Roemische Geschichte, Band 5 | Page 9

Theodor Mommsen
nicht, dies Ziel zu erreichen; aber er hatte ja schon manches grossartige Gesellschaftsgeschaeft gemacht: es war nicht unmoeglich, dass auch hierfuer ein passender Teilnehmer sich darbot. Es gehoerte zur Signatur der Zeit, dass ein mittelmaessiger Redner und Offizier, ein Politiker, der seine Ruehrigkeit fuer Energie, seine Begehrlichkeit fuer Ehrgeiz hielt, der im Grunde nichts hatte als ein kolossales Vermoegen und das kaufmaennische Talent, Verbindungen anzuknuepfen - dass ein solcher Mann, gestuetzt auf die Allmacht der Koterien und Intrigen, den ersten Feldherren und Staatsmaennern der Zeit sich ebenbuertig achten und mit ihnen um den hoechsten Preis ringen durfte, der dem politischen Ehrgeiz winkt. In der eigentlichen Opposition, sowohl unter den liberalen Konservativen als unter den Popuhren, hatten die Stuerme der Revolution mit erschreckender Gruendlichkeit aufgeraeumt. Unter jenen war der einzig uebriggebliebene namhafte Mann Gaius Cotta (630 bis ca. 681 124 -73), der Freund und Bundesgenosse des Drusus und deswegen im Jahre 663 (91) verbannt, sodann durch Sullas Krieg zurueckgefuehrt in die Heimat; er war ein kluger Mann und ein tuechtiger Anwalt, aber weder durch das Gewicht seiner Partei noch durch das seiner Persoenlichkeit zu mehr berufen als zu einer achtbaren Nebenrolle. In der demokratischen Partei zog unter dem jungen Nachwuchs der vierundzwanzigjaehrige Gaius Iulius Caesar (geb. 12. Juli 652? 102) ^2 die Blicke von Freund und Feind auf sich. Seine Verschwaegerung mit Marius und Cinna - seines Vaters Schwester war Marius' Gemahlin gewesen, er selbst mit Cinnas Tochter vermaehlt -; die mutige Weigerung des kaum dem Knabenalter entwachsenen Juenglings, nach dem Befehl des Diktators seiner jungen Gemahlin Cornelia den Scheidebrief zuzusenden, wie es doch im gleichen Falle Pompeius getan; ein keckes Beharren auf dem ihm von Marius zugeteilten, von Sulla aber wieder aberkannten Priesteramt; seine Irrfahrten waehrend der ihm drohenden und muehsam durch Fuerbitte seiner Verwandten abgewandten Aechtung; seiner Tapferkeit in den Gefechten vor Mytilene und in Kilikien, die dem zaertlich erzogenen und fast weiblich stutzerhaften Knaben niemand zugetraut hatte; selbst die Warnungen Sullas vor dem "Knaben im Unterrock", in dem mehr als ein Marius stecke - alles dies waren ebenso viele Empfehlungen in den Augen der demokratischen Partei. Indes an Caesar konnten doch nur Hoffnungen fuer die Zukunft sich knuepfen; und die Maenner, die durch ihr Alter und ihre Stellung im Staat schon jetzt berufen gewesen sein wuerden, der Zuegel der Partei und des Staates sich zu bemaechtigen, waren saemtliche tot oder geaechtet. So war die Fuehrerschaft der Demokratie in Ermangelung eines wahrhaft Berufenen fuer jeden zu haben, dem es belieben mochte, sich zum Vertreter der unterdrueckten Volksfreiheit aufzuwerfen; und in dieser Weise kam sie an Marcus Aemilius Lepidus, einen Sullaner, der aus mehr als zweideutigen Beweggruenden ueberging in das Lager der Demokratie. Einst ein eifriger Optimat und stark beteiligt bei den ueber die Gueter der Geaechteten abgehaltenen Auktionen, hatte er als Statthalter von Sizilien die Provinz so arg gepluendert, dass ihm eine Anklage drohte, und, um dieser zu entgehen, sich in die Opposition geworfen. Es war ein Gewinn von zweifelhaftem Werte. Zwar ein bekannter Name, ein vornehmer Mann, ein hitziger Redner auf dem Markt war damit der Opposition erworben; aber Lepidus war ein unbedeutender und unbesonnener Kopf, der weder im Rate noch im Felde verdiente, an der Spitze zu stehen. Nichtsdestoweniger hiess die Opposition ihn willkommen, und dem neuen Demokratenfuehrer gelang es nicht bloss, seine Anklaeger von der Fortsetzung des gegen ihn begonnenen Angriffs abzuschrecken, sondern auch, seine Wahl zum Konsul fuer 676 (78) durchzusetzen, wobei ihm uebrigens ausser den in Sizilien erpressten Schaetzen auch Pompeius' albernes Bestreben foerderlich war, bei dieser Gelegenheit Sulla und den reinen Sullanern zu zeigen, was er vermoege. Da also, als Sulla starb, die Opposition an Lepidus wieder ein Haupt gefunden hatte und da dieser ihr Fuehrer der hoechste Beamte des Staats geworden war, so liess sich der nahe Ausbruch einer neuen Revolution in der Hauptstadt mit Sicherheit vorhersehen. ------------------------------------------------------ ^2 Als Caesars Geburtsjahr pflegt man das Jahr 654 (100) anzusetzen, weil er nach Sueton (Caes. 88), Plutarch (Caes. 69) und Appian (civ. 2 149) bei seinem Tode (15. Maerz 710 44) im 56. Jahre stand; womit auch die Angabe, dass er zur Zeit der Sullanischen Proskription (672 82) achtzehn Jahre alt gewesen (Vell. 2, 41), ungefaehr uebereinstimmt. Aber in unaufloeslichem Widerspruch damit steht es, dass Caesar im Jahre 689 (65) die Aedilitaet, 692 (62) die Praetur, 695 (59) das Konsulat bekleidet hat und jene Aemter nach den Annalgesetzen fruehestens resp. im 37/38., 40/41. und 43/44. Lebensjahr bekleidet werden durften. Es ist nicht abzusehen, wie Caesar saemtliche kurulischen Aemter zwei Jahre vor der gesetzlichen Zeit bekleidet haben, noch weniger, dass hiervon nirgends Erwaehnung geschehen sein sollte. Vielmehr legen diese Tatsachen die Vermutung nahe, dass er, da sein Geburtstag unbezweifelt auf den 12. Juli fiel, nicht 654 (100), sondern 652 (102) geboren ist, also im Jahre 672 (82) im 20/21. Lebensjahre stand und nicht im
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 284
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.