konnte das Trini die Woche über ein schönes Stück Geld
verdienen, und daneben konnte es die nötige Arbeit in seinem Haus
verrichten, dafür wollte er es beherbergen. Da seine Frau kränklich war
und sie keine Magd anstellen konnten, so war ihnen das Kind
erwünscht, denn sie wußten, daß es groß und kräftig und sehr geschickt
war.
Die Großmutter halte schweigend zugehört, aber in ihrem Herzen
hatten die Worte einen großen Kampf entfacht. Der Vetter wünschte
auch, daß das Kind schon im Herbst herunterkomme, das halbe
Schuljahr könne schon abgekürzt werden, es wisse genug und könne
dann gleich etwas verdienen. Außerdem hätte seine Frau es im Winter
besonders nötig. Die Großmutter hatte noch immer nichts gesagt. Jetzt,
als der Vetter drängte und gleich das Jawort haben wollte, sagte sie, er
müsse ihr ein wenig Zeit lassen. Vor dem Herbst wollte sie sich noch
nicht entscheiden. Sie sehe den Vorteil des Kindes wohl ein, aber sie
müsse sich das alles erst noch überlegen und dann auch mit dem Kinde
reden. Der Vetter war nicht recht zufrieden, er hätte gern gleich alles
festgemacht und den Tag bestimmt, wann das Trini herunterkommen
sollte. Er meinte, mit
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