Roemische Elegien | Page 3

Johann Wolfgang von Goethe
mir des Irrtums Gewinn!
Deine Tochter
Fortuna, sie auch! die herrlichsten Gaben
Teilt als ein Mädchen sie
aus, wie es die Laune gebeut.
Bist du der wirtliche Gott? O dann so

verstoße den Gastfreund Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde
hinab!
»Dichter! Wohin versteigest du dich?« -- Vergib mir: der hohe
Kapitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
Dulde mich, Jupiter,
hier, und Hermes führe mich später
Cestius Mal vorbei, leise zum
Orkus hinab.
8.
Wenn du mir sagst, du habest als Kind, Geliebte, den Menschen Nicht
gefallen, und dich habe die Mutter verschmäht,
Bis du größer
geworden und still dich entwickelt -- ich glaub es: Gerne denk ich mir
dich als ein besonderes Kind.
Fehlet Bildung und Farbe doch auch
der Blüte des Weinstocks, Wenn die Beere, gereift, Menschen und
Götter entzückt.
9.
Herbstlich leuchtet die Flamme vom ländlich geselligen Herde,
Knistert und glänzet, wie rasch! sausend vom Reisig empor.
Diesen
Abend erfreut sie mich mehr: denn eh noch zur Kohle
Sich das
Bündel verzehrt, unter die Asche sich neigt,
Kommt mein liebliches
Mädchen. Dann flammen Reisig und Scheite, Und die erwärmte Nacht
wird uns ein glänzendes Fest.
Morgen frühe geschäftig verläßt sie das
Lager der Liebe,
Weckt aus der Asche behend Flammen aufs neue
hervor.
Denn vor andern verlieh der Schmeichlerin Amor die Gabe,

Freude zu wecken, die kaum still wie zu Asche versank.
10.
Alexander und Cäsar und Heinrich und Friedrich, die Großen, Gäben
die Hälfte mir gern ihres erworbenen Ruhms,
Könnt ich auf eine
Nacht dies Lager jedem vergönnen;
Aber die Armen, sie hält strenge
des Orkus Gewalt.
Freue dich also, Lebendger, der lieberwärmeten
Stätte,
Ehe den fliehenden Fuß schauerlich Lethe dir netzt.
11.

Euch, o Grazien, legt die wenigen Blätter ein Dichter
Auf den reinen
Altar, Knospen der Rose dazu,
Und er tut es getrost. Der Künstler
freuet sich seiner
Werkstatt, wenn sie um ihn immer ein Pantheon
scheint.
Jupiter senket die göttliche Stirn, und Juno erhebt sie;

Phöbus schreitet hervor, schüttelt das lockige Haupt;
Trocken schaut
Minerva herab und Hermes, der leichte,
Wendet zur Seite den Blick,
schalkisch und zärtlich zugleich. Aber nach Bacchus, dem weichen,
dem träumenden, hebet Cythere Blicke der süßen Begier, selbst in dem
Marmor noch feucht.
Seiner Umarmung gedenket sie gern und
scheinet zu fragen:
Sollte der herrliche Sohn uns an der Seite nicht
stehn?
12.
Hörest du, Liebchen, das muntre Geschrei den Flaminischen Weg her?
Schnitter sind es; sie ziehn wieder nach Hause zurück,
Weit hinweg.
Sie haben des Römers Ernte vollendet,
Der für Ceres den Kranz
selber zu flechten verschmäht.
Keine Feste sind mehr der großen
Göttin gewidmet,
Die, statt Eicheln, zur Kost goldenen Weizen
verlieh.
Laß uns beide das Fest im stillen freudig begehen!
Sind
zwei Liebende doch sich ein versammeltes Volk.
Hast du wohl je
gehört von jener mystischen Feier,
Die von Eleusis hieher frühe dem
Sieger gefolgt?
Griechen stifteten sie, und immer riefen nur Griechen,

Selbst in den Mauern Roms: »Kommt zur geheiligten Nacht!«
Fern
entwich der Profane; da bebte der wartende Neuling,
Den ein weißes
Gewand, Zeichen der Reinheit, umgab.
Wunderlich irrte darauf der
Eingeführte durch Kreise
Seltner Gestalten; im Traum schien er zu
wallen: denn hier
Wanden sich Schlangen am Boden umher,
verschlossene Kästchen, Reich mit Ähren umkränzt, trugen hier
Mädchen vorbei,
Vielbedeutend gebärdeten sich die Priester und
summten;
Ungeduldig und bang harrte der Lehrling auf Licht.
Erst
nach mancherlei Proben und Prüfungen ward ihm enthüllet, Was der
geheiligte Kreis seltsam in Bildern verbarg.
Und was war das
Geheimnis? als daß Demeter, die große,
Sich gefällig einmal auch

einem Helden bequemt,
Als sie Jasion einst, dem rüstigen König der
Kreter,
Ihres unsterblichen Leibs holdes Verborgne gegönnt.
Das
war Kreta beglückt! das Hochzeitsbette der Göttin
Schwoll von
Ähren, und reich drückte den Acker die Saat.
Aber die übrige Welt
verschmachtete; denn es versäumte
Über der Liebe Genuß Ceres den
schönen Beruf.
Voll Erstaunen vernahm der Eingeweihte das
Märchen,
Winkte der Liebsten -- Verstehst du nun, Geliebte, den
Wink? Jene buschige Myrte beschattet ein heiliges Plätzchen!
Unsre
Zufriedenheit bringt keine Gefährde der Welt.
13.
Amor bleibet ein Schalk, und wer ihm vertraut, ist betrogen! Heuchelnd
kam er zu mir: »Diesmal nur traue mir noch.
Redlich mein ichs mit
dir: du hast dein Leben und Dichten,
Dankbar erkenn ich es wohl,
meiner Verehrung geweiht.
Siehe, dir bin ich nun gar nach Rom
gefolget! Ich möchte
Dir im fremden Gebiet gern was Gefälliges tun.

Jeder Reisende klagt, er finde schlechte Bewirtung;
Welchen Amor
empfiehlt, köstlich bewirtet ist er.
Du betrachtest mit Staunen die
Trümmer alter Gebäude
Und durchwandelst mit Sinn diesen
geheiligten Raum.
Du verehrest noch mehr die werten Reste des
Bildens
Einziger Künstler, die stets ich in der Werkstatt besucht.

Diese Gestalten, ich formte sie selbst! Verzeih mir, ich prahle Diesmal
nicht; du gestehst, was ich dir sage, sei wahr.
Nun du mir lässiger
dienst, wo sind die schönen Gestalten,
Wo die Farben, der Glanz
deiner Erfindungen hin?
Denkst du nun wieder zu bilden, Freund?
Die Schule der Griechen Blieb noch offen, das Tor schlossen die Jahre
nicht zu.
Ich, der Lehrer, bin ewig jung und liebe die Jungen.

Altklug lieb ich dich nicht! Munter! Begreife mich wohl!
War das
Antike doch neu, da jene Glücklichen lebten!
Lebe glücklich, und so
lebe die Vorzeit in dir!
Stoff zum Liede, wo nimmst du ihn her?
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 8
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.