Venetianische Epigramme | Page 4

Johann Wolfgang von Goethe
dies M?dchen ein Buch? Stimme was Klügeres an!"?Wartet, ich singe die K?nige bald, die Gro?en der Erde,?Wenn ich ihr Handwerk einst besser begreife, wie jetzt.?Doch Bettinnen sing' ich inde?; denn Gaukler und Dichter?Sind gar nahe verwandt, suchen und finden sich gern.
XLVIII.
B?cke, zur Linken mit euch! so ordnet künftig der Richter:?Und ihr Sch?fchen, ihr sollt ruhig zur Rechten mir stehn!?Wohl! Doch eines ist noch von ihm zu hoffen; dann sagt er:?Seyd, Vernünftige, mir grad' gegenüber gestellt!
XLIX.
Wi?t ihr, wie ich gewi? zu Hunderten euch Epigramme?Fertige? Führet mich nur weit von der Liebsten hinweg!
L.
Alle Freyheits=Apostel, sie waren mir immer zuwider;?Willkür suchte doch nur Jeder am Ende für sich.?Willst du Viele befreyn, so wag' es Vielen zu dienen.?Wie gef?hrlich das sey; willst du es wissen? Versuch's!
LI.
K?nige wollen das Gute, die Demagogen desgleichen,?Sagt man; doch irren sie sich: Menschen, ach, sind sie, wie wir. Nie gelingt es der Menge, für sich zu wollen; wir wissens:?Doch wer verstehet, für uns Alle zu wollen; Er zeig's.
LII.
Jeglichen Schw?rmer schlagt mir an's Kreuz im drey?igsten Jahre; Kennt er nur einmal die Welt, wird der Betrogne der Schelm.
LIII.
Frankreichs traurig Geschick, die Gro?en m?gen's bedenken;?Aber bedenken fürwahr sollen es Kleine noch mehr.?Gro?e gingen zu Grunde: doch wer beschützte die Menge?Gegen die Menge? Da war Menge der Menge Tyrann.
LIV.
Tolle Zeiten hab' ich erlebt, und hab' nicht ermangelt,?Selbst auch th?richt zu seyn, wie es die Zeit mir gebot.
LV.
Sage, thun wir nicht recht? Wir müssen den P?bel betrügen.?Sieh nur, wie ungeschickt, sieh nur, wie wild er sich zeigt! Ungeschickt und wild sind alle rohen Betrognen;?Seyd nur redlich, und so führt ihn zum Menschlichen an.
LVI.
Fürsten pr?gen so oft auf kaum versilbertes Kupfer?Ihr bedeutendes Bild; lange betrügt sich das Volk.?Schw?rmer pr?gen den Stempel des Geist's auf Lügen und Unsinn; Wem der Probierstein fehlt, h?lt sie für redliches Gold.
LVII.
Jene Menschen sind toll, so sagt ihr von heftigen Sprechern, Die wir in Frankreich laut h?ren auf Stra?en und Markt.?Mir auch scheinen sie toll; doch redet ein Toller in Freyheit Weise Sprüche, wenn, ach! Weisheit im Sklaven verstummt.
LVIII.
Lange haben die Gro?en der Franzen Sprache gesprochen,?Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom Munde nicht flo?.?Nun lallt alles Volk entzückt die Sprache der Franken.?Zürnet, M?chtige, nicht! Was ihr verlangtet, geschieht.
LIX.
"Seyd doch nicht so frech, Epigramme!" Warum nicht? Wir sind nur Ueberschriften; die Welt hat die Kapitel des Buchs.
LX.
Wie dem hohen Apostel ein Tuch voll Thiere gezeigt ward,?Rein und unrein, zeigt, Lieber, das Büchlein sich dir.
LXI.
Ein Epigramm, ob wohl es gut sey? Kannst du's entscheiden??Wei? man doch eben nicht stets, was er sich dachte, der Schalk.
LXII.
Um so gemeiner es ist, und n?her dem Neide, der Mi?gunst;?Um so mehr begreifst du das Gedichtchen gewi?.
LXIII.
Chloe schw?ret, sie liebt mich; ich glaub's nicht. Aber sie liebt dich! Sagt mir ein Kenner. Schon gut; glaubt' ich's, da w?r es vorbey.
LXIV.
Niemand liebst du, und mich, Philarchos liebst du so heftig. Ist denn kein anderer Weg, mich zu bezwingen, als der?
LXV.
Ist denn so gro? das Geheimni?,was Gott und der Mensch und die Welt sey? Nein! Doch Niemand h?rt's gerne; da bleibt es geheim.
LXVI.
Vieles kann ich ertragen. Die meisten beschwerlichen Dinge?Duld' ich mit ruhigem Muth, wie es ein Gott mir gebeut.?Wenige sind mir jedoch wie Gift und Schlange zuwider;?Viere: Rauch des Tabacks, Wanzen und Knoblauch und ?
LXVII.
L?ngst schon h?tt' ich euch gern von jenen Thierchen gesprochen, Die so zierlich und schnell fahren dahin und daher.?Schl?ngelchen scheinen sie gleich, doch viergefü?et; sie laufen, Kriechen und schleichen, und leicht schleppen die Schw?nzchen sie nach. Seht, hier sind sie! und hier! Nun sind sie verschwunden! Wo sind sie? Welche Ritze, welch Kraut nahm die Entfliehenden auf??Wollt ihr mir's künftig erlauben, so nenn' ich die Thierchen Lacerten; Denn ich brauche sie noch oft als gef?lliges Bild.
LXVIII.
Wer Lacerten gesehn, der kann sich die zierlichen M?dchen?Denken, die über den Platz fahren dahin und daher.?Schnell und beweglich sind sie, und gleiten, stehen und schwatzen, Und es rauscht das Gewand hinter den Eilenden drein.?Sieh, hier ist sie! und hier! Verlierst du sie einmal, so suchst du Sie vergebens; so bald kommt sie nicht wieder hervor.?Wenn du aber die Winkel nicht scheust, nicht G??chen und Treppchen, Folg' ihr, wie sie dich lockt, in die Spelunke hinein!
LXIX.
Was Spelunke nun sey, verlangt ihr zu wissen? Da wird ja?Fast zum Lexikon dies epigrammatische Buch.?Dunkele H?user sind's in engen G??chen; zum Kaffee?Führt dich die Sch?ne, und sie zeigt sich gesch?ftig, nicht du.
LXX.
Zwey der feinsten Lacerten, sie hielten sich immer zusammen; Eine beynahe zu gro?, eine beynahe zu klein.?Siehst du Beyde zusammen, so wird die Wahl dir unm?glich;?Jede besonders, sie schien einzig die Sch?nste zu seyn.
LXXI.
Heilige Leute, sagt man, sie wollten besonders dem Sünder?Und der Sünderin wohl. Geht's mir doch eben auch so.
LXXII.
W?r' ich ein h?usliches Weib, und h?tte, was ich bedürfte,?Treu seyn wollt' ich und froh, herzen und küssen den Mann.?So sang, unter andern gemeinen Liedern, ein Dirnchen?Mir in Venedig, und nie h?rt' ich ein fr?mmer Gebet.
LXXIII.
Wundern kann es mich nicht,
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