Tristan | Page 3

Thomas Mann
aber war sie nicht wieder zu Kr?ften gekommen, gesetzt, da? sie jemals bei Kr?ften gewesen war. Sie war kaum vom Wochenbette erstanden, ?u?erst ersch?pft, ?u?erst verarmt an Lebenskr?ften, als sie beim Husten ein wenig Blut aufgebracht hatte, -- oh, nicht viel, ein unbedeutendes bi?chen Blut; aber es w?re doch besser ��berhaupt nicht zum Vorschein gekommen, und das Bedenkliche war, da? derselbe kleine unheimliche Vorfall sich nach kurzer Zeit wiederholte. Nun, es gab Mittel hiergegen, und Doktor Hinzpeter, der Hausarzt, bediente sich ihrer. Vollst?ndige Ruhe wurde geboten, Eisst��ckchen wurden geschluckt, Morphium ward gegen den Hustenreiz verabfolgt und das Herz nach M?glichkeit beruhigt. Die Genesung aber wollte sich nicht einstellen, und w?hrend das Kind, Anton Kl?terjahn der J��ngere, ein Prachtst��ck von einem Baby, mit ungeheurer Energie und R��cksichtslosigkeit seinen Platz im Leben eroberte und behauptete, schien die junge Mutter in einer sanften und stillen Glut dahinzuschwinden ... Es war, wie gesagt, die Luftr?hre, ein Wort, das in Doktor Hinzpeters Munde eine ��berraschend tr?stliche, beruhigende, fast erheiternde Wirkung auf alle Gem��ter aus��bte. Aber obgleich es nicht die Lunge war, hatte der Doktor schlie?lich den Einflu? eines milderen Klimas und des Aufenthaltes in einer Kuranstalt zur Beschleunigung der Heilung als dringend w��nschenswert erachtet, und der Ruf des Sanatoriums >Einfried< und seines Leiters hatte das ��brige getan.
So verhielt es sich; und Herr Kl?terjahn selbst erz?hlte es jedem, der Interesse daf��r an den Tag legte. Er redete laut, salopp und gutgelaunt, wie ein Mann, dessen Verdauung sich in so guter Ordnung befindet wie seine B?rse, mit weit ausladenden Lippenbewegungen, in der breiten und dennoch rapiden Art der K��stenbewohner vom Norden. Manche Worte schleuderte er hervor, da? jeder Laut einer kleinen Entladung glich, und lachte dar��ber wie ��ber einen gelungenen Spa?.
Er war mittelgro?, breit, stark und kurzbeinig und besa? ein volles, rotes Gesicht mit wasserblauen Augen, die von ganz hellblonden Wimpern beschattet waren, ger?umigen N��stern und feuchten Lippen. Er trug einen englischen Backenbart, war ganz englisch gekleidet und zeigte sich entz��ckt, eine englische Familie, Vater, Mutter und drei h��bsche Kinder mit ihrer nurse, in >Einfried< anzutreffen, die sich hier aufhielt, einzig und allein, weil sie nicht wu?te, wo sie sich sonst aufhalten sollte, und mit der er morgens englisch fr��hst��ckte. ��brigens liebte er es, viel und gut zu speisen und zu trinken, zeigte sich als ein wirklicher Kenner von K��che und Keller und unterhielt die Kurgesellschaft aufs anregendste von den Diners, die daheim in seinem Bekanntenkreise gegeben wurden, sowie mit der Schilderung gewisser auserlesener, hier unbekannter Platten. Hierbei zogen seine Augen sich mit freundlichem Ausdruck zusammen und seine Sprache erhielt etwas Gaumiges und Nasales, indes leicht schmatzende Ger?usche im Schlunde sie begleiteten. Da? er auch anderen irdischen Freuden nicht grunds?tzlich abhold war, bewies er an jenem Abend, als ein Kurgast von >Einfried<, ein Schriftsteller von Beruf, ihn auf dem Korridor in ziemlich unerlaubter Weise mit einem Stubenm?dchen scherzen sah, -- ein kleiner, humoristischer Vorgang, zu dem der betreffende Schriftsteller eine l?cherlich angeekelte Miene machte.
Was Herrn Kl?terjahns Gattin anging, so war klar und deutlich zu beobachten, da? sie ihm von Herzen zugetan war. Sie folgte l?chelnd seinen Worten und Bewegungen: nicht mit der ��berheblichen Nachsicht, die manche Leidenden den Gesunden entgegenbringen, sondern mit der liebensw��rdigen Freude und Teilnahme gutgearteter Kranker an den zuversichtlichen Lebens?u?erungen von Leuten, die in ihrer Haut sich wohlf��hlen. Herr Kl?terjahn verweilte nicht lange in >Einfried<. Er hatte seine Gattin hierher geleitet; nach Verlauf einer Woche aber, als er sie wohl aufgehoben und in guten H?nden wu?te, war seines Bleibens nicht l?nger. Pflichten von gleicher Wichtigkeit, sein bl��hendes Kind, sein ebenfalls bl��hendes Gesch?ft, riefen ihn in die Heimat zur��ck; sie zwangen ihn, abzureisen und seine Frau im Genusse der besten Pflege zur��ckzulassen.

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Spinell hie? der Schriftsteller, der seit mehreren Wochen in >Einfried< lebte, Detlev Spinell war sein Name, und sein ?u?eres war wunderlich.
Man vergegenw?rtige sich einen Br��netten am Anfang der Drei?iger und von stattlicher Statur, dessen Haar an den Schl?fen schon merklich zu ergrauen beginnt, dessen rundes, wei?es, ein wenig gedunsenes Gesicht aber nicht die Spur irgendeines Bartwuchses zeigt. Es war nicht rasiert, -- man h?tte es gesehen; weich, verwischt und knabenhaft, war es nur hier und da mit einzelnen Flaumh?rchen besetzt. Und das sah ganz merkw��rdig aus. Der Blick seiner rehbraunen, blanken Augen war von sanftem Ausdruck, die Nase gedrungen und ein wenig zu fleischig. Ferner besa? Herr Spinell eine gew?lbte, por?se Oberlippe r?mischen Charakters, gro?e, kari?se Z?hne und F��?e von seltenem Umfange. Einer der Herren mit den unbeherrschten Beinen, der ein Zyniker und Witzbold war, hatte ihn hinter seinem R��cken ?der verweste S?ugling? getauft; aber das war h?misch und wenig zutreffend. -- Er ging gut und modisch gekleidet, in langem schwarzen Rock und farbig punktierter Weste.
Er war ungesellig und hielt mit keiner Seele Gemeinschaft. Nur zuweilen konnte eine leutselige, liebevolle und ��berquel-lende Stimmung ihn befallen, und das geschah jedesmal, wenn Herr Spinell in ?sthetischen
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