von ihm durchprügeln zu lassen, und ließ ihn gewähren, versuchte
jedoch zugleich, ihn über das Ereignis aufzuklären, was freilich nur
dazu führte, daß er mich, wenn er seinen Armen ein wenig Ruhe gönnte,
einen doppelten und dreifachen Windbeutel nannte und dann wieder
mit erneuter Wut auf mich losschlug. Endlich packte er mich gar bei
der Kehle und gab sich alle Mühe, mich niederzuwerfen; es hatte den
ganzen Tag geregnet, die Erde war kotig, und wer seinen besten Rock
trug, wie ich, mußte jede Berührung mit ihr, ausgenommen diejenige,
der man nicht ausweichen kann, scheuen. Ich konnte daher nicht länger
umhin, dem unsinnigen Menschen, dem ich an Leibesstärke überlegen
war, einen Schlag zu versetzen, und gab ihm einen ins Gesicht, hatte es
aber kaum getan, als ich's auch schon bereute: denn ich hatte ihn gerade
auf die Nase getroffen, und er stürzte lautlos, wie ein Ochs von der Axt
des Metzgers, zu Boden. Ich glaubte, ein unfreiwilliger Mörder
geworden zu sein und verfluchte mein Schicksal; denn ich erinnerte
mich von meiner Wanderschaft her eines Falls, wo ein Schmied im
Streite einen Schneider durch einen einzigen Schlag getötet hatte, und
ich wußte, was meine Faust vermochte, wenn ich ordentlich damit
ausholte. Ich schwur dem Himmel, noch denselben Abend, falls es
verlangt würde, mit Lene Hochzeit zu machen, wenn er den Menschen
wieder auferwecke; ich schwur dem Menschen, das Mädchen mit
keinem Auge mehr anzusehen, wenn er von selbst wieder aufstehe, und
ich wurde mir des Widerspruchs zwischen beiden Schwüren gar nicht
bewußt. Ich fing an, mich nach Dingen zu sehnen, wonach sich wohl
noch niemand gesehnt hat: nach einem Lümmel aus dem Munde
meines Feindes, nach einem Hungerleider, ja nach einer Ohrfeige und
einem Fußtritt. Zuletzt trat ich, um zu erproben, ob noch Leben in ihm
sei, ihm derb auf die ausgestreckt daliegende Hand. Da richtete er sich
schnell etwas empor und biß mich, um mir den Beweis gründlich zu
geben, ins Bein. Es tat sehr weh, und ich stieß einen lauten Schrei aus,
doch innerlich freute ich mich über diesen Biß. Nun nieste er, sprang
auf und drang wieder auf mich ein. Um ihn nicht doch noch
totzuschlagen, macht' ich mich auf die Füße und langte, verstörter wie
jemals, bei meiner Mutter an. Sie kam mir auf der Flur mit brennender
Lampe entgegen und empfing mich mit ärgerlich-freundlichem Gesicht.
"Wo bist du gewesen?" rief sie mir zu, konnte aber ein dumm-kluges
Lächeln nicht unterdrücken, voraus und sah, daß ich die Frage nicht zu
beantworten brauchte. Ich zeigte auf mein blutendes Bein und sagte:
"Gott vergebe dir, was du an mir getan hast!" Dann ging ich, ohne ihr
weiter Rede zu stehen, in meine Schlafkammer, riegelte mich ein und
öffnete ihr nicht einmal die Tür, als sie mir altes Leinen zum Verband
der Wunde brachte, sondern zerriß zu diesem Zweck in meiner
Erbitterung ein ganz neues Hemd. Übrigens schlief ich in der auf
diesen Abend folgenden Nacht besser, als man vielleicht erwartet, was
ich dem Umstand beimesse, daß es bis Allerheiligen noch ein volles
Vierteljahr hin war. Wer es, wie ich, so lange Zeit vorher weiß, wann er
in den Ehestand eintreten muß, der wird, wenn er nicht ganz und gar
auf den Kopf gefallen ist, nicht blindlings hineinrennen, wie der Fuchs
in die Falle, er wird mit Umsicht und Bedächtigkeit zu Werke gehen
und jede Vorsichtsmaßregel ergreifen, die dem Menschen in solcher
Lage zu Gebote steht. Mein erstes gleich nach dem schauerlichen
Verlobungsabend war, meiner Braut die Überzeugung beizubringen,
daß es mir an körperlichen Kräften nicht mangle. Ich trug, wenn ich sie
bei meiner Mutter oder sonst in der Nähe wußte, dicke Balken, rammte
ohne Beihilfe des Gesellen mit großer Mühe Pfähle ein, ja, eines
Nachmittags schleppte ich die ganz schwere Hobelbank von
Eichenholz auf dem Rücken fort, was eine Pferdearbeit war. Ebenso
stellt' ich mich bei schicklichen Gelegenheiten, als ob ich sehr hitzigen
auffahrenden Temperaments wäre; als mich einmal eine Mücke ins
Gesicht stach, fluchte ich barbarisch und versetzte mir, anscheinend der
Mücke wegen, einen so grimmigen Schlag auf die Nase, daß Blut floß;
auf eine Maus, die eines Morgens in der Küche, wo Lene meiner
Mutter beim Gänserupfen half, zum Vorschein kam, fuhr ich mit einem
Lärm los, daß beide Frauenzimmer laut aufschrien, und gleich darauf
dreht' ich einem schreienden jungen Kätzchen, das ich getreten hatte,
den Hals um, wobei es mich stark kratzte. Mehrere Male stieß ich einen
alten Bettler, nachdem ich ihm zuvor heimlich einen Schilling
zusteckte, damit er es sich gefallen lasse, zur Tür hinaus; meinen
Lehrjungen schalt ich einst, noch vor dem Frühstück, einen
Ochsenkopf und drohte ihm, ich wollte ihn hinterm Schornstein
aufhenken, worüber der kleine Knirps so erschrak, daß er mir selbst
leid tat. "Bist du so voll Galle?" fragte mich Lene, mir die Hand
drückend, als ob's ihr sehr gefiele. "Wie man's nehmen will!"
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