Strix | Page 8

Svend Fleuron
Er greift nach seinen Schuhen und nimmt Rei?aus über die Heide.
Alle Storcheneier waren heil geblieben -- er hatte für seine Verh?ltnisse einen ungew?hnlichen Fang gemacht!
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Jetzt ist er wieder hier in der Gegend.
Ein eifriger Sammler hat ihm einen hohen Preis für die Beschaffung eines vollen Geleges Eier von dem gro?en Uhu geboten. Für den Sammler gilt es, die Eier zu erlangen, solange der Vogel überhaupt noch vorhanden ist.
Aus seiner Knabenzeit und von seinen sp?teren zahlreichen Besuchen hier ist der kleine Leuchtturmw?rter mit sich im Klaren, wo ungef?hr er suchen mu?. Er geht geradeswegs nach der Stelle, wo er im vergangenen Jahr das Eulennest gefunden hat und beginnt von hier aus, den Wald in immer gr??eren Kreisen zu durchtraben.
Er ist eifrig. Dem kurzen Bein wird es schwer, Schritt zu halten, ihm mu? mit einem dicken, eisenbeschlagenen Eichenknittel nachgeholfen werden, dessen Krücke so gebogen ist, da? sich der Stock schnell in die Seitentasche einhaken l??t, wenn ?Vogel? die H?nde frei haben will. Er klopft an die St?mme und guckt in die Wipfel hinauf, er kratzt an den alten Eichenstubben und jagt den Stock bis an die Krücke unter alle Wegüberführungen und in die alten, mit Laub angefüllten Fuchsr?hren.
Strix liegt auf ihren Eiern wie ein Huhn, flach ausgestreckt -- mit gestr?ubten H?rnern ...
Schon aus weiter Ferne h?rt sie den eigenartigen Gang des Mannes.
Kla--datsch, klingt es, kla--datsch, kla--datsch ...
Als Strix eben flügge geworden und unbekannt mit der Welt war, hatte sie eines Tages ein possierliches Tier im Walde umhertrollen sehen. Es ging auf der hohen Kante und benutzte nur seine beiden hinteren Beine, die beiden andern baumelten an der Seite herab. Wieder und wieder kehrte es zurück, strich mit den Vorderpfoten an den B?umen entlang und sp?hte wie ein Hahn in die Wipfel hinauf. Strix hatte beobachtet, da? es eine ungew?hnliche F?higkeit besa?, die Farbe zu wechseln; bald war der Pelz grau, bald schwarz, bald beides ... es war ein Mensch.
Der Mensch hatte sich ein Nest aus Steinen zusammengetragen, das lag drau?en am Waldessaum und nicht weit von ihrem Horstbaum. Sie fand das Nest eines Abends und sah den Menschen hineingehen und vor ihren Augen verschwinden.
Lange Zeit blieb sie drau?en sitzen und starrte das Loch an, durch das der Mensch verschwunden war. Er war eine sonderbare Erscheinung, fand sie. Sein Gang und sein Treiben, sein scharfer Geruch erregten ihre ganze Neugier.
Sie konnte es nicht lassen, den Menschen anzusehen, ihm aus der Entfernung zu folgen, sie fürchtete ihn instinktiv, ohne sich erkl?ren zu k?nnen, weshalb, fühlte sich aber trotz alledem m?chtig von ihm angezogen. Er kam nie in Eile, der Mensch, nie pl?tzlich überraschend, wie das Raubtier, er trollte gleichsam umher und kümmerte sich nur um sich selbst. Er kn?hrte nicht wie der Hirsch, heulte nicht wie der Hund, er quakte im Grunde wie ein gro?er Frosch.
Nur selten geschah es, da? der Mensch des nachts ausging; geschah es aber, so sah Strix, wie er auf seinen n?chtlichen Wanderungen durch den stillen Wald gleichsam zum Narren gehalten wurde. Da ging er und stolperte schwerf?llig auf seinen Klumpfü?en und stie? bei jedem Schritt ein Stück Ast in die Erde -- kla-datsch klang es, kla-datsch -- w?hrend es rings umher in der Dunkelheit von neugierigen Tieren wimmelte. Alle kannten sie seine Unterlegenheit!
Der Fuchs lag hart am Wegrande zwischen den Farnen, der Rehbock stand nicht zwei Sprünge davon zwischen den St?mmen, der Marder guckte ruhig unter einem Stein hervor, und das Stachelschwein trabte in seinen Fu?stapfen und schnüffelte an seinen klappernden Ballen.
Alle hatten sie ihn lange, lange gesehen und geh?rt, ehe er vor ihnen stand; alle wu?ten sie, da? er in der Dunkelheit blind und taub war. Stand er aber pl?tzlich still, so erfa?te die ganze Schar ein Schrecken; Strix h?rte sie davonstürzen, und sie empfand selbst ein sonderbar beklemmendes Gefühl im Halse.
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Dasselbe beklemmende Gefühl stellt sich jetzt wieder ein, als sie pl?tzlich das Kla-datschen unter sich h?rt und den Menschen zwischen den St?mmen auftauchen sieht.
Sie dreht den Kopf ganz nach ihm herum ...
Aber was soll sie fürchten?
Sie hat ja ihren scharfen Schnabel und ihre spitzen F?nge; noch nie haben diese beiden m?chtigen Waffen sie im Stich gelassen, wenn Not am Mann war; die F?nge greifen fest zu und bohren sich ein Loch da, wo sie anpacken -- und der Schnabel gibt den F?ngen nichts nach.
Und dann hat sie ja die Flügel.
Wie sie hier so im Baum liegt und auf die Erde hinabsieht, fühlt sie sich dem gro?en, l?cherlichen Tier unendlich überlegen; sie kann sich ja von ihm weg emporschwingen und ihn unter sich kleiner und kleiner werden sehen. Auch das ist gleichsam eine Befreiung!
Nein, was soll sie fürchten! Sie hat den übermut und die Sicherheit aller gro?en V?gel, sie besitzt den Glauben an sich selbst und das Vertrauen zu den eigenen F?higkeiten und Kr?ften.
Da auf einmal f?ngt ihr Horstbaum an zu zittern und zu beben.
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