Papa Hamlet | Page 5

Arno Holz and Johannes Schlaf
in sich versprte, war jetzt tragisch auf
das kleine runde Spiegelchen ber der Kommode zugetreten, aus dem
ihm nun sein sch”ner, edelgeformter Apollokopf melancholisch
zunickte.
"Armer Freund! Wie ist dein Gesicht betroddelt, seit ich dich zuletzt
sah!"
Amalie bekmmerte sich nicht mehr um ihn. Sie kannte ihren groáen
Gatten.
"Armer Freund!"
War das sein Haar? Sein sch”nes, berhmtes, blauschwarzes Haar? Eine
grausame Natur der Dinge hatte ihm nun schon seit Wochen verwehrt,
es sich brennen zu lassen. In die Stirn, in diese erhabene W”lbung
majest„tischer Gedanken, fiel es ihm nun in Str„hnen, dick und feist,
wie sie selber, diese schale, engbrstige Zeit.
"Armer Freund!"
Nachdem er sich so zu der erhabenen Mission, die ihm vorschwebte,

gengend pr„pariert zu haben glaubte, drehte er sich jetzt gemessen nach
dem kleinen, gelben Korb um, der dicht neben dem Bett quer ber zwei
Sthle gestellt war.
"Armes kleines Menschenkind! Welch b”ser Stern verdammte dich in
dieses Elend!"
Das arme kleine Menschenkind zappelte ihn an und lachte.
"Aber still! Still! Ich will alles einsetzen! Ich will meine ganze Kraft
einsetzen! Ich werde arbeiten, Freund! Ich werde arbeiten! Ich werde
dem Schicksal die Stirn bieten; ich werde ihm ab trotzen, daá du in
dieser herben Welt dereinst jene Stellung einnimmst, die deinen
Talenten gebhrt...ja! So macht Gewissen Feige aus uns allen. Der
angebornen Farbe der Entschlieáung wird des Gedankens Bl„sse
angekr„nkelt; und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck, durch
diese Rcksicht aus der Bahn gelenkt, verlieren so der Handlung
Namen!"
Seine Stimme bebte, seine Schlafrocktroddeln hinter ihm, die er sich
zuzubinden vergessen hatte, zitterten.
Amalie hatte jetzt ihr Schmalzbrot wieder beiseite gelegt.
"Niels, ich will doch lieber n„hen gehn!"
"Nie! Nie! Sprich nicht davon, Amalia! Bei meinem Zorn! Sprich nicht
davon!"
Amalie war wieder beruhigter denn je.
Ihr sch”nes Schmalzbrot war, Gottseidank, noch nicht ganz alle. Der
groáe Thienwiebel, der einigermaáen aus seinem Konzept gekommen
war, hatte jetzt einige Mhe, wieder hineinzukommen. Den Shakespeare,
den er wieder von der Erde aufgelesen hatte, hinten in seinen
Wattenklunkern, die Finger krampfhaft um seinen roten Saffianrcken,
nickte er jetzt wieder schmerzlich auf das kleine, verwunderte
Bndelchen hinab. Es hatte die ganze Zeit ber kaum zu mucksen gewagt.
"Ich weiá... ich werde sterben, Freund! Ich werde sterben!--Das starke
Gift bew„ltigt meinen Geist! Ich kann von England nicht die Zeitung
h”ren; doch prophezei ich, die Erw„hlung f„llt auf Fortinbras... Du
lebst; erkl„re mich und meine Sache den Unbefriedigten!"
Der kleine Fortinbras war jetzt ganz ernsthaft geworden. Er hatte seinen
groáen Papa noch nie so menschlich mit ihm reden h”ren.
"Den Unbefriedigten"
Der Regen drauáen, der die braunen D„cher drben schon seit

frhmorgens wie mit Glanzlack berzogen hatte, pl„tscherte, aus dem
Fensterblech, unter das die reizende Ophelia natrlich wieder den
Wasserkasten zu h„ngen vergessen hatte, war er jetzt allm„hlich sogar
die graue Tapete hinab bis mitten unter das kleine Blaukattunene
gekrochen. Auf seinem kleinen Teich drunter konnten die beiden
angebrannten Schwefelh”lzchen bereits in aller Gem„chlichkeit
rundherum Gondel fahren.
Pl”tzlich schien den groáen Thienwiebel wieder mal irgend etwas
unversehens gestochen zu haben.
"Amalie! Amalie!"
"Was denn schon wieder, Thienwiebel!"
Sie hatte sich nicht einmal umgesehn.
"Amalie, es ist nicht zu leugnen: das Kind hat ganz auáergew”hnliche
F„higkeiten! Es hat mich soeben angelacht. Es unterh„lt sich ordentlich
mit mir!"
Amalie grunzte nur verdrieálich.
"Ich wette, man kann ihm schon die Anfangsgrnde des Sprechens
beibringen, Amalie!"
"Hm? du! Sag mal: a! Na?! a-a-a..."
Der kleine, gute Fortinbras wuáte sich jetzt vor lauter Verdutztheit gar
nicht mehr zu lassen. Er hatte seine beiden dicken H„ndchen rechts und
links in den Korbrand gekrallt und „hte nun, seinen Kopf nach hinten
zurckgelegt, seinen groáen Papa ganz vergngt an.
"Nicht „, mein Junge! Sag a! A sollst du sagen! Also? Na? Aaaa!... "
"Ach, laá doch! Das kann er ja noch nich!"
Amalie hatte es endlich doch fr angezeigt gehalten, sich ins Mittel zu
legen.
"Was?! Das kann er nicht?! Sage das nicht, Amalie! Sage das nicht!
Dafr ist er mein Junge! H„? Bist du mein Junge? H„?"
"Aber er ist ja erst kaum ein Vierteljahr alt!"
"So? So? Nun, hm...Ich will nicht mit dir rechten, Amalie! Allein du
wirst doch vorhin bemerkt haben, daá er durchaus verstand, was ich
meinte!"
Amalie g„hnte. Sie gab es auf. Es hatte ja keinen Zweck! Es war ja
alles egal! So oder so!
Der groáe Thienwiebel aber war damit noch nicht zufrieden. Er konnte
seine Idee noch nicht so leicht wieder fallenlassen.

Nein, gewiá, Amalie! Der Junge berechtigt zu den besten Hoffnungen!"
Ach...
"Nun! Was ist denn da so Ungew”hnliches dabei, Amalie? Du weiát: es
gibt mehr. Ding' im Himmel und auf Erden, als unsere Schulweisheit
sich tr„umt, Amalie!"
Amalie g„hnte nur wieder.
"...und nun, ihr Lieben, Wofern ihr Freunde seid, Mitschler, Krieger,
Gew„hrt ein Kleines mir!"
Sie gew„hrten es ihm.
Es war wirklich zu sch”n von dem groáen Thienwiebel! Aber er hatte
sich jetzt tief
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