Shakespeare und die Bacon-Mythen | Page 6

Kuno Fischer
von Bacon ausging, nicht jene Antwort gewesen, die er der K?nigin gab, sondern die Sache, die mit dem Proce? des Grafen zusammenhing, d. h. die Darstellung der Entthronung Richards II.; die Anderen aber, in deren Namen die Sache sp?ter umlief, seien _Dr._ Hayward und William Shakespeare. Hier also habe Bacon selbst bekannt, da? er "Richard II." verfa?t und aus Furcht vor dem Zorn der K?nigin sich hinter Shakespeare als seinen Strohmann versteckt habe.
Die offene Emp?rung des Grafen, die er mit seinem Tode als Hochverr?ther geb��?t hat, geschah am 8. Februar 1601. Am Nachmittag des 7. wurde vor den Verschworenen "Richard II." aufgef��hrt, um sie sehen zu lassen, wie man einen K?nig entthrone. Dieses St��ck war aber nicht, wie man vielfach angenommen hat--auch ich habe mich darin geirrt--, Shakespeares gleichnamige Historie, die auch zu dem revolution?ren Zweck schlecht gepa?t h?tte, sondern nach gerichtlicher Aussage und Feststellung ein altes St��ck (_old play_), das seine Zugkraft verloren hatte, weshalb den Schauspielern ein h?herer Preis f��r die Auff��hrung gezahlt wurde. [Fu?note: _A declaration of the practices and treasons attempted and committed by Robert late Earl of Essex and his complices etc. 1601. Works IX. p. 289-290_.]
Shakespeares "Richard II." war 1597 erschienen. Es ist schon deshalb unm?glich, da? Bacon aus Beweggr��nden der Furcht, wozu die Anl?sse erst in den Jahren 1599 bis 1601 eintreten konnten, schon drei Jahre vorher sich hinter Shakespeare versteckt haben soll.
Dies ist der Mythus von Bacon als dem Verfasser "Richards II.", noch dazu in staatsgef?hrlicher Absicht, die nie einem Menschen ferner lag, vielmehr so sehr zuwiderlief als ihm. Hier ist ein ganzes Nest von Bacon-Mythen, verworrener Chronologie und falschen Interpretationen!
Essex und seine Freunde, darunter der auch durch Shakespeare ber��hmte Graf Southampton, die Bacon gerichtlich hatte verfolgen m��ssen, waren am Hofe zu Edinburg bei Jakob VI., dem Sohne der Maria Stuart, dem Thronfolger der Elisabeth, wohl angesehen. Gleich nach dem Tode der K?nigin verfa?te Bacon jene Denkschrift, in der seiner dem Grafen Essex erwiesenen guten Gesinnungen und Dienste ausf��hrlich gedacht war, namentlich auch jenes Sonetts, das er zu Essex' Gunsten in der Stille von Twickenham Park gedichtet hatte. Jetzt war Zeit, daran zu erinnern. Er hatte im Interesse und Dienste des Grafen Essex auch Festspiele componirt, ohne sich als deren Verfasser zu r��hmen. Dies alles mochte dem Dichter John Davies bekannt sein, der ihm befreundet, bei K?nig Jakob beliebt und zu demselben gereist war. An diesen seinen Freund schrieb Bacon am 28. M?rz 1603 (gleich nach dem Tode der K?nigin) und empfahl sich ihm mit dem Wunsche, er m?ge heimlichen Dichtern gut sein (_desiring you to be good to concealed poets_). [Fu?note: _Works X, p. 65._ Vgl. den Brief an den Lord Southampton, _p. 75_.]
Dieses Schlu?wort des Briefchens erscheint unsern Baconianern au?erordentlich bedeutsam. Hier nennt sich Bacon selbst einen heimlichen Dichter, er l��ftet auf einen Augenblick den Schleier seines gro?en Geheimnisses, und man erkennt sogleich--die Z��ge Shakespeares!
4. Bacon "unter anderem Namen".
Die W��rden und Titel, welche Bacon auf der H?he seiner Laufbahn empfing, haben seinen Namen in gewisser Weise ver?ndert. Als er im Jahre 1618 "Bacon von Verulam" geworden war, schrieb er sich "Francis Verulam". Nachdem ihn der K?nig in den ersten Tagen des Jahres 1621, kurz vor seinem schm?hlichen Sturz, vor feierlich versammeltem Hofe zum "Viscount von St. Alban" erhoben hatte, hie? er und schrieb sich "Francis St. Alban". Der Name Bacon verschwindet hinter dem Titel und der W��rde des Pairs: derselbe verh?lt sich zu Verulam oder St. Alban, wie Cecil zu Salisbury, Pitt zu Chatham, Disraeli zu Beaconsfield. Niemand sagt "Pitt von Chatham", niemand sollte sagen "Bacon von Verulam", aber alle Welt braucht diese incorrecte Bezeichnung, selbst die Geschichte der Philosophie. Unter dem Namen "Bacon" oder "Bacon von Verulam" ist er weltber��hmt, unter dem Namen "St. Alban" kennt ihn so gut wie niemand.
Nun schreibt Toby Matthew, einer seiner vielj?hrigen und vertrautesten Freunde, der zur r?mischen Kirche bekehrte Sohn eines englischen Bischofs, im Jahre 1623 an ihn als "Viscount von St. Alban" und sagt (wahrscheinlich im Hinblick auf das eben damals in lateinischer Sprache in neun B��chern erschienene Hauptwerk) in der Nachschrift seines Briefes: "Der wunderbarste Geist, den ich in meiner Nation und diesseits der See kennen gelernt habe, ist von Eurer Lordschaft Namen, aber bekannt ist er unter einem andern".
Hier sehen unsre Baconianer den Schleier des gro?en Geheimnisses nicht blo? gel��ftet, sondern gefallen, und es erscheint--Shakespeare in Lebensgr??e! "Ein h?chst mysteri?ses Postscript (_most mysterious_)", sagt Mrs. Henry Pott. Wen anderen k?nnte "der andere Namen" bedeuten als Shakespeare?
Das R?thsel l?st sich, wie mir scheint, weit einfacher. Der Mann, dessen Werke die Welt kennt und bewundert, hei?t nicht Viscount von St. Alban, sondern Bacon.
IV. BACON ALS DRAMATISCHER GESCHICHTSSCHREIBER.
Zwischen den beiden Tetralogien von "Richard II." bis "Richard III." auf der einen Seite und "Heinrich VIII." auf der anderen liegt in der Reihenfolge der K?nige die Regierung Heinrichs VII., in der Reihenfolge der Dramen eine
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