was es sich handelte, und versicherte ihr mit bewegten
Worten, daß er damals am Springbrunnen, als sie unter ihren sechs
Freundinnen saß, die kleine Krone hätte blinken, -- sie heimlich in
ihrem Haar hätte blinken sehen.
Einige Tage später erkundigte sich ein Kurgast aus Artigkeit bei ihr
nach dem Wohlergehen ihres kleinen Anton daheim. Sie ließ zu Herrn
Spinell, der sich in der Nähe befand, einen hurtigen Blick
hinübergleiten und antwortete ein wenig gelangweilt:
»Danke; wie soll es dem wohl gehen? -- Ihm und meinem Mann geht
es gut.«
8
Ende Februar, an einem Frosttage, reiner und leuchtender als alle, die
vorhergegangen waren, herrschte in >Einfried< nichts als Übermut. Die
Herrschaften mit den Herzfehlern besprachen sich untereinander mit
geröteten Wangen, der diabetische General trällerte wie ein Jüngling,
und die Herren mit den unbeherrschten Beinen waren ganz außer Rand
und Band. Was ging vor? Nichts Geringeres, als daß eine gemeinsame
Ausfahrt unternommen werden sollte, eine Schlittenpartie in mehreren
Fuhrwerken mit Schellenklang und Peitschenknall ins Gebirge hinein:
Doktor Leander hatte zur Zerstreuung seiner Patienten diesen Beschluß
gefaßt.
Natürlich mußten die >Schweren< zu Hause bleiben. Die armen
>Schweren
dem Ganzen wissen zu lassen; es tat allgemein wohl, ein wenig Mitleid
üben und Rücksicht nehmen zu können. Aber auch von denen, die sich
an dem Vergnügen sehr wohl hätten beteiligen können, schlössen sich
einige aus. Was Fräulein von Osterloh anging, so war sie ohne weiteres
entschuldigt. Wer wie sie mit Pflichten überhäuft war, durfte an
Schlittenpartieen nicht ernstlich denken. Der Hausstand verlangte
gebieterisch ihre Anwesenheit, und kurzum: sie blieb in >Einfried<.
Daß aber auch Herrn Klöterjahns Gattin erklärte, daheim bleiben zu
wollen, verstimmte allseitig. Vergebens redete Doktor Leander ihr zu,
die frische Fahrt auf sich wirken zu lassen; sie behauptete, nicht
aufgelegt zu sein, Migräne zu haben, sich matt zu fühlen, und so mußte
man sich fügen. Der Zyniker und Witzbold aber nahm Anlaß zu der
Bemerkung:
»Geben Sie acht, nun fährt auch der verweste Säugling nicht mit.«
Und er bekam recht, denn Herr Spinell ließ wissen, daß er heute
nachmittag arbeiten wolle -- er gebrauchte sehr gern das Wort
>arbeiten< für seine zweifelhafte Tätigkeit. Übrigens beklagte sich
keine Seele über sein Fortbleiben, und ebenso leicht verschmerzte man
es, daß die Rätin Spatz sich entschloß, ihrer jüngeren Freundin
Gesellschaft zu leisten, da das Fahren sie seekrank mache.
Gleich nach dem Mittagessen, das heute schon gegen zwölf Uhr
stattgefunden hatte, hielten die Schlitten vor >Einfried<, und in
lebhaften Gruppen, warm vermummt, neugierig und angeregt,
bewegten sich die Gäste durch den Garten. Herrn Klöterjahns Gattin
stand mit der Rätin Spatz an der Glastür, die zur Terrasse führte, und
Herr Spinell am Fenster seines Zimmers, um der Abfahrt zuzusehen.
Sie beobachteten, wie unter Scherzen und Gelächter kleine Kämpfe um
die besten Plätze entstanden, wie Fräulein von Osterloh, eine Pelzboa
um den Hals, von einem Gespann zum anderen lief, um Körbe mit
Eßwaren unter die Sitze zu schieben, wie Doktor Leander, die
Pelzmütze in der Stirn, mit seinen funkelnden Brillengläsern noch
einmal das Ganze überschaute, dann ebenfalls Platz nahm und das
Zeichen zum Aufbruch gab ... Die Pferde zogen an, ein paar Damen
kreischten und fielen hintüber, die Schellen klapperten, die
kurzstieligen Peitschen knallten und ließen ihre langen Schnüre im
Schnee hinter den Kufen dreinschleppen, und Fräulein von Osterloh
stand an der Gatterpforte und winkte mit ihrem Schnupftuch, bis an
einer Biegung der Landstraße die gleitenden Gefährte verschwanden,
das frohe Geräusch sich verlor. Dann kehrte sie durch den Garten
zurück, um ihren Pflichten nachzueilen, die beiden Damen verließen
die Glastür, und fast gleichzeitig trat auch Herr Spinell von seinem
Aussichtspunkte ab.
Ruhe herrschte in >Einfried<. Die Expedition war vor Abend nicht
zurückzuerwarten. Die >Schweren< lagen in ihren Zimmern und litten.
Herrn Klöterjahns Gattin und ihre ältere Freundin unternahmen einen
kurzen Spaziergang, worauf sie in ihre Gemächer zurückkehrten. Auch
Herr Spinell befand sich in dem seinen und beschäftigte sich auf seine
Art. Gegen vier Uhr brachte man den Damen je einen halben Liter
Milch, während Herr Spinell seinen leichten Tee erhielt. Kurze Zeit
darauf pochte Herrn Klöterjahns Gattin an die Wand, die ihr Zimmer
von dem der Magistratsrätin Spatz trennte, und sagte:
»Wollen wir nicht ins Konversationszimmer hinuntergehen, Frau Rätin?
Ich weiß nicht mehr, was ich hier anfangen soll.«
»Sogleich, meine Liebe!« antwortete die Rätin. »Ich ziehe nur meine
Stiefel an, wenn Sie erlauben. Ich habe nämlich auf dem Bette gelegen,
müssen Sie wissen.«
Wie zu erwarten stand, war das Konversationszimmer leer. Die Damen
nahmen am Kamine Platz. Die Rätin Spatz stickte Blumen auf ein
Stück Stramin, und auch Herrn Klöterjahns Gattin tat ein paar Stiche,
worauf sie die Handarbeit in den Schoß sinken ließ und über die
Armlehne ihres Sessels hinweg ins Leere träumte. Schließlich machte
sie eine Bemerkung, die nicht lohnte, daß man ihretwegen die Zähne
voneinander tat; da
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