Waldwinkel | Page 7

Theodor W. Storm
Heide zu der soeben von ihr verlassenen Welt hinausliefen.
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In der Zeit, die hierauf folgte, erfuhr das Wild in der Umgebung des "Narrenkastens" eine ihm dort ganz ungewohnte Beunruhigung in der Stille seines Sommerlebens. Aus den Kr?utern der jungen Tannenschonung springt pl?tzlich der Hirsch empor und st��rmt, nicht achtend seines knospenden Geweihes, in das nahe Waldesdickicht; drau?en im Moorgrund fliegen zwei stahlblaue Birkh?hne glucksend in die H?he, die seit Jahren hier unbehelligt ihre T?nze auff��hren durften; selbst Meister Reineke bleibt nicht ungest?rt.
In einem alten Riesenh��gel hat er sein Malepartus aufgeschlagen und sitzt jetzt in der warmen Mittagssonne vor einem seiner Ausg?nge, bald behaglich nach den ��ber der Heide spielenden M��cken blinzelnd, bald auf seine jungen F��chslein schauend, die um ihn her ihre ersten Purzelb?ume versuchen. Da pl?tzlich streckt er den Kopf und bewegt horchend seine spitzen Ohren; dr��ben, vom Saum des Buchenwaldes, hat die Luft einen ungeh?rigen Laut ihm zugetragen.
Einige Minuten sp?ter schreitet ein nicht mehr junger, aber kr?ftiger Mann ��ber die Heide; ein gro?er, l?wengelber Hund springt ihm voraus und steckt die Schnauze in den Eingang des H��nengrabes, durch welchen kurz vorher der Fuchs und seine Brut verschwunden sind; doch sein Herr ruft ihn zur��ck, und er gehorcht ihm augenblicklich. Sie kommen eben aus dem Walde; jetzt schreiten sie weiter ��ber die Heide; bald werden sie zusammen dort den Sumpf durchwaten. Sie sind unzertrennlich, sie tun das alle Tage; aber die Tiere brauchen sich vor ihnen nicht zu f��rchten; denn der Hund hat nur Augen f��r seinen Herrn und dieser nur f��r die stille Welt der Pflanzen, welche, einmal aufgefunden, seiner Hand nicht mehr entfliehen k?nnen; heute sind es besonders die Moose und einige Zwergbildungen des Binsengeschlechts; die er unbarmherzig in seine gr��ne Kapsel sperrt.
Mitunter geht auch ein M?dchen an seiner Seite; doch dies geschieht nur selten und bei k��rzeren Wanderungen. Meistens ist sie dr��ben an der Wiesenmulde, hinter den hohen Mauern des "Waldwinkels"; dort geht sie in K��ch und Keller einer alten Frau zur Hand, deren gutm��tiges Gesicht schon durch die Einf?rmigkeit seines Ausdrucks eine langj?hrige Taubheit verraten w��rde, wenn dies nicht noch deutlicher durch ein H?hrrohr gesch?he, das sie wie ein J?gerh?rnchen am Bande ��ber der Schulter tr?gt. Das M?dchen wei?, da? die Alte einst die W?rterin ihres jetzigen Herrn gewesen ist; sie zeigt sich ihr ��berall gef?llig und sucht ihr alles an den Augen abzusehen.--Anders steht sie mit dem Herrn selber; er hat keinen Blick wieder von ihr erhalten wie damals in der Gerichtsstube, als er der Aktuar des B��rgermeisters war, so ungeduldig er auch oft darauf zu warten scheint. Zuweilen, wenn sie nach dem Mittagstische die Zimmer oben geordnet hat, was stets mit p��nktlicher Sauberkeit geschieht, sitzt sie auch wohl am Fenster des kleinen Bibliothekszimmers und malt auf br?unliche Papierbl?ttchen eine Rispe oder einen Bl��tenstengel, den der Doktor allein oder sie mit ihm aus der Wildnis drau?en heimgebracht hat. Dieser selbst steht dann oft lange neben ihr und blickt schweigend und wie verzaubert auf die kleine, regsame Hand.
So war es auch eines Nachmittags, da schon manche Woche ihres Zusammenlebens hingeflossen war. Er hatte einen Strau? aus Wollgras und gesterntem B?renlauch vor ihr zurechtgelegt, und sie war emsig besch?ftigt, ihn aufs Papier zu bringen. Mitunter hatte er ein kurzes Wort zu ihr gesprochen, und sie hatte ebenso und ohne aufzublicken ihm geantwortet.
"Aber sind Sie denn auch gern hierhergekommen?" fragte er jetzt.
"Gewi?! Weshalb denn nicht? Bei dem Schuster roch das ganze Haus nach Leder; und Bettelleute waren es auch."
"Bettelleute?--Weshalb sprechen Sie so hart. Franziska?"--Es schien, als wenn er ihr zu z��rnen suche; aber er vermochte es schon l?ngst nicht mehr. Eine Weile lie? er seine Augen auf ihr ruhen, w?hrend sie eifrig an einem Bl?ttchen fortschattierte; als keine Antwort erfolgte, sagte er: "Ich bin kein Bettelmann, aber einsam ist es hier f��r Sie."
"Das hab ich gern", erwiderte sie leise und tauchte wieder den Pinsel in die Farbe.
Neben ihr auf dem Tische lagen mehrere fertige Bl?ttchen; er nahm eines derselben, auf dem eine Bl��te der Cornus suecica gemalt war, und schrieb mit Bleistift darunter:
Eine andre Blume hatt ich gesucht-- Ich konnte sie nimmer finden; Nur da, wo zwei beisammen sind, Taucht sie empor aus den Gr��nden.
Er hatte das so beschriebene Blatt vor sie hingelegt; aber sie warf nur einen raschen Blick darauf und schob es dann, ohne aufzusehen, wieder unter die andern Bl?tter, indem sie sich tief auf ihre Zeichnung b��ckte.
Noch eine Weile stand er neben ihr, als k?nne er nicht fort; da sie aber schweigend in ihrer Arbeit fortfuhr, so pfiff er seinem Hunde und schritt mit diesem in den Wald hinaus.
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Es war ihm seltsam ergangen mit dem M?dchen. In augenblicklicher Laune, fast gedankenlos, hatte er sie in den Kreis seines Lebens hineingezogen; eine Zutat nur, eine Bereicherung f��r die einf?rmigen Tage hatte sie ihm sein sollen;--und wie anders war es nun geworden! Freilich, die alte Frau Wieb,
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