Phantasten | Page 9

Erich von Mendelssohn
Frau von Zeuthen Paul Seebeck, der noch Hut und Stock in der Hand haltend vor ihr stand.
?Wie sch?n Sie sind!? erwiderte Seebeck und kü?te ihre Hand. ?Unver?nderlich sch?n wie ein edles Bild, das Zeiten und Geschehnis überdauert.?
Ihr L?cheln war nicht der Art als ob sie seine Worte als Schmeichelei auffa?te. Sie sagte:
?Jetzt müssen Sie mir aber alles, alles erz?hlen. Ich habe die Zeitungen gelesen und allerhand geh?rt. Das will ich jetzt aber vergessen und alles neu und rein von Ihnen h?ren.?
Sie setzte sich auf den Divan und wies mit der Hand auf einen Armstuhl neben dem Rauchtischchen, aber Paul Seebeck blieb stehen:
?In Ihrem Hause ist eine Ruhe wie sonst nirgendwo auf der Welt. Sie sind einige Jahrhunderte zu sp?t auf die Welt gekommen, Gabriele. Sie passen nicht in unser Zeitalter. Sie geh?rten nach Italien zur Zeit der Wiedergeburt, und in Ihren R?umen h?tten sich die edelsten M?nner versammelt, um ernst und gewichtig die Fragen zu er?rtern -?
?Sie wollten mir doch etwas erz?hlen?, unterbrach ihn Frau von Zeuthen, wobei sie sich zurücklehnte.
Paul Seebeck legte Hut und Stock fort und setzte sich in den Armstuhl.
?Also, ich kam von Sidney zurück -?
?Nicht so schnell. Verzeihen Sie, da? ich Sie unterbreche. Aber Sie dürfen Australien nicht überspringen.?
?über Australien kann ich leider nicht viel berichten. Ich kam hin - Sie kennen ja meinen Expeditionsplan, er stand ja auch in allen Zeitungen - und wie ich dort war, sah ich, da? meine ganze Expedition eigentlich überflüssig war. Von dem, was ich als Neuland erforschen wollte, ist der gr??te Teil in seinen gro?en Zügen schon bekannt, sogar schon aufgenommen, und es reizte mich nicht, mich nur mit den Bagatellen abzugeben, die natürlich auch von wissenschaftlichem Interesse sind -?
?Da Sie ja mehr Abenteurer als Wissenschaftler sind.?
?Vielleicht, vielleicht liegt der Wert meines Abenteuertums gerade darin, da? ich nur gro?e Dinge entdecken kann, nicht Kleinigkeiten untersuchen. Ich kann nur die gro?en Dinge sehen und r?ume dann gern das Feld dem Gelehrten, der dann nach Herzenslust messen und forschen mag. Schon am ersten Tage in Sidney, wo ich in der Bibliothek der Geographischen Gesellschaft sa? und mir das ganze Material durchsah, sank mir der Mut. Ich sah wohl, da? da noch unendlich viel zu tun war, aber fast nichts für mich.
Ich unternahm die Expedition trotzdem - ich war ja dazu verpflichtet - aber ohne Freude. Dadurch kam auch das Sprunghafte, Unsichere herein, das manche Zeitungen mit Recht gerügt haben, und kehrte vorzeitig zurück.?
?Ich las in der Zeitung, da? die furchtbaren Stürme und überschwemmungen, die der gro?en Flutwelle folgten, Sie zur Rückkehr gezwungen h?tten.?
?Ich nahm das mehr als Vorwand. H?tte ich ernstlich gewollt, h?tte ich schon dort bleiben k?nnen. Ich kehrte aber nach Sidney zurück.?
?Und dann??
?Ja, dann sah ich vom Dampfer aus meine Insel, deren Entstehung natürlich die gro?e Flutwelle verursacht hat. Und da beschlo? ich, auf ihr meinen Staat zu gründen.?
?So schnell??
?Ja, wissen Sie, Gabriele?, fuhr Paul Seebeck lebhafter fort, ?zwischen der Entdeckung der Insel und meiner Ankunft lagen ja viele Stunden. Und eine Stunde ist lang, wenn man allein auf einem Schiffe steht und ganz ungest?rt seinen Gedanken nachh?ngen kann. Und unser Plan eines wirklich modernen Staates auf breitester, demokratischer Grundlage, aber mit dem Prinzipe der gr??ten pers?nlichen Freiheit war ja schon lange fertig.?
?Wer ist ?wir???
?Mein Freund Silberland, ein Journalist und radikaler Politiker aus München, ein kluger Mensch, der unendlich viel in seinem Leben gearbeitet hat und dem es immer schlecht gegangen ist, und ich. In meiner Münchener Zeit sind wir oft n?chtelang im Café Stephanie gesessen oder im Englischen Garten herumgegangen und haben dabei immer nur unseren Staat besprochen. Sie werden verstehen, da? zwei Menschen wie er und ich sich in einer solchen Frage aufs Glücklichste erg?nzen k?nnen.?
Frau von Zeuthen nickte und Paul Seebeck fuhr fort:
?Wie ich also die Insel sah und wu?te, da? sie herrenloses Land darstellte, schrieb ich vom Dampfer aus einige Zeilen an Silberland. Ich erinnerte ihn an unsere Tr?ume und bat ihn, hinzukommen. Ich schrieb ihm, er solle mir eine Vollmacht als Reichskommissar verschaffen. Er kam auch, der gute Kerl, steckte seinen Beruf und seine Stellung auf und kam. Aber das Kolonialamt hatte ihm doch nur eine sehr vorsichtige, sehr provisorische Vollmacht für mich mitgegeben und verlangte, mich selbst zu sehen und zu h?ren. So mu?te ich also nach Berlin kommen.? Und Paul Seebeck schwieg, wobei er vor sich auf den Teppich sah.
?War Ihnen denn das so unangenehm?? fragte Frau von Zeuthen.
?Ja. Wenigstens zuerst. Ich hatte schon viele Wochen ganz allein auf meiner Felseninsel zugebracht und fühlte mich dort so heimisch, da? es mir schwer wurde, sie wieder zu verlassen. Und besonders fürchtete ich, sie mit etwas anderen Augen zu sehen, wenn ich nach dem Aufenthalt in Europa zu ihr zurückkehrte.?
?Wie denn?? fragte Frau von Zeuthen mit ihrem klugen L?cheln.
Er sah sie an und sagte langsam:
?Ich fürchtete, meine Insel nicht mehr so rein zu empfinden,
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