Prometheus | Page 2

Johann Wolfgang von Goethe
und mir So ein, so innig Ewig meine Liebe dir!
Minerva. Und ich dir ewig gegenwärtig!
Prometheus. Wie der süße Dämmerschein Der weggeschiednen Sonne
Dort heraufschwimmt Vom finstern Kaukasus Und meine Seel umgibt
mit Wonneruh, Abwesend auch mir immer gegenwärtig, So haben
meine Kräfte sich entwickelt Mit jedem Atemzug aus deiner
Himmelsluft. Und welch ein Recht Ergeizen sich die stolzen Bewohner
des Olympus Auf meine Kräfte? Sie sind mein, und mein ist ihr
Gebrauch. Nicht einen Fußtritt Für den obersten der Götter mehr! Für
sie? Bin ich für sie?
Minerva. So wähnt die Macht.
Prometheus. Ich wähne, Göttin, auch Und bin auch mächtig. - Sonst! -
Hast du mich nicht oft gesehn In selbst erwählter Knechtschaft Die
Bürde tragen, die sie In feierlichem Ernst auf meine Schultern legten?
Hab ich die Arbeit nicht vollendet, Jedes Tagwerk, auf ihr Geheiß,
Weil ich glaubte, Sie sähen das Vergangne, das Zukünftige Im
Gegenwärtigen, Und ihre Leitung, ihr Gebot Sei uranfängliche,
Uneigennützge Weisheit?
Minerva. Du dientest, um der Freiheit wert zu sein.
Prometheus. Und möcht um vieles nicht Mit dem Donnervogel
tauschen Und meines Herren Blitze stolz In Sklavenklauen packen.
Was sind sie? Was ich?
Minerva. Dein Haß ist ungerecht! Den Göttern fiel zum Lose Dauer
Und Macht und Weisheit und Liebe.
Prometheus. Haben Sie das all Doch nicht allein! Ich daure so wie sie.
Wir alle sind ewig! - Meines Anfangs erinnr ich mich nicht, Zu enden
hab ich keinen Beruf Und seh das Ende nicht. So bin ich ewig, denn ich
bin! - Und Weisheit - [sie an den Bildnissen herumführend.] Sieh diese

Stirn an! Hat mein Finger nicht Sie ausgeprägt? Und dieses Busens
Macht Drängt sich entgegen Der allanfallenden Gefahr umher. [Bleibt
bei einer weiblichen Bildsäule stehen.] Und du, Pandora, Heiliges
Gefäß der Gaben alle, Die ergötzlich sind Unter dem weiten Himmel,
Auf der unendlichen Erde, Alles, was mich je erquickt von
Wonnegefühl, Was in des Schattens Kühle Mir Labsal ergossen, Der
Sonnen Liebe jemals Frühlingswonne, Des Meeres laue Welle Jemals
Zärtlichkeit an meinen Busen angeschmiegt, Und was ich je für reinen
Himmelsglanz Und Seelenruhgenuß geschmeckt - Das all all - - Meine
Pandora!
Minerva. Jupiter hat dir entboten, Ihnen allen das Leben zu erteilen,
Wenn du seinem Antrag Gehör gäbst.
Prometheus. Das war das einzige, was mich bedenken machte. Allein -
ich sollte Knecht sein und wir All erkennen droben die Macht des
Donnrers? Nein! Sie mögen hier gebunden sein Von ihrer Leblosigkeit,
Sie sind doch frei, Und ich fühl ihre Freiheit!
Minerva. Und sie sollen leben! Dem Schicksal ist es, nicht den Göttern,
Zu schenken das Leben und zu nehmen; Komm, ich leite dich zum
Quell des Lebens all, Den Jupiter uns nicht verschließt: Sie sollen leben,
und durch dich!
Prometheus. Durch dich, o meine Göttin, Leben, frei sich fühlen, Leben!
- Ihre Freude wird dein Dank sein!

Zweiter Akt
Auf Olympus
[Jupiter. Merkur.]
Merkur. Greuel - Vater Jupiter - Hochverrat! Minerva, deine Tochter,
Steht dem Rebellen bei, Hat ihm den Lebensquell eröffnet Und seinen
lettnen Hof, Seine Welt von Ton Um ihn belebt. Gleich uns bewegen
sie sich all Und weben, jauchzen um ihn her, Wie wir um dich. O,
deine Donner, Zeus!
Jupiter. Sie sind! und werden sein! Und sollen sein! Über alles, was ist
Unter dem weiten Himmel, Auf der unendlichen Erde, Ist mein die
Herrschaft. Das Wurmgeschlecht vermehret Die Anzahl meiner
Knechte. Wohl ihnen, wenn sie meiner Vatersleitung folgen; Weh
ihnen, wenn sie meinem Fürstenarm Sich widersetzen.
Merkur. Allvater! Du Allgütiger, Der du die Missetat vergibst

Verbrechern, Sei Liebe dir und Preis Von aller Erd und Himmel! O,
sende mich, daß ich verkünde Dem armen, erdgebornen Volk Dich,
Vater, deine Güte, deine Macht!
Jupiter. Noch nicht! In neugeborner Jugendwonne Wähnt ihre Seele
sich göttergleich. Sie werden dich nicht hören, bis sie dein Bedürfen.
Überlaß Sie ihrem Leben!
Merkur. So weis' als gütig!

Tal am Fusse des Olympus
Prometheus. Sieh nieder, Zeus, Auf meine Welt: sie lebt! Ich habe sie
geformt nach meinem Bilde, Ein Geschlecht, das mir gleich sei, Zu
leiden, weinen, zu genießen und zu freuen sich Und dein nicht zu
achten Wie ich!
[Man sieht das Menschengeschlecht durchs ganze Tal verbreitet. Sie
sind auf Bäume geklettert, Früchte zu brechen, sie baden sich im
Wasser, sie laufen um die Wette auf der Wiese; Mädchen beschäftigen
sich, Blumen zu brechen und Kränzgen zu flechten.]
[Ein Mann mit abgehauenen jungen Bäumen tritt zu Prometheus.]
Mann. Sieh hier die Bäume Wie du sie verlangtest.
Prometheus. Wie brachtest du Sie von dem Boden?
Mann. Mit diesem scharfen Steine hab ich sie Glatt an der Wurzel
weggerissen.
Prometheus. Erst ab die Äste! - Dann hier rammle diesen Schief in den
Boden hier Und diesen hier, so gegenüber; Und oben verbinde sie! -
Dann wieder zwei hier hinten hin Und oben einen quer darüber. Nun
die Äste herab von oben
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