Phantasten | Page 8

Erich von Mendelssohn
einiger, weniger Menschen in Betracht kommen kann und nicht f��r eine eigentliche Kolonie, lie? der Staatssekret?r des Kolonialamtes dem Entdecker der Insel, Herrn Paul Seebeck, bis auf weiteres freie Hand in allen Fragen der Besiedelung der Insel, wobei er ihn auf Widerruf zum Reichskommissar mit allen Rechten und Pflichten eines solchen ernannte.
Diese Ernennung, die selbstverst?ndlich im Einverst?ndnisse mit dem Reichskanzler erfolgte, ist als eine Konzession an die durch das Scheitern der preu?ischen Wahlreform verstimmten linksstehenden Parteien aufzufassen. Die Konservativen beruhigte der Reichskanzler durch das bindende Versprechen, da? die Insel in drei Jahren ebenso still und leise verschwinden w��rde, wie sie aufgetaucht ist -?
Paul Seebeck und Edgar Allan lachten. Otto Meyer reichte Paul Seebeck die Zeitung und dieser las die Notiz aufmerksam durch. Als er das Blatt fortlegte, fragte Otto Meyer:
?Ist es wirklich dein Ernst, dort eine Republik zu gr��nden? Eine republikanisch regierte, deutsche Kolonie??
?Ja, machst du mit??
?Mit Vergn��gen, aber nur als Justizminister?, sagte Otto Meyer ruhig.
?Als Justizminister? Hm. Daran hatte ich eigentlich nicht gedacht. Ich dachte eher als Staatslausejunge, als offizielles, destruktives Element.?
?Du bist furchtbar liebensw��rdig?, antwortete Otto Meyer, ohne im geringsten beleidigt zu sein. ?Aber sag mal, willst du nicht morgen bei uns zu Mittag essen? Meine Eltern w��rden sich doch sehr freuen, dich mit australischem Ruhme bedeckt, dazu noch als zuk��nftigen Imperator Rex begr��?en zu k?nnen.?
?Sch?n. Wie fr��her um Drei??
?Ja.?
Jetzt erhob sich Edgar Allan und nahm Abschied. Paul Seebeck begleitete ihn, so wie er war, in Frack und ohne Hut, auf die Stra?e hinaus. Als er zur��ckkam, fragte Otto Meyer:
?Was hast du dir denn da f��r einen steifen Engl?nder aufgegabelt??
?Na, er ist mehr Deutscher als Engl?nder. Deutsche Mutter und in Deutschland erzogen. Er ist sonst auch gar nicht steif, hat nur jetzt recht unangenehme Sachen durchgemacht. Ich hoffe, da? er mit mir kommt - und uns unsere Stadt baut. Er ist gerade der Typus Mensch, den wir brauchen; das hei?t, er ist gerade kein Typus, sondern ein Mensch.?
?Ich bitte dich, sei nicht so schrecklich geistreich?, sagte Otto Meyer. ?Sonst bekomme ich Magenschmerzen.?
?Entschuldige mich einen Augenblick?, sagte Paul Seebeck aufstehend und ging auf Jakob Silberland zu, der gerade zur T��r hereintrat. Paul Seebeck stellte ihm Otto Meyer vor, und als sie wieder Platz genommen hatten, sagte er:
?Edgar Allan kommt mit. Noch ein paar Leute, und wir k?nnen anfangen.?
?Kommt er? Gut! Da haben wir ja einen ganzen Kerl gewonnen. Ja, du, was ich sagen wollte - mir sind noch einige Leute eingefallen - aber man kann ja nicht gut jemand auffordern. Und wie soll man es sonst diesen Leuten nahelegen??
?Gar nicht, nat��rlich?, antwortete Paul Seebeck. ?Wer nicht freiwillig, aus innerstem Instinkt zu uns kommt, mag fortbleiben. Die brauchen wir, die uns zuf?llig finden, weil sie uns brauchen.?
?Ja, ja?, sagte Jakob Silberland etwas verlegen. ?Aber wir m��ssen doch einen Anfang haben. Wir zwei, drei Menschen k?nnen uns dort nicht festsetzen und auf die anderen warten. Damit w��rden wir uns nur l?cherlich machen und gar nichts erreichen.?
?Du irrst. Wir m��ssen gerade hingehen und uns der L?cherlichkeit aussetzen.?
?Ich f��rchte nur, da? wir zwei, mit Edgar Allan also drei, unser ganzes Leben lang allein auf der Insel hocken werden.?
Otto Meyer, der offenbar f��rchtete, Zeuge eines Streites der beiden Freunde zu werden, verabschiedete sich, wobei er Seebeck daran erinnerte, da? er morgen zum Mittagessen zu kommen versprochen h?tte.
Der Streit brach aber nicht aus, im Gegenteil, Paul Seebeck sagte ganz ruhig, wobei er seinem Freunde gerade ins Gesicht blickte:
?Ich verstehe dich vollkommen; du willst gleich mit einem gewissen Material anfangen. Ich glaube, du machst dir unn?tige Sorgen. Es werden mehr zu uns kommen, als wir brauchen k?nnen. Du wirst sehen, da? viele gleich mit uns kommen wollen. Aber jetzt mu?t du mich entschuldigen?, brach er ab, wobei er auf die Uhr sah. ?Ich will ins Theater.?
Als Paul Seebeck gegangen war, setzte sich Jakob Silberland richtig in der Ecke zurecht und lie? sich vom Kellner alle Abendbl?tter bringen und las die - je nach der politischen Richtung der betreffenden Zeitung - wohlwollenden, abwartenden oder geh?ssigen Glossen zur halbamtlichen Wolff-Nachricht. Nach einer Stunde war er aber m��de vom Lesen; er lehnte sich zur��ck und lie? sich sein letztes Gespr?ch mit Paul Seebeck noch einmal durch den Kopf gehen. Je mehr er nachdachte, umsoweniger hielt er Paul Seebecks Ansicht f��r richtig; er glaubte vielmehr, da? man sich einen gewissen, soliden Kern sammeln m��?te, um den sich dann die Gemeinschaft kristallisieren k?nnte. Aber einfach abwarten - nein. Lieber organisieren, aufbauen.
Und als ihm das als das richtige klar vor Augen stand, beschlo? er, einen Mann aufzusuchen, den er sich als wertvollen Mitarbeiter an der Sache denken konnte, n?mlich den russischen Fl��chtling Nechlidow.

Durch schwere, dunkle Vorh?nge ged?mpft, fiel das Licht in den Salon, in dem die hohe Frauengestalt stand. Das schwarze Schleppkleid lie? Hals und Gesicht noch wei?er erscheinen, und die gro?en braunen Augen leuchteten.
?Warum kommen Sie erst jetzt zu mir?? fragte
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