Novelle | Page 3

Johann Wolfgang von Goethe
als gebe; dies zu bewirken, ist am Ende die Summe des ganzen Staatshaushaltes so wie der kleinsten h?uslichen Wirtschaft.
Verzeihen Sie aber, meine Beste, ich reite niemals gern durch den Markt und Messe; bei jedem Schritt ist man gehindert und aufgehalten, und dann flammt mir das ungeheure Ungl��ck wieder in die Einbildungskraft, das sich mir gleichsam in die Augen eingebrannt, als ich eine solche G��ter- und Warenbreite in Feuer aufgehen sah.
Ich hatte mich kaum--".
"Lassen Sie uns die sch?nen Stunden nicht vers?umen!" fiel ihm die F��rstin ein, da der w��rdige Mann sie schon einigemal mit ausf��hrlicher Beschreibung jenes Unheils ge?ngstigt hatte, wie er sich n?mlich, auf einer gro?en Reise begriffen, abends im besten Wirtshause auf dem Markte, der eben von einer Hauptmesse wimmelte, h?chst erm��det zu Bette gelegt und nachts durch Geschrei und Flammen, die sich gegen seine Wohnung w?lzten, gr??lich aufgeweckt worden.
Die F��rstin eilte, das Lieblingspferd zu besteigen, und f��hrte, statt zum Hintertore bergauf, zum Vordertore bergunter ihren widerwillig bereiten Begleiter; denn wer w?re nicht gern an ihrer Seite geritten, wer w?re ihr nicht gern gefolgt!
Und so war auch Honorio von der sonst so ersehnten Jagd willig zur��ckgeblieben, um ihr ausschlie?lich dienstbar zu sein.
Wie vorauszusehen, durften sie auf dem Markte nur Schritt vor Schritt reiten; aber die sch?ne Liebensw��rdige erheiterte jeden Aufenthalt durch eine geistreiche Bemerkung.
"Ich wiederhole", sagte sie, "meine gestrige Lektion, da denn doch die Notwendigkeit unsere Geduld pr��fen will".
Und wirklich dr?ngte sich die ganze Menschenmasse dergestalt an die Reitenden heran, da? sie ihren Weg nur langsam fortsetzen konnten. Das Volk schaute mit Freuden die junge Dame, und auf so viel l?chelnden Gesichtern zeigte sich das entschiedene Behagen, zu sehen, da? die erste Frau im Lande auch die sch?nste und anmutigste sei.
Untereinander gemischt standen Bergbewohner, die zwischen Felsen, Fichten und F?hren ihre stillen Wohnsitze hegten, Flachl?nder von H��geln, Auen und Wiesen her, Gewerbsleute der kleinen St?dte, und was sich alles versammelt hatte.
Nach einem ruhigen ��berblick bemerkte die F��rstin ihrem Begleiter, wie alle diese, woher sie auch seien, mehr Stoff als n?tig zu ihren Kleidern genommen, mehr Tuch und Leinwand, mehr Band zum Besatz.
"Ist es doch, als ob die Weiber nicht brauschig und die M?nner nicht pausig genug sich gefallen k?nnten!"
"Wir wollen ihnen das ja lassen", versetzte der Oheim; "wo auch der Mensch seinen ��berflu? hinwendet, ihm ist wohl dabei, am wohlsten, wenn er sich damit schm��ckt und aufputzt".
Die sch?ne Dame winkte Beifall.
So waren sie nach und nach auf einen freiern Platz gelangt, der zur Vorstadt hinf��hrte, wo am Ende vieler kleiner Buden und Kramst?nde ein gr??eres Brettergeb?ude in die Augen fiel, das sie kaum erblickten, als ein ohrzerrei?endes Gebr��lle ihnen entgegent?nte.
Die F��tterungsstunde der dort zur Schau stehenden wilden Tiere schien herangekommen; der L?we lie? seine Wald- und W��stenstimme aufs kr?ftigste h?ren, die Pferde schauderten, und man konnte der Bemerkung nicht entgehen, wie in dem friedlichen Wesen und Wirken der gebildeten Welt der K?nig der Ein?de sich so furchtbar verk��ndige.
Zur Bude n?her gelangt, durften sie die bunten, kolossalen Gem?lde nicht ��bersehen, die mit heftigen Farben und kr?ftigen Bildern jene fremden Tiere darstellten, welche der friedliche Staatsb��rger zu schauen un��berwindliche Lust empfinden sollte.

Novelle, Kapitel 3
Der grimmig ungeheure Tiger sprang auf einen Mohren los, im Begriff ihn zu zerrei?en, ein L?we stand ernsthaft majest?tisch, als wenn er keine Beute seiner w��rdig vor sich s?he; andere wunderliche, bunte Gesch?pfe verdienten neben diesen m?chtigen weniger Aufmerksamkeit.
"Wir wollen", sagte die F��rstin, "bei unserer R��ckkehr absteigen und die seltenen G?ste n?her betrachten!"--"Es ist wunderbar", versetzte der F��rst, "da? der Mensch durch Schreckliches immer aufgeregt sein will.
Drinnen liegt der Tiger ganz ruhig in seinem Kerker, und hier mu? er grimmig auf einen Mohren losfahren, damit man glaube, dergleichen inwendig ebenfalls zu sehen; es ist an Mord und Totschlag noch nicht genug, an Brand und Untergang: die B?nkels?nger m��ssen es an jeder Ecke wiederholen.
Die guten Menschen wollen eingesch��chtert sein, um hinterdrein erst recht zu f��hlen, wie sch?n und l?blich es sei, frei Atem zu holen".
Was denn aber auch B?ngliches von solchen Schreckensbildern mochte ��briggeblieben sein, alles und jedes war sogleich ausgel?scht, als man, zum Tore hinausgelangt, in die heiterste Gegend eintrat.
Der Weg f��hrte zuerst am Flusse hinan, an einem zwar noch schmalen, nur leichte K?hne tragenden Wasser, das aber nach und nach als gr??ter Strom seinen Namen behalten und ferne L?nder beleben sollte.
Dann ging es weiter durch wohlversorgte Frucht- und Lustg?rten sachte hinaufw?rts, und man sah sich nach und nach in der aufgetanen, wohlbewohnten Gegend um, bis erst ein Busch, sodann ein W?ldchen die Gesellschaft aufnahm und die anmutigsten ?rtlichkeiten ihren Blick begrenzten und erquickten.
Ein aufw?rts leitendes Wiesental, erst vor kurzem zum zweiten Male gem?ht, sammet?hnlich anzusehen, von einer oberw?rts lebhaft auf einmal reich entspringenden Quelle gew?ssert, empfing sie freundlich, und so zogen sie einem h?heren, freieren Standpunkt entgegen, den sie, aus dem Walde sich bewegend, nach einem lebhaften Stieg erreichten, alsdann aber vor sich noch in bedeutender Entfernung
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