Roemische Elegien | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
immer den Rang.
16.
"Warum bist du, Geliebter, nicht heute zur Vigne gekommen?

Einsam, wie ich versprach, wartet ich oben auf dich."--
Beste, schon
war ich hinein; da sah ich zum Glücke den Oheim Neben den Stöcken,
bemüht, hin sich und her sich zu drehn.
Schleichend eilt ich
hinaus!--"O welch ein Irrtum ergriff dich! Eine Scheuche nur wars, was
dich vertrieb! Die Gestalt
Flickten wir emsig zusammen aus alten
Kleidern und Rohren,
Emsig half ich daran, selbst mir zu schaden
bemüht."--
Nun, des Alten Wunsch ist erfüllt: den losesten Vogel


Scheucht' er heute, der ihm Gärtchen und Nichte bestiehlt.
17.
Manche Töne sind mir Verdruß, doch bleibet am meisten

Hundegebell mir verhaßt: kläffend zerreißt es mein Ohr.
Einen Hund
nur hör ich sehr oft mit frohem Behagen
Bellend kläffen, den Hund,
den sich der Nachbar erzog.
Denn er bellte mir einst mein Mädchen
an, da sie sich heimlich Zu mir stahl, und verriet unser Geheimnis
beinah.
Jetzo, hör ich ihn bellen, so denk ich mir immer: sie kommt
wohl! Oder ich denke der Zeit, da die Erwartete kam.
18.
Eines ist mir verdrießlich vor allen Dingen, ein andres
Bleibt mir
abscheulich, empört jegliche Faser in mir,
Nur der bloße Gedanke.
Ich will es euch, Freunde, gestehen: Gar verdrießlich ist mir einsam das
Lager zu Nacht.
Aber ganz abscheulich ists, auf dem Wege der Liebe

Schlangen zu fürchten, und Gift unter den Rosen der Lust,
Wenn
im schönsten Moment der hin sich gebenden Freude
Deinem
sinkenden Haupt lispelnde Sorge sich naht.
Darum macht Faustine
mein Glück: sie teilet das Lager
Gern mit mir, und bewahrt Treue
dem Treuen genau.
Reizendes Hindernis will die rasche Jugend; ich
liebe,
Mich des versicherten Guts lange bequem zu erfreun.
Welche
Seligkeit ists! wir wechseln sichere Küsse,
Atem und Leben getrost
saugen und flößen wir ein.
So erfreuen wir uns der langen Nächte,
wir lauschen,
Busen an Busen gedrängt, Stürmen und Regen und Guß.

Und so dämmert der Morgen heran; es bringen die Stunden
Neue
Blumen herbei, schmücken uns festlich den Tag.
Gönnet mir, o
Quiriten! das Glück, und jedem gewähre
Aller Güter der Welt erstes
und letztes der Gott!
19.
Schwer erhalten wir uns den guten Namen, denn Fama
Steht mit

Amorn, ich weiß, meinem Gebieter, in Streit.
Wißt ihr auch, woher es
entsprang, daß beide sich hassen?
Alte Geschichten sind das, und ich
erzähle sie wohl.
Immer die mächtige Göttin, doch war sie für die
Gesellschaft Unerträglich, denn gern führt sie das herrschende Wort;

Und so war sie von je, bei allen Göttergelagen,
Mit der Stimme von
Erz, Großen und Kleinen verhaßt.
So berühmte sie einst sich
übermütig, sie habe
Jovis herrlichen Sohn ganz sich zum Sklaven
gemacht.
"Meinen Herkules führ ich dereinst, o Vater der Götter",

Rief triumphierend sie aus, "wiedergeboren dir zu.
Herkules ist es
nicht mehr, den dir Alkmene geboren:
Seine Verehrung für mich
macht ihn auf Erden zum Gott.
Schaut er nach dem Olymp, so
glaubst du, er schaue nach deinen Mächtigen Knieen--vergib! nur in
den Äther nach mir
Blickt der würdigste Mann, nur mich zu
verdienen, durchschreitet Leicht sein mächtiger Fuß Bahnen, die keiner
betrat;
Aber auch ich begegn ihm auf seinen Wegen und preise

Seinen Namen voraus, eh er die Tat noch beginnt.
Mich vermählst du
ihm einst: der Amazonen Besieger
Werd auch meiner, und ihn nenn
ich mit Freuden Gemahl!"
Alles schwieg; sie mochten nicht gern die
Prahlerin reizen: Denn sie denkt sich, erzürnt, leicht was Gehässiges
aus.
Amorn bemerkte sie nicht: er schlich beiseite; den Helden

Bracht er mit weniger Kunst unter der Schönsten Gewalt.
Nun
vermummt er sein Paar: ihr hängt er die Bürde des Löwen Über die
Schultern und lehnt mühsam die Keule dazu,
Drauf bespickt er mit
Blumen des Helden sträubende Haare,
Reichet den Rocken der Faust,
die sich dem Scherze bequemt. So vollendet er bald die neckische
Gruppe; dann läuft er,
Ruft durch den ganzen Olymp: "Herrliche
Taten geschehn!
Nie hat Erd und Himmel, die unermüdete Sonne

Hat auf der ewigen Bahn keines der Wunder erblickt."
Alles eilte: sie
glaubten dem losen Knaben, denn ernstlich
Hatt er gesprochen; und
auch Fama, sie blieb nicht zurück.
Wer sich freute, den Mann so tief
erniedrigt zu sehen,
Denkt ihr? Juno. Es galt Amorn ein freundlich
Gesicht.
Fama daneben, wie stand sie beschämt, verlegen,
verzweifelnd! Anfangs lachte sie nur: "Masken, ihr Götter, sind das!


Meinen Helden, ich kenn ihn zu gut! Es haben Tragöden
Uns zum
besten!" Doch bald sah sie mit Schmerzen: er wars!-- Nicht den
tausendsten Teil verdroß es Vulkanen, sein Weibchen Mit dem rüstigen
Freund unter den Maschen zu sehn,
Als das verständige Netz im
rechten Moment sie umfaßte,
Rasch die Verschlungnen umschlang,
fest die Genießenden hielt. Wie sich die Jünglinge freuten, Merkur und
Bacchus! sie beide Mußten gestehn: es sei, über dem Busen zu ruhn

Dieses herrlichen Weibes, ein schöner Gedanke. Sie baten:
Löse,
Vulkan, sie noch nicht! Laß sie noch einmal besehn!
Und der Alte
war so Hahnrei, und hielt sie nur fester.--
Aber Fama, sie floh rasch
und voll Grimmes davon.
Seit der Zeit ist zwischen den Zweien der
Fehde nicht Stillstand: Wie sie sich Helden erwählt, gleich ist der
Knabe danach.
Wer sie am höchsten verehrt, den weiß er am besten
zu fassen, Und den Sittlichsten greift er am gefährlichsten an.
Will
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