Von Tripolis nach Alexandrien - 2. Band | Page 9

Gerhard Rohlfs
so weit trieben, dass sie unter der Hand
eines Tages einen ganzen Schlauch Butter verkauft hatten. Dann bekam
ich noch einen anderen weggelaufenen Neger, ich glaube Ali rief man
ihn, einen wahren Goldjungen. Aus Sella her seinem Herrn entsprungen,
hatte er mit diesem Räuberhandwerk getrieben, und die weitesten
Streifzüge, südlich bis Tragen und Wau, östlich bis zum Ammonium
nach dem Norden zu bis zur Küste an der Syrte gemacht. In dieser
ganzen weiten Strecke kannte er Schritt und Tritt. Bei einer
Beutevertheilung hatte er sich mit seinem alten Herrn entzweit, war
nach Bengasi aufs englische Consulat geflüchtet, wo ich ihn vorfand
und in meine Dienste nahm. Er war jetzt von glühender Begier für
Freiheit erfasst, wollte Skendria und Masser[14] kennen lernen, und
wie konnte er es besser durchführen, als wenn er mich begleitete. Wir
wurden denn auch bald handelseinig, und er war jedenfalls der
nützlichste aller Diener, in Packen und Behandlung der Kameele war er
unübertrefflich, sogar besser als der Gatroner, da er ein junger Bursche
von 25 Jahren war. Dabei hatte er das heiterste Gemüth von der Welt,
fortwährend singend, unterliess er diese Beschäftigung nur um zu
plaudern und zu necken, oder allenfalls um mit dem in Amerika zum
halben Zweifler gewordenen Staui einen religiösen Discurs anzufangen,
der gemeiniglich mit Staui's Niederlage endete, worauf dieser sich dann
verächtlich zu uns wandte: "nigger great donkey." Ali hatte aber eine
verhältnissmässig gute religiöse Erziehung gehabt, er war sogar eine

Zeitlang in der berühmten Sauya Sarabub, dem Hauptorte der Snussi,
gewesen.
Wir waren natürlich wieder in Bengasi auf dem englischen Consulate,
und mit den Einkäufen verging rasch die Zeit. Namentlich musste eine
grosse Zahl von Schläuchen gekauft werden, wir brauchten derer nicht
weniger als 12, endlich andere Provision, Mehl, Zwieback, Oel, Butter,
Datteln, Zucker, Kaffee und Thee, auch in Fett eingekochtes Fleisch,
Stockfische u. dgl. wurde eingekauft.
Am 3. April Morgens 10 Uhr verliessen wir dann die Stadt in
Begleitung des englischen und französischen Consuls. Das Wetter war
trübe, so dass wir die Berge nicht sehen konnten, unsere Richtung war
160°. Bald stiess dann noch ein Reiter zu Kameel zu uns, ein Diener
des Mudirs von Audjila, der die Gelegenheit benutzen wollte, in
Karawane zurückzukehren. Er erwies sich später äusserst nützlich, da
er des Weges sehr kundig war, was ich von dem eigens gemietheten
halbblinden Führer Hammed Uadjili nicht sagen konnte.
Schon nach 2½ Stunden durch fruchtbares Land dahin reitend, machten
wir beim Brunnen Choëbea Halt, verzehrten gemeinschaftlich ein
Frühstück, tranken eine letzte Flasche Wein, eine letzte Flasche Ale,
und unsere freundlichen Begleiter kehrten nach Bengasi zurück,
während wir südwärts den Weg weiter zogen. Derselbe bleibt
einförmig, obschon der Boden fruchtbar ist, zum Theil cultivirt wird,
zum Theil krautreiche, zu dieser Jahreszeit von Blumen bunte
Wiesengründe hat, Freg sind nur spärlich vorhanden. Wir setzten nur
noch 2 Stunden den Weg so fort und lagerten inmitten eines weiten
Ruinenfeldes unter dem Schutze eines kleinen Castells. Es scheinen
hier mehr ländliche, weit zerstreut liegende Wohnungen gewesen zu
sein, als bestimmte Orte, wenigstens finden wir in so unmittelbarer
Nähe von Berenice keinen erwähnt. Das Castell, recht gut erhalten,
aber klein, diente zum Schutze der Landbewohner und speciell hier
noch wohl zum Schutze der Küste.
Am folgenden Tage brachen wir früh auf und hielten 150° R. Auch an
dem Tage war die Gegend überaus ruinenreich, und auch hier traten
alle Augenblicke grosse Einhegungen von Steinen entgegen, von denen

manchmal aber nur noch die unterste Steinreihe erhalten ist. Der Boden
bleibt ein gleich fruchtbarer röthlicher Humus, ist überall bis zu den
Bergen gleich culturfähig, sehr krautreich aber wenig mit Buschwerk
bestanden. Die Berge sind sichtbar, aber je weiter man nach Süden
kommt, je mehr zieht sich das Ufer des Hochplateaus nach Südosten
zurück. Die Gegend ist hier besser bevölkert, denn irgendwo in
Cyrenaica, meist sind es Freg der Mschitat und Auergehr, welche
rechts und links vom Wege aufgeschlagen sind. Eigenthümlich wie die
Alten genau die Oertlichkeit erkannt haben müssen, wo sie Wasser zu
finden glaubten. Denn ein blosser Zufall liess sie wohl nicht jene
Kalkplatten durchbohren um dann nach 25-30' und oft noch tiefer auf
Wasser, zu stossen. Und dass sie von den Alten angelegt worden sind,
geht aus der ganzen Construction derselben hervor, warum aber gruben
sie nicht an anderen Stellen nach Wasser? wahrscheinlich weil sie aus
Erfahrung wussten, dass unter Kalkfelsen am ersten Wasser zu finden
sei. Wir lagerten Abends in der Nähe von zahlreichen Freg, ohne indess
mit den Insassen in Berührung zu treten[15]. Auch am folgenden
Tage[16] hat die Gegend noch denselben fruchtbaren aber wenig
bebauten Charakter, die Freg werden südlich von den ailet Feres
bewohnt und gegen Abend, wo wir der Syrte so nahe sind, dass wir die
Brandung derselben hörten, lagerten wir zwischen Schih- und
Halfa-Vegetation, waren also bis zum Uebergange der Wüste
gekommen.
Je weiter man nach Süden kommt[17], je spärlicher wird
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 51
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.