Philotas | Page 2

Gotthold Ephraim Lessing
nicht umsonst der Kindheit entwachsen sei, und mich mit seinen Streitern ausziehen zu lassen, die mir schon l?ngst so manche Tr?ne der Nacheiferung gekostet. Gestern bewegte ich ihn, den besten Vater, denn Aristodem half mir bitten.--Du kennst ihn, den Aristodem; er ist meines Vaters Strato.--"Gib mir, K?nig, den Jüngling morgen mit," sprach Aristodem; "ich will das Gebirge durchstreifen, um den Weg nach C?sarea offen zu halten."--"Wenn ich euch nur begleiten k?nnte", seufzte mein Vater.--Er liegt noch an seinen Wunden krank.--"Doch es sei!" und hiermit umarmte mich mein Vater. O was fühlte der glückliche Sohn in dieser Umarmung!--Und die Nacht, die darauf folgte! Ich schlo? kein Auge; doch verweilten mich Tr?ume der Ehre und des Sieges bis zur zweiten Nachtwache auf dem Lager.--Da sprang ich auf, warf mich in den neuen Panzer, strich die ungelockten Haare unter den Helm, w?hlte unter den Schwertern meines Vaters, dem ich gewachsen zu sein glaubte, stieg zu Pferde; und hatte ein Ro? schon müde gespornt, noch ehe die silberne Drommete die befohlne Mannschaft weckte. Sie kamen, und ich sprach mit jedem meiner Begleiter, und da drückte mich mancher wackere Krieger an seine narbigte Brust! Nur mit meinem Vater sprach ich nicht; denn ich zitterte, wenn er mich noch einmal s?he, er m?chte sein Wort widerrufen.--Nun zogen wir aus! An der Seite der unsterblichen G?tter kann man nicht glücklicher sein, als ich an der Seite Aristodems mich fühlte! Auf jeden seiner anfeuernden Blicke h?tte ich, ich allein, ein Heer angegriffen und mich in der feindlichen Eisen gewissesten Tod gestürzet. In stiller Entschlossenheit freute ich mich auf jeden Hügel, von dem ich in der Ebene Feinde zu entdecken hoffte; auf jede Krümmung des Tals, hinter der ich auf sie zu sto?en mir schmeichelte. Und da ich sie endlich von der waldigten H?he auf uns stürzen sahe; ihnen bergan entgegen flog--rufe dir, ruhmvoller Greis, die seligste deiner jugendlichen Entzückungen zurück--du konntest nie entzückter sein!--Aber nun, nun sieh mich, Strato, sieh mich von dem Gipfel meiner hohen Erwartungen schimpflich herabstürzen! O wie schaudert mich, diesen Fall in Gedanken noch einmal zu stürzen!--Ich war zu weit vorausgeeilt; ich ward verwundet und--gefangen! Armseliger Jüngling, nur auf Wunden hieltest du dich, nur auf den Tod gefa?t,--und wirst gefangen. So schicken die strengen G?tter, unsere Fassung zu vereiteln, nur immer unvorhergesehenes übel?--Ich weine; ich mu? weinen, ob ich mich schon, von dir darum verachtet zu werden, scheue. Aber verachte mich nicht!-- Du wendest dich weg?
Strato. Ich bin unwillig; du h?ttest mich nicht so bewegen sollen.-- Ich werde mit dir zum Kinde--
Philotas. Nein; h?re, warum ich weine! Es ist kein kindisches Weinen, das du mit deiner m?nnlichen Tr?ne zu begleiten würdigest--Was ich für mein gr??tes Glück hielt, die z?rtliche Liebe, mit der mich mein Vater liebt, wird mein gr??tes Unglück. Ich fürchte, ich fürchte; er liebt mich mehr, als er sein Reich liebt! Wozu wird er sich nicht verstehen, was wird ihm dein K?nig nicht abdringen, mich aus der Gefangenschaft zu retten! Durch mich Elenden wird er an einem Tage mehr verlieren, als er in drei langen mühsamen Jahren, durch das Blut seiner Edeln, durch sein eignes Blut gewonnen hat. Mit was für einem Angesichte soll ich wieder vor ihm erscheinen; ich, sein schlimmster Feind? Und meines Vaters Untertanen--künftig einmal die meinigen, wenn ich sie zu regieren mich würdig gemacht h?tte--wie werden sie den ausgel?sten Prinzen ohne die sp?ttischste Verachtung unter sich dulden k?nnen? Wann ich denn vor Scham sterbe und unbedauert hinab zu den Schatten schleiche, wie finster und stolz werden die Seelen der Helden bei mir vorbeiziehen, die dem K?nige die Vorteile mit ihrem Leben erkaufen mu?ten, deren er sich als Vater für einen unwürdigen Sohn begibt.--O das ist mehr, als eine fühlende Seele ertragen kann!
Strato. Fasse dich, lieber Prinz! Es ist der Fehler des Jünglings, sich immer für glücklicher, oder unglücklicher zu halten, als er ist. Dein Schicksal ist so grausam noch nicht; der K?nig n?hert sich, und du wirst aus seinem Munde mehr Trost h?ren.

Dritter Auftritt.
K?nig Arid?us. Philotas. Strato.
Arid?us. Kriege, die K?nige unter sich zu führen gezwungen werden, sind keine pers?nliche Feindschaften.--La? dich umarmen, mein Prinz! O welcher glücklichen Tage erinnert mich deine blühende Jugend! So blühte die Jugend deines Vaters! Dies war sein offenes, sprechendes Auge; dies seine ernste, redliche Miene; dies sein edler Anstand!-- Noch einmal la? dich umarmen; ich umarme deinen jüngern Vater in dir. --Hast du es nie von ihm geh?rt, Prinz, wie vertraute Freunde wir in deinem Alter waren? Das war das selige Alter, da wir uns noch ganz unserm Herzen überlassen durften. Bald aber wurden wir beide zum Throne gerufen, und der sorgende K?nig, der eifersüchtige Nachbar unterdrückte, leider! den gef?lligen Freund.--
Philotas. Verzeih, o K?nig, wenn du mich in Erwiderung so sü?er Worte zu kalt findest. Man hat meine Jugend denken, aber nicht reden gelehrt.--Was kann es mir itzt helfen, da? du und mein
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