in langem schwarzen Rock und farbig punktierter
Weste.
Er war ungesellig und hielt mit keiner Seele Gemeinschaft. Nur
zuweilen konnte eine leutselige, liebevolle und überquel-lende
Stimmung ihn befallen, und das geschah jedesmal, wenn Herr Spinell
in ästhetischen Zustand verfiel, wenn der Anblick von irgend etwas
Schönem, der Zusammenklang zweier Farben, eine Vase von edler
Form, das vom Sonnenuntergang bestrahlte Gebirge ihn zu lauter
Bewunderung hinriß. »Wie schön!« sagte er dann, indem er den Kopf
auf die Seite legte, die Schultern emporzog, die Hände spreizte und
Nase und Lippen krauste. »Gott, sehen Sie, wie schön!« Und er war
imstande, blindlings die distinguiertesten Herrschaften, ob Mann oder
Weib, zu umhalsen in der Bewegung solcher Augenblicke...
Beständig lag auf seinem Tische, für jeden sichtbar, der sein Zimmer
betrat, das Buch, das er geschrieben hatte. Es war ein Roman von
mäßigem Umfange, mit einer vollkommen verwirrenden
Umschlagzeichnung versehen und gedruckt auf einer Art von
Kaffee-Sieb-Papier mit Buchstaben, von denen ein jeder aussah wie
eine gotische Kathedrale. Fräulein von Osterloh hatte es in einer
müßigen Viertelstunde gelesen und fand es »raffiniert«, was ihre Form
war, das Urteil »unmenschlich langweilig« zu umschreiben. Es spielte
in mondänen Salons, in üppigen Frauengemächern, die voller erlesener
Gegenstände waren, voll von Gobelins, uralten Meubles, köstlichem
Porzellan, unbezahlbaren Stoffen und künstlerischen Kleinodien aller
Art. Auf die Schilderung dieser Dinge war der liebevollste Wert gelegt,
und beständig sah man dabei Herrn Spinell, wie er die Nase kraus zog
und sagte: »Wie schön! Gott, sehen Sie, wie schön!« ... Übrigens mußte
es wundernehmen, daß er noch nicht mehr Bücher verfaßt hatte als
dieses eine, denn augenscheinlich schrieb er mit Leidenschaft. Er
verbrachte den größeren Teil des Tages schreibend auf seinem Zimmer
und ließ außerordentlich viele Briefe zur Post befördern, fast täglich
einen oder zwei, -- wobei es nur als befremdend und belustigend auffiel,
daß er seinerseits höchst selten welche empfing...
5
Herr Spinell saß der Gattin Herrn Klöterjahns bei Tische gegenüber.
Zur ersten Mahlzeit, an der die Herrschaften teilnahmen, erschien er ein
wenig zu spät in dem großen Speisesaal im Erdgeschoß des
Seitenflügels, sprach mit weicher Stimme einen an alle gerichteten
Gruß und begab sich an seinen Platz, worauf Doktor Leander ihn ohne
viel Zeremonie den neu Angekommenen vorstellte. Er verbeugte sich
und begann dann, offenbar ein wenig verlegen, zu essen, indem er
Messer und Gabel mit seinen großen, weißen und schön geformten
Händen, die aus sehr engen Ärmeln hervorsahen, in ziemlich
affektierter Weise bewegte. Später ward er frei und betrachtete in
Gelassenheit abwechselnd Herrn Klöterjahn und seine Gattin. Auch
richtete Herr Klöterjahn im Verlaufe der Mahlzeit einige Fragen und
Bemerkungen betreffend die Anlage und das Klima von >Einfried< an
ihn, in die seine Frau in ihrer lieblichen Art zwei oder drei Worte
einfließen ließ, und die Herr Spinell höflich beantwortete. Seine
Stimme war mild und recht angenehm; aber er hatte eine etwas
behinderte und schlürfende Art zu sprechen, als seien seine Zähne der
Zunge im Wege.
Nach Tische, als man ins Konversationszimmer hinübergegangen war
und Doktor Leander den neuen Gästen im besonderen eine gesegnete
Mahlzeit wünschte, erkundigte sich Herrn Klöterjahns Gattin nach
ihrem Gegenüber.
»Wie heißt der Herr?« fragte sie ... »Spinelli? Ich habe den Namen
nicht verstanden.«
»Spinell ... nicht Spinelli, gnädige Frau. Nein, er ist kein Italiener,
sondern bloß aus Lemberg gebürtig, soviel ich weiß ...«
»Was sagten Sie? Er ist Schriftsteller? Oder was?« fragte Herr
Klöterjahn; er hielt die Hände in den Taschen seiner bequemen
englischen Hose, neigte sein Ohr dem Doktor zu und öffnete, wie
manche Leute pflegen, den Mund beim Horchen.
»Ja, ich weiß nicht, -- er schreibt ...« antwortete Doktor Leander. »Er
hat, glaube ich, ein Buch veröffentlicht, eine Art Roman, ich weiß
wirklich nicht ...«
Dieses wiederholte »Ich weiß nicht« deutete an, daß Doktor Leander
keine großen Stüke auf den Schriftsteller hielt und jede Verantwortung
für ihn ablehnte.
»Aber das ist ja sehr interessant!« sagte Herrn Klöterjahns Gattin. Sie
hatte noch nie einen Schriftsteller von Angesicht zu Angesicht gesehen.
»O ja«, erwiderte Doktor Leander entgegenkommend. »Er soll sich
eines gewissen Rufes erfreuen ...« Dann wurde nicht mehr von dem
Schriftsteller gesprochen.
Aber ein wenig später, als die neuen Gäste sich zurückgezogen hatten
und Doktor Leander ebenfalls das Konversationszimmer verlassen
wollte, hielt Herr Spinell ihn zurük und erkundigte sich auch
seinerseits.
»Wie ist der Name des Paares?« fragte er ... »Ich habe natürlich nichts
verstanden.«
»Klöterjahn«, antwortete Doktor Leander und ging schon wieder.
»Wie heißt der Mann?« fragte Herr Spinell ...
»Klöterjahn heißen sie!« sagte Doktor Leander und ging seiner Wege.
-- Er hielt gar keine großen Stüke auf den Schriftsteller.
6
Waren wir schon soweit, daß Herr Klöterjahn in die Heimat
zurükgekehrt war? Ja, er weilte wieder am Ostseestrande, bei seinen
Geschäften und seinem Kinde, diesem rüksichtslosen und lebensvollen
kleinen Geschöpf, das seiner Mutter sehr viele Leiden und einen
kleinen Defekt an der Luftröhre gekostet hatte.
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