Roemische Geschichte, Band 2 | Page 5

Theodor Mommsen
das Recht gehabt habe, die Kurien zu berufen. Offenbar ist diese ganze Angabe zum Zweck der Herstellung eines Rechtsbodens fuer die roemische Republik ersonnen, und recht schlecht ersonnen, indem dabei der tribunus celerum mit dem ganz verschiedenen magister equitum verwechselt und dann das dem letzteren kraft seines praetorischen Ranges zustehende Recht, die Zenturien zu berufen, auf die Kurienversammlung bezogen ward. ---------------------------------------------- Sind wir ueber den historischen Zusammenhang dieses wichtigen Ereignisses im Dunkeln, so liegt dagegen zum Glueck klar vor, worin die Verfassungsaenderung bestand. Die Koenigsgewalt ward keineswegs abgeschafft, wie schon das beweist, dass in der Vakanz nach wie vor der "Zwischenkoenig" eintrat; es traten nur an die Stelle des einen lebenslaenglichen zwei Jahreskoenige, die sich Feldherren (praetores) oder Richter (iudices) oder auch bloss Kollegen (consules) ^2 nannten. Es sind die Prinzipien der Kollegialitaet und der Annuitaet, die die Republik und das Koenigtum unterscheiden und die hier zuerst uns entgegentreten. ------------------------------------ ^2 Consules sind die zusammen Springenden oder Tanzenden, wie praesul der Vorspringen exul der Ausspringer (o ekpes/o/n), insula der Einsprung, zunaechst der ins Meer gefallene Felsblock. ------------------------------------ Dasjenige der Kollegialitaet, dem der dritte spaeterhin gangbarste Name der Jahreskoenige entlehnt war, erscheint hier in einer ganz eigentuemlichen Gestalt. Nicht den beiden Beamten zusammen ward die hoechste Macht uebertragen, sondern es hatte und uebte sie jeder Konsul fuer sich so voll und ganz, wie der Koenig sie gehabt und geuebt hatte. Es geht dies so weit, dass von den beiden Kollegen nicht etwa der eine die Rechtspflege, der andere den Heerbefehl uebernahm, sondern sie ebenso gleichzeitig in der Stadt Recht sprachen wie zusammen zum Heere abgingen; im Falle der Kollision entschied ein nach Monaten oder Tagen bemessener Turnus. Allerdings konnte daneben, wenigstens im militaerischen Oberbefehl, eine gewisse Kompetenzteilung wohl von Anfang an stattfinden, beispielsweise der eine Konsul gegen die Aequer, der andere gegen die Volsker ausruecken; aber sie hatte in keiner Weise bindende Kraft und jedem der Kollegen stand es rechtlich frei, in den Amtskreis des andern zu jeder Zeit ueberzugreifen. Wo also die hoechste Gewalt der hoechsten Gewalt entgegentrat und der eine Kollege das verbot, was der andere befahl, hoben die konsularischen Machtworte einander auf. Diese eigentuemlich wenn nicht roemische, so doch latinische Institution konkurrierender hoechster Gewalt, die im roemischen Gemeinwesen sich im ganzen genommen praktisch bewaehrt hat, zu der es aber schwer sein wird, in einem andern groesseren Staat eine Parallele zu finden, ist offenbar hervorgegangen aus dem Bestreben, die koenigliche Macht in rechtlich ungeschmaelerter Fuelle festzuhalten und darum das Koenigsamt nicht etwa zu teilen oder von einem Individuum auf ein Kollegium zu uebertragen, sondern lediglich es zu verdoppeln und damit, wo es noetig war, es durch sich selber zu vernichten. Fuer die Befristung gab das aeltere fuenftaegige Zwischenkoenigtum einen rechtlichen Anhalt. Die ordentlichen Gemeindevorsteher wurden verpflichtet, nicht laenger als ein Jahr, von dem Tage ihres Amtsantritts an gerechnet ^3, im Amte zu bleiben und hoerten, wie der Interrex mit Ablauf der fuenf Tage, so mit Ablauf des Jahres vor. Rechts wegen auf, Beamte zu sein. Durch diese Befristung des hoechsten Amtes ging die tatsaechliche Unverantwortlichkeit des Koenigs fuer den Konsul verloren. Zwar hatte auch der Koenig von jeher in dem roemischen Gemeinwesen unter, nicht ueber dem Gesetz gestanden; allein da nach roemischer Auffassung der hoechste Richter nicht bei sich selbst belangt werden durfte, hatte er wohl ein Verbrechen begehen koennen, aber ein Gericht und eine Strafe gab es fuer ihn nicht. Den Konsul dagegen schuetzte, wenn er Mord oder Landesverrat beging, sein Amt auch, aber nur, solange es waehrte; nach seinem Ruecktritt unterlag er dem gewoehnlichen Strafgericht wie jeder andere Buerger. --------------------------------------------------- ^3 Der Antrittstag fiel mit dem Jahresanfang (1. Maerz) nicht zusammen und war ueberhaupt nicht fest. Nach diesem richtete sich der Ruecktrittstag, ausgenommen, wenn ein Konsul ausdruecklich anstatt eines ausgefallenen gewaehlt war (consul suffectus), wo er in die Rechte und also auch in die Frist des Ausgefallenen eintrat. Doch sind diese Ersatzkonsuln in aelterer Zeit nur vorgekommen, wenn bloss der eine der Konsuln weggefallen war; Kollegien von Ersatzkonsuln begegnen erst in der spaeteren Republik. Regelmaessig bestand also das Amtsjahr eines Konsuls aus den ungleichen Haelften zweier buergerlicher Jahre. -------------------------------------------------- Zu diesen hauptsaechlichen und prinzipiellen Aenderungen kamen andere untergeordnete und mehr aeusserliche, aber doch auch teilweise tief eingreifende Beschraenkungen hinzu. Das Recht des Koenigs, seine Aecker durch Buergerfronden zu bestellen, und das besondere Schutzverhaeltnis, in welchem die Insassenschaft zu dem Koenig gestanden haben muss, fielen mit der Lebenslaenglichkeit des Amtes von selber. Hatte ferner im Kriminalprozess sowie bei Bussen und Leibesstrafen bisher dem Koenig nicht bloss Untersuchung und Entscheidung der Sache zugestanden, sondern auch die Entscheidung darueber, ob der Verurteilte den Gnadenweg betreten duerfe oder nicht, so bestimmte jetzt das Valerische Gesetz (Jahr 245 Roms 500), dass der Konsul der Provokation des Verurteilten stattgeben muesse, wenn auf Todes- oder Leibesstrafe nicht nach Kriegsrecht erkannt war; was durch ein
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