Siegfried, der Held, by Rudolf
Herzog
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Title: Siegfried, der Held
Author: Rudolf Herzog
Release Date: August 1, 2007 [EBook #22209]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SIEGFRIED,
DER HELD ***
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Siegfried, der Held
Der deutschen Jugend erzählt
Rudolf Herzog
Mit Bildern von Franz Stassen
Verlag von Ullstein & Co, Berlin 1912
Copyright 1911 by Ullstein & Co
1. Kapitel
Wie Siegfried jung war, zu Mime in die Lehre kam, den Drachen
erlegte und den Nibelungenschatz gewann
Wenn ihr den Rhein hinunterwandert, immer tiefer ins niederrheinische
Land hinein, seht ihr aus der schweigenden Ebene eine altertümliche
Stadt sich erheben, die zu träumen scheint. Xanten ist sie geheißen, und
sie träumt von ihrer großen Vergangenheit. Von alten, stolzen Zeiten,
da noch ein König hier herrschte weit bis nach Niederland hinein, da
noch die Drachenschiffe nordischer Seeräuber vom Meere heraufkamen
in den Rhein, und des Königs starke Ritter, die auf den Rheinwiesen
ihre Rosse im Turniere tummelten, die Feinde erschlugen und ersäuften,
daß es eine wilde Lust war. Hei, wie in den Heldentagen die Trompeten
jauchzten, die Schwerter blitzten und die Schilde krachten, als kämpfte
ein herrlich Gewitter rheinauf und rheinab.
Das war die Zeit, da dem König Siegmund und seiner Königin
Siegelinde ein Sohn geboren wurde, und weil nach heißen Siegen
Friede herrschte, so nannten sie ihn Siegfried.
Wie ein junger Baum, den die Gärtner mit Fleiß und Liebe hüten,
wuchs der Knabe auf. Spielend lernte er die Aufgaben, die seine Lehrer
ihm stellten, und war als Kind schon so klugen und hellen Geistes wie
wenige vor ihm und nach ihm. Das tat, daß er nach den Schulstunden
nicht in den Stuben hockte und sich nicht an Mutters Schürzenband
hängte, sondern wie ein rechter Knabe, der ein ganzer Mann zu werden
wünscht, durch Wiesen und Wälder rannte, die Stimmen aller Tiere
erforschte und die Geschichten, die der Wald erzählt und die Wellen
des Rheines raunen. So wurde nicht nur sein Körper stählern und
biegsam wie eine gute Klinge, sondern auch sein Blick wurde scharf
und sein Gehör hell und sein Denken rasch und sicher.
Mit zehn Jahren ritt er den wildesten Hengst ohne Zügel und Zaum,
beschlich ihn auf der Weide, warf sich auf seinen Rücken und bändigte
den rasend Dahinstürmenden mit eisernem Griff in die Mähne. Denn
Furcht war ihm fremd, und wer furchtlos ist, bleibt Sieger im Leben.
Mit zwölf Jahren besiegte er alle Edelknappen und Waffenknechte
seines Vaters, und mit vierzehn Jahren ritt er heimlich zum Turnier der
starken Ritter, mit geschlossenem Helmvisier, damit sie nicht wüßten,
daß es der Knabe Siegfried sei und sie ihn wegen seiner Jugend von der
Bahn verwiesen, legte den Speer ein, den er sich aus dem Stamme einer
jungen Esche geschnitzt hatte, und warf die stolzen Ritter aus dem
Sattel, daß sie aus ihren Panzerstücken herausgeschält werden mußten,
wie gesottene Krebse aus ihren Schalen.
Da trat er vor seinen Vater, den König, und bat ihn: »Laßt mich in die
Welt, Herr Vater, überall hin, wo Feinde sind und es für eine gute
Sache zu fechten gilt.«
Der König aber sprach: »Die Kraft allein tut's nicht, um die Feinde zu
bändigen, sondern ein weiser Sinn, der aus Feinden Freunde macht und
dem Lande die Segnungen des Friedens beschert. Werde älter, mein
Sohn, und du wirst mir meine Worte danken.«
Siegfried aber dachte: »Er hat gut reden, der Herr Vater, denn sein Bart
ist heute grau, und die Tage, in denen er selber mit Schwert und Speer
auf die Feinde rannte, liegen hinter ihm. Wenn es Abend ist, kommen
die Harfner in die Halle und singen von König Siegmunds Taten. Da ist
es leicht für ihn, zu verzichten und anderen vom Verzicht zu reden.«
Und er ging bekümmert umher und wußte nicht aus noch ein mit
seinem wachsenden Jugendmut.
An einem stürmischen Herbstabend hatte er sich wieder in die Halle
geschlichen, in der König Siegmund, von seinen Rittern umgeben,
thronte und das Trinkhorn kreisen ließ. Der Sänger saß mit der Harfe
auf den Stufen des Thrones. Er sang von den Kämpfen der Götter und
Menschen. Von den Helden sang er, die das Land befreit hatten von
Räubern und Drachen. Von den Mutigen und Starken, die mit dem
blanken Schwert ein Königreich erobert und die schönste Prinzessin zur
Frau gewonnen hatten. Und er sang das alte Lied von den Goldschätzen
des Zwergenkönigs Nibelung, die von Fafner, dem
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