Satyros oder Der vergoetterte Waldteufel | Page 3

J.W. Goethe
die Landesart.
Satyros. Und einen laecherlich krausen Bart.
Arsinoe [leise zu Psyche]. Dem Fratzen da ist gar nichts recht.
Psyche. O Kind! er ist von einem Goettergeschlecht.
Hermes. Ihr scheint mir auch so wunderbar.
Satyros. Siehst an mein ungekaemmtes Haar, Meine nackte Schultern,
Brust und Lenden, Meine lange Naegel an den Haenden; Da ekelt dir's
vielleicht dafuer?
Hermes. Mir nicht!
Psyche. Mir auch nicht.
Arsinoe [fuer sich]. Aber mir!
Satyros. Ich wollt sonst schnell von hinnen eilen Und in dem Wald mit

den Woelfen heulen, Wenn ihr euer unselig Geschick Wolltet waehnen
fuer Gut und Glueck, Eure Kleider, die euch beschimpfen, Mir als
Vorzug entgegenruempfen.
Hermes. Herr! es ist eine Notwendigkeit.
Psyche. O, wie beschwert mich schon mein Kleid!
Satyros. Was Not! Gewohnheitsposse nur, Fernt euch von Wahrheit
und Natur, Drin doch alleine Seligkeit Besteht, und
Lebens-Liebens-Freud; Seid all zur Sklaverei verdammt, Nichts Ganzes
habt ihr allzusamt!
[Es draengt sich allerlei Volks zusammen.]
Einer aus dem Volk. Wer mag der maechtig Redner sein?
Ein Anderer. Einem dringt das Wort durch Mark und Bein.
Satyros. Habt eures Ursprungs vergessen, Euch zu Sklaven versessen,
Euch in Haeuser gemauert, Euch in Sitten vertrauert, Kennt die goldnen
Zeiten Nur aus Maerchen, von weiten.
Das Volk. Weh uns! Weh!
Satyros. Da eure Vaeter neugeboren Vom Boden aufsprangen, In
Wonnetaumel verloren Willkommelied sangen, An mitgeborner Gattin
Brust, Der rings aufkeimenden Natur, Ohne Neid gen Himmel blickten,
Sich zu Goettern entzueckten. Und ihr - wo ist sie hin, die Lust An sich
selbst? Siechlinge, verbannet nur!
Das Volk. Weh! Weh!
Satyros. Selig, wer fuehlen kann, Was sei :Gott sein! Mann! Seinem
Busen vertraut, Entaeussert bis auf die Haut Sich alles fremden
Schmucks, Und nun ledig des Drucks Gehaeufter Kleinigkeiten, frei
Wie Wolken, fuehlt was Leben sei! Stehn auf seinen Fuessen, Der Erde
geniessen, Nicht kraenklich erwaehlen, Mit Bereiten sich quaelen; Der
Baum wird zum Zelte, Zum Teppich das Gras, Und rohe Kastanien Ein

herrlicher Frass!
Das Volk. Rohe Kastanien! O haetten wir's schon!
Satyros. Was haelt euch zuruecke Vom himmlischen Gluecke? Was
haelt euch davon?
Das Volk. Rohe Kastanien! Jupiters Sohn!
Satyros. Folgt mir, ihr Werten! Herren der Erden! Alle gesellt!
Das Volk. Rohe Kastanien! Unser die Welt!
Ende des dritten Aktes.

Vierter Akt
Im Wald
[Satyros, Hermes, Psyche, Arsinoe, Das Volk sitzen in einem Kreise
alle gekauert wie die Eichhoernchen, haben Kastanien in den Haenden
und nagen daran.]
Hermes [fuer sich]. Sackerment! ich habe schon Von der neuen
Religion Eine verfluchte Indigestion!
Satyros. Und bereitet zu dem tiefen Gang Aller Erkenntnis, horchet
meinem Gesang! Vernehmet, wie im Unding Alles durcheinander ging;
Im verschlossnen Hass die Elemente tosend, Und Kraft an Kraeften
widrig von sich stossend, Ohne Feindsband, ohne Freundsband, Ohne
Zerstoeren, ohne Vermehren.
Das Volk. Lehr uns, wir hoeren!
Satyros. Wie im Unding das Urding erquoll, Lichtsmacht durch die
Nacht scholl, Durchdrang die Tiefen der Wesen all, Dass aufkeimte
Begehrungsschwall Und die Elemente sich erschlossen, Mit Hunger

ineinander ergossen, Alldurchdringend, alldurchdrungen.
Hermes. Des Mannes Geist ist von Goettern entsprungen.
Satyros. Wie sich Hass und Lieb gebar Und das All nun ein Ganzes war,
Und das Ganze klang In lebend wirkendem Ebengesang, Sich taete
Kraft in Kraft verzehren, Sich taete Kraft in Kraft vermehren, Und auf
und ab sich rollend ging Das all und ein und ewig Ding, Immer
veraendert, immer bestaendig!
Das Volk. Es ist ein Gott!
Hermes. Wie wird die Seele lebendig Vom Feuer seiner Rede!
Das Volk. Gott! Gott!
Psyche. Heiliger Prophete! Gottheit! an deinen Worten, an deinen
Blicken Ich sterbe fuer Entzuecken!
Das Volk. Sinkt nieder! Betet an!
Einer. Sei uns gnaedig!
Ein Andrer. Wundertaetig Und herrlich!
Das Volk. Nimm dies Opfer an!
Einer. Die Finsternis ist vergangen.
Das Volk. Nimm dies Opfer an!
Einer. Der Tag bricht herein.
Das Volk. Wir sind dein! Gott, dein! ganz dein!
[Der Einsiedler kommt durch den Wald gerade auf den Satyros zu.]
Einsiedler. Ah, saubrer Gast! find' ich dich hier, Du ungezogen
schaendlich Tier!

Satyros. Mit wem sprichst du?
Einsiedler. Mit dir! Wer hat bestohlen mich undankbar? Meines Gottes
Bild geraubet gar? Du hinkender Teufel!
Das Volk. Hoellenspott! Er laestert unsern herrlichen Gott!
Einsiedler. Du wirst von keiner Schande rot.
Das Volk. Der Laestrer hat verdient den Tod. Steinigt ihn!
Satyros. Haltet ein! Ich will nicht dabei zu gegen sein.
Das Volk. Sein unrein Blut, du himmlisch Licht, Fliess fern von
deinem Angesicht!
Satyros. Ich gehe!
Das Volk. Doch verlass uns nicht!
[Satyros ab.]
Einsiedler. Seid ihr toll?
Hermes. Unseliger, kein Wort! Bringt ihn an einen sichern Ort! Geht,
verschliesst ihn in meine Wohnung.
[Sie fuehren den Einsiedler ab.]
Das Volk. Sterben soll er!
Hermes. Er verdient keine Schonung. Und zu versuehnen den
himmlischen Geist, Der uns sich so gnaedig und liebreich erweist,
Wollen wir ihm unsern Tempel weihn Und mit dem blutigen Opfer
erfreun.
Das Volk. Wohl! Wohl!
Hermes. Zur Gottheit Fuessen Den Frevel zu buessen.

Das Volk. Das
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