Wallensteins Tod | Page 6

Friedrich von Schiller
Recht, ist jetzo nicht die Frage--
Du bist
verloren, wenn du dich nicht schnell der Macht Bedienst, die du
besitzest--Ei! wo lebt denn
Das friedsame Geschöpf, das seines
Lebens
Sich nicht mit allen Lebenskräften wehrt?
Was ist so kühn,
das Notwehr nicht entschuldigt?
Wallenstein.

Einst war mir dieser Ferdinand so huldreich;
Er liebte mich, er hielt
mich wert, ich stand
Der Nächste seinem Herzen. Welchen Fürsten

Hat er geehrt wie mich?--Und so zu enden!
Gräfin.
So treu bewahrst du jede kleine Gunst,
Und für die Kränkung hast du
kein Gedächtnis?
Muß ich dich dran erinnern, wie man dir
Zu
Regenspurg die treuen Dienste lohnte?
Du hattest jeden Stand im
Reich beleidigt;
Ihn groß zu machen, hattest du den Haß,
Den Fluch
der ganzen Welt auf dich geladen,
Im ganzen Deutschland lebte dir
kein Freund,
Wei du allein gelebt für deinen Kaiser.
An ihn bloß
hieltest du bei jenem Sturme
Dich fest, der auf dem Rgenspurger Tag

Sich gegen dich zusammenzog--da ließ er
Dich fallen! Ließ dich
fallen! Dich dem Bayern,
Dem Übermütigen, zum Opfer fallen!
Sag
nicht, daß die zurückgegebne Würde
Das erste, schwere Unrecht
ausgesöhnt.
Nicht wahrlich guter Wille stellte dich,
Dich stellte das
Gesetz der herben Not
An diesen Platz, den man dir gern verweigert.
Wallenstein.
Nicht ihrem guten Willen, das ist wahr!
Noch seiner Neigung dank
ich dieses Amt.
Mißbrauch ich's, so mißbrauch ich kein Vertrauen.
Gräfin.
Vertrauen? Neigung?--Man bedurfte deiner!
Die ungestüme Presserin,
die Not,
Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten
Gedient ist, die
die Tat will, nicht das Zeichen,
Den Größten immer aufsucht und den
Besten,
Ihn an das Ruder stellt, und müßt sie ihn
Aufgreifen aus
dem Pöbel selbst--die setzte dich
In dieses Amt und schrieb dir die
Bestallung.
Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft
Sich dies
Geschlecht mit feilen Sklavenseelen
Und mit den Drahtmaschinen
seiner Kunst--
Doch wenn das Äußerste ihm nahe tritt,
Der hohle
Schein es nicht mehr tut, da fällt
Es in die starken Hände der Natur,


Des Riesengeistes, der nur sich gehorcht,
Nichts von Verträgen weiß
und nur auf ihre
Bedingung, nicht auf seine, mit ihm handelt.
Wallenstein.
Wahr ist's! Sie sahn mich immer, wie ich bin,
Ich hab sie in dem
Kaufe nicht betrogen,
Denn nie hielt ich's der Mühe wert, die kühn

Umgreifende Gemütsart zu verbergen.
Gräfin.
Vielmehr--du hast dich furchtbar stets gezeigt.
Nicht du, der stets sich
selber treu geblieben,
Die haben Unrecht, die dich fürchteten
Und
doch die Macht dir in die Hände gaben.
Denn Recht hat jeder eigene
Charakter,
Der übereinstimmt mit sich selber, es gibt
Kein andres
Unrecht als den Widerspruch.
Warst du ein andrer, als du vor acht
Jahren
Mit Feuer und Schwert durch Deutschlands Kreise zogst, Die
Geißel schwangest über alle Länder,
Hohn sprachest allen Ordnungen
des Reichs,
Der Stärke fürchterliches Recht nur übtest
Und jede
Landeshoheit niedertratst,
Um deines Sultans Herrschaft auszubreiten?

Da war es Zeit, den stolzen Willen dir
Zu brechen, dich zur
Ordnung zu verweisen!
Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte,

Und schweigend drückt' er diesen Freveltaten
Sein kaiserliches
Siegel auf. Was damals
Gerecht war, weil du's für ihn tatst, ist's heute

Auf einmal schändlich, weil es gegen ihn
Gerichtet wird?
Wallenstein. (aufstehend)
Von dieser Seite sah ich's nie--Ja! dem
Ist wirklich so. Es übte dieser
Kaiser
Durch meinen Arm im Reiche Taten aus,
Die nach der
Ordnung nie geschehen sollten.
Und selbst den Fürstenmantel, den
ich trage,
Verdank ich Diensten, die Verbrechen sind.
Gräfin.

Gestehe denn, daß zwischen dir und ihm
Die Rede nicht kann sein
von Pflicht und Recht,
Nur von der Macht und der Gelegenheit!

Der Augenblick ist da, wo du die Summe
Der großen
Lebensrechnung ziehen sollst,
Die Zeichen stehen sieghaft über dir,

Glück winken die Planeten dir herunter
Und rufen: es ist an der
Zeit! Hast du
Dein Lebenlang umsonst der Sterne Lauf

Gemessen?--den Quadranten und den Zirkel
Geführt?--den Zodiak,
die Himmelskugel
Auf diesen Wänden nachgeahmt, um dich herum

Gestellt in stummen, ahnungsvollen Zeichen
Die sieben Herrscher
des Geschicks,
Nur um ein eitles Spiel damit zu treiben?
Führt alle
diese Zurüstung zu nichts,
Und ist kein Mark in dieser hohlen Kunst,

Daß sie dir selbst nichts gilt, nichts über dich
Vermag im
Augenblick der Entscheidung?
Wallenstein. (ist während dieser letzten Rede mit heftig arbeitendem
Gemüt auf und ab gegangen und steht jetzt plötzlich still, die Gräfin
unterbrechend)
Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich
drei Boten satteln.
Illo.
Nun, gelobt sei Gott!
(Eilt hinaus.)
Wallenstein.
Es ist sein böser Geist und meiner. Ihn
Straft er durch mich, das
Werkzeug seiner Herrschsucht, Und ich erwart es, daß der Rache Stahl

Auch schon für meine Brust geschliffen ist.
Nicht hoffe, wer des
Drachen Zähne sät,
Erfreuliches zu ernten. Jede Untat
Trägt ihren
eignen Rach-Engel schon,
Die böse Hoffnung, unter ihrem Herzen.

Er kann mir nicht mehr traun,--so kann ich auch
Nicht mehr zurück.
Geschehe denn, was muß.
Recht stets behält das Schicksa, denn das
Herz
In uns ist sein gebietrischer Vollzieher.
(Zu Terzky.)

Bring mir den Wrangel in mein Kabinett,
Die Boten will ich selber
sprechen. Schickt
Nach dem Octavio!
(Zur Gräfin, welche eine
triumphierende Miene macht.)
Frohlocke nicht!
Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte.

Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.
Den Samen legen wir in ihre
Hände,
Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.
(Indem er
abgeht, fällt der Vorhang.)
Zweiter Aufzug
Ein Zimmer
Erster Auftritt
Wallenstein. Octavio Piccolomini. Bald darauf Max Piccolomini.
Wallenstein.
Mir meldet er aus Linz, er läge krank,
Doch hab ich sichre Nachricht,
daß er sich
Zu Frauenberg versteckt beim
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