derjenige als eine Einheit gelten, dessen Hoehepunkt die Namen Theben, Karthago, Athen und Rom bezeichnen. Es haben jene vier Nationen, nachdem jede von ihnen auf eigener Bahn zu einer eigentuemlichen und grossartigen Zivilisation gelangt war, in mannigfaltigster Wechselbeziehung zueinander alle Elemente der Menschennatur scharf und reich durchgearbeitet und entwickelt, bis auch dieser Kreis erfuellt war, bis neue Voelkerschaften, die bis dahin das Gebiet der Mittelmeerstaaten nur wie die Wellen den Strand umspuelt hatten, sich ueber beide Ufer ergossen und, indem sie die Suedkueste geschichtlich trennten von der noerdlichen, den Schwerpunkt der Zivilisation verlegten vom Mittelmeer an den Atlantischen Ozean. So scheidet sich die alte Geschichte von der neuen nicht bloss zufaellig und chronologisch; was wir die neue Geschichte nennen, ist in der Tat die Gestaltung eines neuen Kulturkreises, der in mehreren seiner Entwicklungsepochen wohl anschliesst an die untergehende oder untergegangene Zivilisation der Mittelmeerstaaten wie diese an die aelteste indogermanische, aber auch wie diese bestimmt ist, eine eigene Bahn zu durchmessen und Voelkerglueck und Voelkerleid im vollen Masse zu erproben: die Epochen der Entwicklung, der Vollkraft und des Alters, die beglueckende Muehe des Schaffens in Religion, Staat und Kunst, den bequemen Genuss erworbenen materiellen und geistigen Besitzes, vielleicht auch dereinst das Versiegen der schaffenden Kraft in der satten Befriedigung des erreichten Zieles. Aber auch dieses Ziel wird nur ein vorlaeufiges sein; das grossartigste Zivilisationssystem hat seine Peripherie und kann sie erfuellen, nimmer aber das Geschlecht der Menschen, dem, so wie es am Ziele zu stehen scheint, die alte Aufgabe auf weiterem Felde und in hoeherem Sinne neu gestellt wird. Unsere Aufgabe ist die Darstellung des letzten Akts jenes grossen weltgeschichtlichen Schauspiels, die alte Geschichte der mittleren unter den drei Halbinseln, die vom noerdlichen Kontinent aus sich in das Mittelmeer erstrecken. Sie wird gebildet durch die von den westlichen Alpen aus nach Sueden sich verzweigenden Gebirge. Der Apennin streicht zunaechst in suedoestlicher Richtung zwischen dem breiteren westlichen und dem schmalen oestlichen Busen des Mittelmeers, an welchen letzteren hinantretend er seine hoechste, kaum indes zu der Linie des ewigen Schnees hinansteigende Erhebung in den Abruzzen erreicht. Von den Abruzzen aus setzt das Gebirge sich in suedlicher Richtung fort, anfangs ungeteilt und von betraechtlicher Hoehe; nach einer Einsattlung, die eine Huegellandschaft bildet, spaltet es sich in einen flacheren suedoestlichen und einen steileren suedlichen Hoehenzug und schliesst dort wie hier mit der Bildung zweier schmaler Halbinseln ab. Das noerdlich zwischen Alpen und Apennin bis zu den Abruzzen hinab sich ausbreitende Flachland gehoert geographisch und bis in sehr spaete Zeit auch historisch nicht zu dem suedlichen Berg- und Huegelland, demjenigen Italien, dessen Geschichte uns hier beschaeftigt. Erst im siebenten Jahrhundert Roms wurde das Kuestenland von Sinigaglia bis Rimini, erst im achten das Potal Italien einverleibt; die alte Nordgrenze Italiens sind also nicht die Alpen, sondern der Apennin. Dieser steigt von keiner Seite in steiler Kette empor, sondern breit durch das Land gelagert und vielfache, durch maessige Paesse verbundene Taeler und Hochebenen einschliessend gewaehrt er selbst den Menschen eine wohl geeignete Ansiedelungsstaette, und mehr noch gilt dies von dem oestlich, suedlich und westlich an ihn sich anschliessenden Vor- und Kuestenland. Zwar an der oestlichen Kueste dehnt sich, gegen Norden von dem Bergstock der Abruzzen geschlossen und nur von dem steilen Ruecken des Garganus inselartig unterbrochen, die apulische Ebene in einfoermiger Flaeche mit schwach entwickelter Kuesten- und Strombildung aus. An der Suedkueste aber zwischen den beiden Halbinseln, mit denen der Apennin endigt, lehnt sich an das innere Huegelland eine ausgedehnte Niederung, die zwar an Haefen arm, aber wasserreich und fruchtbar ist. Die Westkueste endlich, ein breites, von bedeutenden Stroemen, namentlich dem Tiber, durchschnittenes, von den Fluten und den einst zahlreichen Vulkanen in mannigfaltigster Tal- und Huegel-, Hafen- und Inselbildung entwickeltes Gebiet, bildet in den Landschaften Etrurien, Latium und Kampanien den Kern des italischen Landes, bis suedlich von Kampanien das Vorland allmaehlich verschwindet und die Gebirgskette fast unmittelbar von dem Tyrrhenischen Meere bespuelt wird. Ueberdies schliesst, wie an Griechenland der Peloponnes, so an Italien die Insel Sizilien sich an, die schoenste und groesste des Mittelmeers, deren gebirgiges und zum Teil oedes Innere ringsum, vor allem im Osten und Sueden, mit einem breiten Saume des herrlichsten, grossenteils vulkanischen Kuestenlandes umguertet ist; und wie geographisch die sizilischen Gebirge die kaum durch den schmalen "Riss" (R/e/gion) der Meerenge unterbrochene Fortsetzung des Apennins sind, so ist auch geschichtlich Sizilien in aelterer Zeit ebenso entschieden ein Teil Italiens wie der Peloponnes von Griechenland, der Tummelplatz derselben Staemme und der gemeinsame Sitz der gleichen hoeheren Gesittung. Die italische Halbinsel teilt mit der griechischen die gemaessigte Temperatur und die gesunde Luft auf den maessig hohen Bergen und im ganzen auch in den Taelern und Ebenen. In der Kuestenentwicklung steht sie ihr nach; namentlich fehlt das Inselreiche Meer, das die Hellenen zur seefahrenden Nation gemacht hat. Dagegen ist Italien dem Nachbarn ueberlegen durch die reichen Flussebenen und
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