Phantasten | Page 7

Erich von Mendelssohn
unz?hlige hier. Die gr??ten waren über vier Meter lang.
Ich traute mich nie recht, mit meinem Motorboote vom Meere her in die Bucht zu fahren, um die Tiere nicht zu erschrecken. Au?erdem würden die unz?hligen Sandb?nke und Klippen, die du siehst, die Sache fast unm?glich gemacht haben, ganz abgesehen von den riesigen Algen, die meiner Schiffsschraube wohl das Leben gekostet h?tten. Aber toll ist es hier. Zuweilen habe ich tief unten im Wasser die Leuchtorgane von elektrischen Fischen aufblitzen sehen, und bei Tiefebbe liegen die phantastischsten Tiefseetiere hier herum. Soviel ich sehen konnte, ist der Meeresboden hier auch nicht nackt, wie bei der gro?en Bucht, sondern sieht wie ein submariner Urwald aus, der sich weit hinaus ins Meer erstreckt. Meine Auffassung ist, da? sich mit der Hebung der Insel diese unterseeische Oase auch gehoben hat. Wie sie in dieses Gestein hereinkommt, wei? ich nicht. Vielleicht ruht sie auf Lehm. Jedenfalls ist sie da, und die Schildkr?ten mit ihr.
Wenn wir vernünftig sind und keinen Raubbau treiben, k?nnen wir durch die Tiere eine dauernde Einnahmequelle haben, die für die ganze Insel ausreichen wird. Dazu kommt noch der Fischfang. - Du siehst, unser Staat braucht keine Not zu leiden.?
Sie warteten noch eine halbe Stunde, aber kein Tier lie? sich mehr blicken. So traten sie den Rückweg an.

Paul Seebeck sa? mit seinem Studienfreunde, dem Architekten Edgar Allan zusammen im Café Bauer in Berlin. Paul Seebeck war trotz der frühen Nachmittagsstunde im Frack, denn er hatte am Vormittage mehrere Staatssekret?re und andere h?heren Beamte aufgesucht. Jetzt hatte er alle offiziellen Schritte getan; da er aber am Abend ins Theater wollte, wollte er sich nicht erst die Mühe machen, sich für die wenigen Stunden nochmals umzuziehen. Deshalb war er im Frack geblieben, und es st?rte ihn nicht, da? er dadurch etwas Aufsehen erregte.
Edgar Allan war lang und knochig und hatte eine etwas eingefallene Brust. Auch in seinem scharfgeschnittenen Gesichte verleugnete sich der englische Halbteil seines Blutes nicht.
Paul Seebeck sah durchs Fenster auf die Stra?e hinaus. Edgar Allan stützte seine Ellbogen auf den Tisch und verbarg sein Gesicht in den langen, mageren H?nden. Als er es nach einigen Minuten wieder erhob, sah er, da? Paul Seebeck ihn jetzt mit seinen gro?en Augen forschend anblickte.
Edgar Allan sah ihn erst fremd an, dann verzog sich sein Gesicht. Er sagte erregt:
?Ich bin übrigens nicht nur mit meiner Klage vom Reichsgericht abgewiesen; das Warenhaus hat mit seiner Widerklage sogar erreicht, da? ich zu einer Entsch?digung verurteilt wurde. Alle Sachverst?ndigen waren darin einig, da? mein Bau nicht den Voraussetzungen des Kontraktes entsprach. Fast meine ganzen Ersparnisse habe ich hingeben müssen.? Dann fuhr er ruhiger fort: ?Die Leute haben aber recht, ich kann kein einzelnes Haus bauen; ich verstehe überhaupt nicht, wie jemand das kann. Man soll mir einmal den Bau einer ganzen Stadt übertragen, dann werde ich schon zeigen, wozu ich tauge.?
Paul Seebeck senkte seine Augen und sah dann wieder zum Fenster hinaus.
Pl?tzlich legte Edgar Allan seine Hand auf seinen Arm:
?Wollen Sie mich mitnehmen?? fragte er.
Paul Seebeck wandte sich herum und sah ihm gerade in die Augen:
?Ja?, sagte er, ?gerade solche Menschen wie Sie suche ich, brauche ich. Ich wollte Sie nur aus dem Grunde nicht auffordern, weil ich nicht will, da? jemand anders als ganz aus freien Stücken zu uns kommt. Halloh!? rief er, aufstehend, einen vorbeigehenden, jungen, blonden, hochgewachsenen Herrn zu, der, das ?Berliner Tageblatt? in der Hand, sich gerade nach einem freien Tische umsah.
?Herrgott bist du pl?tzlich in Berlin?? fragte der Angesprochene im h?chsten Grade erstaunt. ?Noch dazu im Frack? Ich dachte, du w?rst Kaffernh?uptling oder Seer?uber oder so etwas ?hnliches geworden.?
?Noch nicht?, erwiderte Paul Seebeck. ?Aber meine amtliche Bestallung als Seer?uber habe ich seit heute Vormittag in der Tasche. Gestatten die Herren, da? ich vorstelle: mein Schulkamerad stud. jur. Otto Meyer, Architekt Edgar Allan.?
?Referendar Meyer, wenn ich bitten darf?, sagte der junge Mann, wobei er Edgar Allan die Hand reichte, die dieser h?flich nahm.
Als alle drei wieder sa?en, fragte Paul Seebeck seinen Schulkameraden:
?Woher wei?t du eigentlich von der ganzen Geschichte??
?Du mu?t mir Diskretion versprechen?, sagte Otto Meyer feierlich.
?Gewi?.?
?Also die Sache steht lang und breit da drin -?, er wies auf die Zeitung, die er noch immer in der Linken hielt - ?sogar in der halbamtlichen Fassung des Wolffschen Bureaus.?
?Zeig doch mal?, sagte Seebeck und griff nach dem Blatte.
?Nein, ich werde es vorlesen, sonst verstehst du es nicht richtig.? Und er las:
?Eine Erweiterung des deutschen Kolonialbesitzes?
Durch den Schriftsteller und Forschungsreisenden Paul Seebeck wurde da und da eine unbewohnte, vulkanische Insel mit einem Fl?chenraume von zw?lfhundert Quadratkilometern entdeckt und für das Deutsche Reich in Besitz genommen. Da auf und bei der fraglichen Insel auch nicht das allergeringste zu holen ist -?
?Willst du vielleicht die Güte haben, ungef?hr das zu lesen, was dasteht?? unterbrach Seebeck den Lesenden. ?Die Sache interessiert mich n?mlich.?
Otto Meyer las weiter:
?Da die fragliche Insel augenscheinlich nur als Wohnsitz
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