Papa Hamlet | Page 2

Arno Holz and Johannes Schlaf
Frosch.
"Armer Yorick!"
Herr Thienwiebel hatte sich seufzend erhoben und setzte jetzt seine
Wanderung von vorhin wieder fort.
"...oder? oder... Sich waffend gegen eine See von Plagen, Durch
Widerstand sie enden. --Sterben--schlafen--Nichts weiter!--"
Vor dem Fenster konnte er sich jetzt wieder nicht versagen, eine kleine
Pause zu machen.
Die Sonne drauáen ging gerade unter. Die D„cher sahen fuchsrot aus.
Aber ein Blick auf seinen alten, abgenutzten Schlafrock unten lieá ihn

sich wieder zusammennehmen und seinen Monolog von neuem
beginnen.
"Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage: Ob's edler im Gemt Ae,
Quatsch!!"
Mit einem Ruck war jetzt der Shakespeare, den er sich eben aus seiner
Schlafrocktasche gerissen, auf den Tisch geflogen, wo er die
Gesellschaft einer Spirituskochmaschine, eines braunirdenen
Milchtopfs ohne Henkel, eines alten, beruáten Handtuchs, einer
Glaslampe und einer Photographie des groáen Thienwiebel in
Morarahrnen vorfand.
"He! Horatio! Horatio!!... Nicht zu Hause! Nicht zu Hause..."
Total vernichtet hatte er sich jetzt wieder auf das Sofa
zurckgeschleudert und vertiefte sich nun in den tragischen Anblick
eines schmutzigen Kinderhemdchens, das neben einer geplatzten
Schachtel schwedischer Zndh”lzchen vor ihm unten auf dem Fuáboden
lag.
"Verwnscht! Wenn man wenigstens mal ausgehn k”nnte, Amalie! Aber
ich frchte...ich frchte...die Welt ist nicht vorurteilsfrei genug, um einen
Niels Thienwiebel im Schlafrock und Zylinder unbehelligt seines
Weges dahingehn zu lassen!"
Aber Amalie antwortete nicht einmal. Der kleine Krebsrote nahm ihre
ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Sein Lutschen zog jetzt den
ganzen Schlauch zusammen.
"Ja! Es ist so! Es ist so, Amalie! Aber sie schreiben mir noch immer
nicht! Sie haben da Leute, Leute--Leute? Pah! Stmp'rr! 0 Schmach, die
Unwert schweigendem Verdienst erweist!"
jetzt hatte Amalie, die dies Thema bereits kannte, etwas aufgesehn.
"Ja...es w„re am Ende doch gut, wenn du einmal ..."
Ihre Stimme klang heiser, belegt.
"Ja, so wird es kommen! Vielleicht...bei meiner Schwachheit und
Melancholie..."
Der kleine Krebsrote schmatzte! Seine Flasche war jetzt so gut wie
leer.
"Ich werde selbst hingehn mssen und frliebnehmen mit dem, was man
mir anzubieten wagt! Das Leben ist brutal, Amalie! Verflucht! Wenn
man wenigstens einen Rock zum Ausgehen h„tte!"
Sein Tenor war jetzt bergeschnappt, er hatte sich wieder lang ber das

Sofa zurckgeeselt.
Groáe Pause...
Die D„cher drauáen hatten sich allm„hlich braun gef„rbt. Die Sonne an
dem groáen runden Schornstein drben war verblichen.
Frau Thienwiebel fing jetzt hinten in ihrer Ecke zu husten an.
"Herr Gott, Niels! Ich muá ja inhalieren! Da, nimm doch mal das
Kind!"
"Natrlich! Auch noch Kinderfrau! Oh, Ich reiáe Possen wie kein andrer!
Was kann ein Mensch auch andres tun als lustig sein? Still, Krabbe!! "
Der kleine Krebsrote schwieg wieder. Er war noch nie so verblfft
gewesen.
"Da! Nimm's! Kau's! Friá! Verschluck's!"
Der groáe Thienwiebel hatte es jetzt sogar ber sich gewonnen, seinem
ungeratnen SprӇling auch den Schnuller in den Mund zu stopfen.
Mehr war unm”glich zu verlangen!
Amalie hatte unterdessen die Ofenr”hre aufgemacht und entnahm ihr
jetzt einen kleinen, grnglasierten Kochtopf. Ein nach Salbei duftender
Brodem entstieg ihm. Nachdem sie dann noch das kleine Geschirr
neben den Ofen auf einen Stuhl und sich selbst auf die Fuábank davor
gesetzt hatte, machte sie jetzt ihren Mund auf und atmete das heiáe
Zeug langsam ein.
Der groáe Thienwiebel, der sich unterdes mit seinem impertinenten
kleinen Krebsroten auf die Tischkante placiert hatte, sah ihr
nachdenklich zu.
"Hm! Weiát du, Amalie?
"Hm??"
"Weiát du? Wir haben eigentlich eine ganz falsche Methode, das Kind
zu n„hren, Amalie!"
"Ach was!"
"Ich sage, eine Methode! Eine verkehrte Methode, Amalie!"
"Aber..."
"Verlaá dich drauf! Eine unnatrliche, Amalie!"
"Ja, du lieber Gott..."
"Eine unnatrliche...Wir sollten das Kind nicht mit der Flasche tr„nken!"
"Nich? Na, womit denn sonst?"
"Du selbst solltest es eben tr„nken!"
"Ich?"

"Gewiá, Amalie!"
"Ach lieber Gott! Ich! Selbst!".
"Nun! Warum nicht?"
"Ich?? Bei meiner schwachen, kranken Brust jetzt?"
"Ach was! Das bildest du dir ja nur ein, Amalie! Ich sage die, du bist
v”llig gesund. Du bist v”llig gesund, sag ich!...šbrigens: Ein Kind kann
ein fr allemal nur dann gedeihen, wenn es die Mutter selbst s„ugt!"
Herr Thienwiebel war jetzt ganz eifrig geworden. Seine Langeweile
von vorhin schien er v”llig vergessen zu haben. Er schien es sogar nicht
bemerkt zu haben, daá dem kleinen zappelnden Wurm auf seinen Knien
der Schnuller wieder heruntergekullert war.
"Verlaá dich drauf, Amalie! Ich sage, die natrlichste Methode ist immer
die beste! Denk doch mal: was sollten denn sonst die Negerweiber
anfangen! Sie haben keine Flaschen! Sie n„hren ihre Kinder selbst,
siehst du...und,und--nun ja! Und sie gedeihen dabei! Gedeihen! Na?"
"Ja, Niels, aber ich bin doch kein Negerweib!"
Der groáe Thienwiebel l„chelte berlegen.
"Ja nun, du muát...hehe! Du muát mich eben verstehn, Amalie! He!"
Amalie hatte sich wieder tief ber ihren Salbeitopf gebckt.
"Ich wollte dir damit eben nur durch ein...ein...nun sagen wir durch ein
Beispiel, andeuten, daá das Natrlichste immer das Vernnftigste ist. Ich
sehe eben durchaus nicht ein, warum die Negerweiber etwas vor uns
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