Rede zum Schuljahresabschluss | Page 2

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Anstalt ist die Vorbereitung zum gelehrten Studium, und zwar eine Vorbereitung, welche auf den Grund der Griechen und R?mer erbaut ist. Seit einigen Jahrtausenden ist dies der Boden, auf dem alle Kultur gestanden hat, aus dem sie hervorgesprosst und mit dem sie in best?ndigem Zusammenhange gewesen ist. Wie die nat��rlichen Organisationen, Pflanzen und Tiere, sich der Schwere entwinden, aber dieses Element ihres Wesens nicht verlassen k?nnen, so ist alle Kunst und Wissenschaft jenem Boden entwachsen; und obgleich auch in sich selbstst?ndig geworden, hat sie sich von der Erinnerung jener ?lteren Bildung nicht befreit. Wie Anteus seine Kr?fte durch die Ber��hrung der m��tterlichen Erde erneuerte, so hat jeder neue Aufschwung und Bekr?ftigung der Wissenschaft und Bildung sich aus der R��ckkehr zum Altertum ans Licht gehoben.
So wichtig aber die Erhaltung dieses Bodens ist, so wesentlich ist die Ab?nderung des Verh?ltnisses, in welchem er ehemals gestanden hat. Wenn die Einsicht in das Ungen��gende, Nachteilige alter Grunds?tze und Einrichtungen ��berhaupt und damit der mit ihnen verbundenen vorigen Bildungzwecke und Bildungsmittel eintritt, so ist der Gedanke, der sich zun?chst auf der Oberfl?che darbietet, die g?nzliche Beseitigung und Abschaffung derselben. Aber die Weisheit der Regierung, erhaben ��ber diese leicht scheinende Hilfe, erf��llt auf die wahrhafteste Art das Bed��rfnis der Zeit dadurch, da? sie das Alte in ein neues Verh?ltnis zu dem Ganzen setzt und dadurch das Wesentliche derselben ebensosehr erh?lt, als sie es ver?ndert und erneuert.
Ich brauche nur mit wenigen Worten an die bekannte Stellung zu erinnern, welche das Erlernen der lateinischen Sprache ehemals hatte, da? dasselbe nicht sowohl f��r ein Moment des gelehrten Studiums galt, sondern den wesentlichsten Teil desselben ausmachte und das einzig h?here Bildungsmittel war, welches demjenigen dargeboten wurde, der nicht bei dem allgemeinen, ganz elementarischen Unterrichte stehenbleiben wollte; da? f��r die Erwerbung anderer Kenntnisse, welche f��rs b��rgerliche Leben n��tzlich oder an und f��r sich von Wert sind, kaum ausdr��ckliche Anstalten gemacht waren, sondern es im ganzen der Gelegenheit der Erlenung jener Sprache ��berlassen war, ob etwas und wieviel dabei von ihnen anflog,--da? jene Kenntnisse zum Teil f��r eine besondere Kunst, nicht zugleich f��r ein Bildungsmittel galten und gr??tenteils in jene Schale geh��llt waren.
Die allgemeine Stimme erhob sich gegen jenes unselig gewordene Lateinlernen; es erhob sich das Gef��hl vornehmlich, da? ein Volk nicht als gebildet angesehen werden kann, welches nicht alle Sch?tze der Wissenschaft in seiner eigenen Spache ausdr��cken und sich in ihr mit jedem Inhalt frei bewegen kann. Diese Innigkeit, mit welcher die eigene Sprache uns angeh?rt, fehlt den Kenntnissen, die wir nur in einer fremden besitzen; sie sind durch eine Scheidewand von uns getrennt, welche sie dem Geiste nicht wahrhaft einheimisch sein l?sst.
Dieser Gesichtspunkt, die fehlerhaften, oft zum durchg?ngigen Mechanismus herabsinkenden Methoden, die verabs?umte Erwerbung vieler wichtiger Sachkenntnisse und geistiger Fertigkeiten hat sich nach und nach die Kenntnis der lateinischen Sprache von ihrem Anspruche, als Hauptwissenschaft zu gelten, und von ihrer lange behaupteten W��rde, allgemeines und fast ausschliesendes Bildungsmittel zu sein, abgesetzt. Sie hat aufgeh?rt, als Zweck betrachtet zu werden, und diese geistige Besch?ftigung hat dagegen sogenannte Sachen, und darunter allt?gliche, sinnliche Dinge, die keinen Bildungsstoff abzugeben f?hig sind, ��ber sich m?chtig werden sehen m��ssen. Ohne in diese Gegens?tze und deren weitere Bestimmungen, ihre ��bertreibungen oder ?usserliche Kollisionen einzugehen, gen��ge es hier, uns des weisen Verh?ltnisses zu freuen, das unsere allerh?chste Regierung hierin festgesetzt hat.
Erstlich hat dieselbe durch die Vervollkommnung der deutschen Volksschulen die allgemeine B��rgerbildung erweitert, es werden dadurch allen die Mittel verschafft, das ihnen als Menschen Wesentliche und f��r ihren Stand N��tzliche zu erlernen; denen, die das Bessere bisher entbehrten, wird dasselbe hierdurch gew?hrt; denen aber, die, um etwas Besseres als den ungen��genden allgemeinen Unterricht zu erhalten, nur zu dem genannten Bildungsmittel greifen konnten, wird dasselbe entbehrlicher gemacht und durch zweckm??igere Kenntnisse und Fertigkeiten ersetzt.--Auch die hiesige Stadt sieht der vollst?ndigen Organisation dieser dem gr??ten Teil des ��brigen K?nigreichs bereits erwiesenen Wohltat, erwartungsvoll entgegen--einer Wohltat, deren wichtige Folgen f��r das Ganze kaum zu berechnen sind.
Zweitens hat das Studium der Wissenschaften und die Erwerbung h?herer geistiger und n��tzlicher Fertigkeiten, in ihrer Unabh?ngigkeit von der alten Literatur, in einer eigenen Schwesteranstalt ihr vollst?ndiges Mittel bekommen.
Drittens endlich ist das alte Sprachenstudium erhalten. Es steht teils nach wie vor als h?heres Bildungsmittel jedem offen, teils aber ist es zur gr��ndlichen Basis des gelehrten Studiums befestigt worden. Indem dasselbe nun neben jenes getreten ist, ist es seiner Ausschlieslichkeit verlustig geworden und kann den Hass gegen seine vorherigen Anma?ungen getilgt haben. So auf die Seite getreten, hat es um so mehr das Recht, zu fordern, da? es in seiner Abscheidung frei gew?hren d��rfe und von fremdartigen, st?renden Einmischungen ferner unbehelligt bleibe.
Durch diese Ausscheidung und Einschr?nkung hat es seine wahrhafte Stellung und die M?glichkeit erhalten, sich um so freier und vollst?ndiger ausbilden zu k?nnen. Das echte Kennzeichen der Freiheit und St?rke einer Organisation besteht darin, wenn die unterschiedenen Momente, die sie enth?lt, sich in sich vertiefen
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